Update: Therapie und Prävention von Nahrungsmittelallergien

Ist eine primäre IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergie diagnostiziert, muss auf das Allergen verzichtet werden. Nur für die Erdnussallergie ist eine orale Immuntherapie verfügbar. Zudem gibt es neue Empfehlungen zur Prävention von Erdnuss- und Hühnereiallergie. Bei Nahrungsmittelallergien kommen laut Prof. Dr. med. Kirsten Beyer, Charité – Universitätsmedizin Berlin IgE-vermittelte Soforttypreaktionen am häufigsten vor. Für den richtigen Umgang mit primären IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien ist die sorgfältige Diagnostik entscheidend. Und diese beginnt bei der Anamnese. „Es gibt immer wieder Patienten, die aufgrund von Sensibilisierungen auf eine Diät gesetzt werden, obwohl sie regelmäßig das Allergen verzehren“, ärgerte sich Beyer auf dem Deutschen Allergiekongress 2022. „Ein regelmäßiger Verzehr schließt in der Regel eine Nahrungsmittelallergie aus“, erinnerte sie deshalb. Die Patienten bzw. deren Eltern sollten also nach dem Verzehr von Nahrungsmitteln und nach vorherigen Reaktionen gefragt werden. Darüber hinaus ist es wichtig, eine atopische Dermatitis abzuklären, denn diese ist der Risikofaktor für Nahrungsmittelallergien. Eine Sensibilisierung allein beweist noch keine Allergie Zum Nachweis einer Sensibilisierung wird der Hautpricktest und die In-vitro-Diagnostik angewendet. Die Ergebnisse der beiden Verfahren würden aber bei ungefähr 10–20 % der Kinder nicht übereinstimmen. Deshalb sollte bei einem klaren Verdacht auf eine IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergie und einem negativen Testergebnis das jeweils andere Verfahren auch durchgeführt werden. „Zusätzlich ist die Komponentendiagnostik bei der Erdnuss- und Schalenfruchtallergie extrem hilfreich, sie verlässt uns aber bei der Kuhmilch- und Hühnereiallergie“, erklärte Beyer. Nach den Daten einer Metaanalyse, hat die Messung des spezifischen IgE gegen Erdnuss zwar eine exzellente Sensitivität, aber die Spezifität ist relativ schlecht. Hingegen weist die Messung des spezifischen IgE gegen das Samenspeicherprotein Ara h 2 in der Erdnuss eine sehr gute Spezifizität und Sensitivität auf [1]. Aber: „Eine Sensibilisierung allein beweist noch keine Allergie! Es gilt der Leitsatz: Je höher das spezifische IgE, desto wahrscheinlicher die Reaktion“, mahnte Beyer. Deshalb müssten weiterhin viele Kinder oral provoziert werden, um die Diagnose auf eine Nahrungsmittelallergie stellen zu können. „Ist die Anamnese eindeutig, braucht es auch keinen Provokationstest, dieser ist aber nötig bei einer nachgewiesenen Sensibilisierung, obwohl das Nahrungsmittel noch nie gegessen wurde und bei der Frage nach einer Toleranzentwicklung“, erklärte sie. „Wenn Kinder nicht auf den Provokationstest reagieren, dann sollte das Allergen mehrmals pro Woche, am besten täglich gegessen werden. Das ist wichtig vor allem bei Nüssen, weil sonst diese derzeit vorhandene Toleranz bei einem sensibilisierten Patienten wieder verschwinden kann“, empfahl die Allergologin. Bei einer positiven Reaktion muss allerdings auf das Nahrungsmittel verzichtet werden, mit Unterstützung einer allergologisch ausgewiesenen Ernährungsfachkraft. Natürliche Toleranzentwicklung beachten Eine regelmäßige Reevaluation der Allergie ist nach Meinung von Beyer sehr wichtig, da sich eine Toleranz ausbilden kann. „Die natürliche Toleranzentwicklung ist exzellent bei Kuhmilch- und Hühnereiallergie, aber auch jedes fünfte Kind verliert