Diagnose "Gestationsdiabetes" hat ihre Tücken

Ein Gestationsdiabetes (GDM) gehört zu den häufigsten Komplikationen in der Schwangerschaft. Der Nachweis ist über die Nüchternglukosewerte bzw. einen oralen Glukosetoleranztest (oGGT) im Prinzip einfach, aber eine einzelne Messung ist fehleranfällig. Man sollte sich bei der Diagnose eines Schwangerschaftsdiabetes nicht auf Einzelwerte verlassen, sagte Dr. Guido Freckmann vom Institut für Diabetes-Technologie an der Universität Ulm beim Diabetes Kongress in Hamburg. In der DDG-Praxisleitlinie unterscheidet sich die diagnostische Vorgehensweise vor und nach der 24. Schwangerschaftswoche (SSW). Vor der 24. SSW wird nach einer auffälligen Gelegenheitsglukose ≥ 200 mg/dl (oder Nüchternglukose ≥ 92 mg/dl) eine Zweitmessung empfohlen. Ist der Nüchternwert ≥ 92 mg/dl liegt ein GDM, bei Werten darüber ein manifester Diabetes vor. Nach der 24. SSW wird ein 75-Gramm oGGT empfohlen, nüchtern unter standardisierten Bedingungen und qualitätsgesicherter Glukosemessung aus venösem Blut, eventuell nach einem Screening mittels 50-Gramm-Suchtest (Grenzwert ≥ 135 mg/dl nach 1 Stunde). Bei Überschreiten von mindestens einem Grenzwert (nüchtern ≥ 92 mg/dl, nach 1 Stunde ≥ 180 mg/dl, nach 2 Stunden ≥ 153 mg/dl) kann die Diagnose GDM gestellt werden, hier also nach einmaliger Messung. Knackpunkt Blutentnahme Freckmann, selbst Diabetologe, hob die Fehlerquellen bei der Messung hervor: „Die Crux liegt bei der Blutentnahme.“ Wegen des Glukoseabbaus durch anaerobe Glukolyse (-7% pro Stunde) müsse die Messung nach venöser Blutentnahme innerhalb weniger Minuten erfolgen oder eine Glykolysehemmung sichergestellt werden. Insbesondere bei grenzwertnahen Glukosekonzentrationen können Fehler bei der präanalytischen Probenhandhabung die Diagnose eines GDM beeinflussen und sich auf Gesundheit von Mutter und Kind auswirken, warnte Freckmann. Er sieht weiteres Verbesserungspotential: Die maximalen Abweichungen vom Zielwert von 11%, die in der Qualitätssicherung der Glukosemessung nach Rili-BÄK (Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung Laboratoriums-medizinischer Untersuchungen) genannt sind, seien sehr hoch. „Für die Diagnostik wären engere Diagnosegrenzen wünschenswert“, so Freckmann. Er riet dazu, bei Werten im Bereich der messtechnischen Unsicherheit erneut zu messen und andere Befunden für die GDM-Diagnose hinzuzuziehen. Zudem sollte überprüft werden, ob POCT Unit Use-Systeme für die Diagnose eines GDM geeignet seien. Diabetesrisiko postpartum einschätzen Welche weiteren Parameter zur Beurteilung des Glukosestoffwechsels sollten bei Schwangeren erhoben werden? Zwar ist die HbA1c-Bestimmung laut DDG-Leitlinie wegen der geringen Sensitivität nicht zum GDM-Screening und auch nicht zur Therapiekontrolle geeignet, berichtete Dr. Christoph Neumann, niedergelassener Diabetologe in München. Aber der Wert sollte zur Diagnose eines manifesten Diabetes herangezogen und auch zum Zeitpunkt der GDM-Diagnose gemessen werden. Bei Diabeterinnen sollte der HbA1c in der Schwangerschaft alle vier bis sechs Wochen bestimmt werden. Diabetes-Antikörper können zur Risikostratifizierung von Schwangeren mit GDM herangezogen werden. Bei Nachweis von Antikörpern gegen GAD und/oder IA-2 liegt das postpartum Diabetesrisiko der Frauen bei über 90% im Vergleich zu nur 14% bei Frauen ohne Antikörper, berichtete Neumann. Weitere Risikofaktoren für das Auftreten eines manifesten Diabetes sind Insulintherapie, Body-Mass-Index > 30 kg/m2 und mehr als zwei vorangegangene Schwangerschaften. Auch die Vorhersage eines Typ-1-Diabetes wird durch Bestimmung des Antikörperstatus verbessert. Drei positive Antikörper (GAD, IA-2, ICA) wiesen mit einer Sensitivität von 82% auf einen bevorstehenden Typ-1-Diabetes hin, so Neumann. Fructosamine, Ketone, CRP-Wert Fructosamine, deren Konzentration proportional zum Glukosegehalt im Blut steigt, sind zur GDM-Diagnose ebenfalls nicht geeignet, aber vermutlich ein besserer Indikator der Glykämie bei GDM und Diabetes in der Schwangerschaft als der HbA1c. Fructosamine (Normbereich 200–290 micmol/l) geben Auskunft über die mittleren Blutzuckerwerte in den letzten ein bis drei Wochen. Der Anstieg von Ketonen ist in der Schwangerschaft physiologisch. Bei rund 30% aller Schwangeren (mit und ohne Diabetes) können im ersten Morgenurin Ketone nachgewiesen werden, so Neumann. Ein Monitoring werde empfohlen, obwohl unklar sei, ob sich Ketone auf den Verlauf der Schwangerschaft ungünstig auswirken. Ein erhöhter hochsensitiver CRP-Wert und ein erniedrigtes C-Peptid sind nach Angaben von Neumann sensitive Marker zur Vorhersage eines GDM. Der positive prädiktive Wert liege bei rund 60%. Ein neuer Biomarker für eine schwangerschaftsinduzierte Glukosetoleranz ist glykiertes CD59 im Plasma. Der Wert sei bei Frauen mit gesichertem GDM zehnfach erhöht und könnte künftig eventuell den oGGT ablösen, so Neumann. Last not least: Bei Frauen mit einer Glukosetoleranzstörung in der Schwangerschaft und positiver Familienanamnese für einen „milden“ Typ-2-Diabetes sollte auch an einen monogenen MODY 2-Diabetes gedacht werden. basierend auf: Symposium „Schwangerschaft und Technologie: "fruchtbare" Interaktion“, Diabetes Kongress 2017, 26.05.2017, Hamburg

Springer Medizin

Diagnose "Gestationsdiabetes" hat ihre Tücken

Weiterführende Themen

Leitlinien kompakt für die Innere Medizin

Neu im Fachgebiet Innere Medizin

Niedriger diastolischer Blutdruck erhöht Risiko für schwere kardiovaskuläre Komplikationen

Therapiestart mit Blutdrucksenkern erhöht Frakturrisiko

Viel Bewegung in der Parkinsonforschung

Adjuvante Immuntherapie verlängert Leben bei RCC

Update Innere Medizin