seine Erdnussallergie von allein“, sagte sie. Auch wenn sich bei vielen Kindern die Kuhmilch- und Hühnereiweißallergie „auswächst“, gibt es welche, bei denen dies sehr unwahrscheinlich ist. Nach den Ergebnissen einer aktuellen Untersuchung, „werden diejenigen Kinder nicht tolerant, die mit einem hohen IgE starten, und jene mit einer multiplen Sensibilisierung“, stellte Beyer dar [2]. Ursächlich könnte eine Filaggrin-Loss-of-function-Mutation sein, denn diese ist mit dem Risiko einer Nahrungsmittelallergie und der Persistenz der Kuhmilch- und Hühnereiallergie assoziiert, wie sich in einer aktuellen Studie herausgestellt hat. „Die Kinder mit einer Filaggrin-Loss-of-function-Mutation haben also eine länger persistierende Hühnerei- oder Kuhmilchallergie [3]. Neu: orale Immuntherapie bei Erdnussallergie Die Therapie einer Nahrungsmittelallergie beschränkt sich leitliniengerecht auf die Eliminationsdiät. Wichtig ist zudem die Teilnahme an einer Anaphylaxieschulung und die Verordnung von Notfallmedikamenten für Menschen mit erhöhtem Anaphylaxierisiko. „Ein Notfallset mit Adrenalin-Autoinjektor brauchen in der Regel Kinder mit Erdnuss- oder primärer Schalenfruchtallergie, es wird jetzt aber auch für Kinder mit systemischen Reaktionen auf Kuhmilchallergie empfohlen“, sagte Beyer. Im Notfallset sollten außerdem schriftliche Instruktionen für die Eltern hinterlegt sein sowie ein Anaphylaxie-Pass (unter: www.gpau.de). Für die Erdnussallergie steht jetzt eine orale Immuntherapie zur Verfügung. Nach einer initialen Aufdosierung am ersten Tag, folgt eine Steigerungsphase alle zwei Wochen bis die Kinder täglich 300 mg Erdnussextrakt zu sich nehmen für drei bis fünf Jahre (Erhaltungsphase). „Das Ziel ist nicht eine Toleranz gegenüber der Erdnuss, sondern eine Erhöhung des Schwellenwertes“, ergänzte Beyer. Milde oder moderate systemische allergische Reaktionen treten darunter bei 14 % der Kinder auf, 1,1 % erleiden schwere Reaktionen. Regelmäßiger Kontakt fördert Toleranz Um einer Nahrungsmittelallergie vorzubeugen, wird aktuell in der S3-Leitlinie Allergieprävention empfohlen, „dass mit der Beikost, also relativ frühzeitig, durcherhitztes Ei (z.B. verbacken oder hartgekocht) mit eingeführt werden sollte – aber kein rohes Ei oder Rührei“, fasste Beyer zusammen. Entscheidend sei es dabei, das eingeführte Ei auch regelmäßig weiterzugeben. Dies gilt ebenso für die Erdnuss: „Zur Prävention der Erdnussallergie kann bei Säuglingen mit atopischer Dermatitis in Familien mit regelmäßigem Erdnusskonsum im Zuge der Beikost-Einführung erwogen werden. Erdnussprodukte in altersgerechter Form können z.B. als Erdnussbutter eingeführt und regelmäßig weitergegeben werden – wichtig ist es aber, vorher eine Erdnussallergie auszuschließen“, sagte Beyer. basierend auf: "Primäre Nahrungsmittelallergie – von der Diagnose zur Therapie. Plenarsitzung: Verschiedene Gesichter der Nahrungsmittelallergie", Vortrag von "Prof. Dr. med. Kirsten Beyer, Charité – Universitätsmedizin Berlin". Vom 17. Deutscher Allergiekongress, 08.09. – 10.09.2022, Wiesbaden und virtuell. Empfehlung der Redaktion Kongressdossier Unsere Highlights vom 17. Deutschen Allergiekongress 2022 „Die Zukunft der Allergologie – innovativ und nachhaltig“ – unter diesem Tagungsmotto fand der 17. Deutsche Allergiekongress (DAK) vom 08.09. – 10. 09.22 als Hybridveranstaltung in Wiesbaden statt. Unsere Highlights vom Kongress haben wir in diesem Dossier für Sie zusammengestellt.

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