Skip to main content
Erschienen in: Die Anaesthesiologie 10/2019

24.09.2019 | Notfallmedizin

Exit-Wellenplan zur geordneten sekundären Patientenverteilung

Logistikkonzept bei Massenanfall von Terroropfern

verfasst von: Prof. Dr. E. Pfenninger, M. Königsdorfer

Erschienen in: Die Anaesthesiologie | Ausgabe 10/2019

Einloggen, um Zugang zu erhalten

Zusammenfassung

Hintergrund

Nach einem Terroranschlag ist ein „second hit“ zu befürchten. Die adäquate Reaktion des „clear the scene“ führt dazu, dass das nächstgelegene Krankenhaus in rascher Abfolge mit einer großen Zahl ungesichteter und unversorgter Verletzter konfrontiert wird. Der Umfang der Patientenaufnahmen übersteigt den bei einem normalen Massenanfall von Verletzten (MANV). Die Patienten können zwar erstversorgt, aber zur individuellen definitiven medizinischen Behandlung nicht stationär aufgenommen werden.

Fragestellung

Um nach einer Erstversorgung gemäß den Kriterien „damage control resuscitation“ die Verletzten individuell medizinisch betreuen zu können, sollte ein Konzept entwickelt werden, das die geordnete sekundäre Verlegung in adäquate Zielkliniken ermöglicht.

Material und Methoden

Im Umkreis von 100 km um Ulm wurden alle von der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie zertifizierten Kliniken schriftlich gefragt, wie viele Patienten der Sichtungskategorien (SK) 1, 2 und 3 sie rund um die Uhr aufnehmen könnten. Besonderheiten wie Hubschrauberlandeplatz, neurochirurgische Notfallversorgung und kindertraumatologische Versorgung wurden berücksichtigt.

Ergebnisse

Von den 32 Kliniken im Umkreis von 100 km um Ulm gaben 29 (91 %) Auskunft. In diesen Kliniken können rund um die Uhr 45 SK1-, 121 SK2- und 333 SK3-Patienten aufgenommen werden. An 26 der 29 Kliniken (90 %) steht ein Hubschrauberlandeplatz zur Verfügung; es verfügen 11 Kliniken (38 %) über die Möglichkeit einer neurochirurgischen und 18 (62 %) über die einer kindertraumatologischen Notfallversorgung. Aufgrund dieser Angaben wurde der strukturierte Exit-Wellenplan entwickelt, der eine Sekundärverlegung von mindestens 100 Patienten an qualifizierte Tramazentren ermöglicht.

Diskussion

Das Universitätsklinikum Ulm hat Vorbereitungen getroffen, beim Massenanfall von Terroropfern mindestens 100 Verletzte zur Erstversorgung aufzunehmen; dies entspricht dem in der Literatur geforderten Anteil von 10 % der Klinikbetten. Zusammen mit den benachbarten Kliniken Bundeswehrkrankenhaus sowie dem Universitäts- und Rehabilitationskrankenhaus Ulm können bis zu 300 Patienten erstversorgt werden. Die Kapazität für die definitive Versorgung ist jedoch weit geringer, sodass die erstversorgten Patienten z. T. weiterverlegt werden müssen. Durch die Erhebung der Aufnahmekapazität der Kliniken im Umkreis von 100 km um Ulm und unter Berücksichtigung ihrer Spezifika wurde ein Exit-Wellenplan erstellt, der die Verlegung der Patienten zur definitiven Versorgung ohne zeitraubende Rückfragen ermöglicht.
Literatur
3.
Zurück zum Zitat Ventzke MM, Ziegler B, Peter M, Kemming GI (2019) Terrorlagen in ländlicher Region. Notfall Rettungsmed 22:25–36CrossRef Ventzke MM, Ziegler B, Peter M, Kemming GI (2019) Terrorlagen in ländlicher Region. Notfall Rettungsmed 22:25–36CrossRef
4.
Zurück zum Zitat Hossfeld B, Hinkelbein J, Helm M (2015) Richtig handeln bei Terroranschlägen. Notfall Rettungsmed 18:265–266CrossRef Hossfeld B, Hinkelbein J, Helm M (2015) Richtig handeln bei Terroranschlägen. Notfall Rettungsmed 18:265–266CrossRef
5.
Zurück zum Zitat Singer AJ, Singer AH, Halperin P, Kaspi G, Assaf J (2007) Medical lessons from terror attacks in Israel. J Emerg Med 32:87–92CrossRef Singer AJ, Singer AH, Halperin P, Kaspi G, Assaf J (2007) Medical lessons from terror attacks in Israel. J Emerg Med 32:87–92CrossRef
6.
Zurück zum Zitat Hossfeld B, Adams HA, Bohnen R et al (2017) Zusammenarbeit von Rettungskräften und Sicherheitsbehörden bei bedrohlichen Lagen: Ergebnisse eines nationalen Konsensusgesprächs. Anästh Intensivmed 58(10):573–583 Hossfeld B, Adams HA, Bohnen R et al (2017) Zusammenarbeit von Rettungskräften und Sicherheitsbehörden bei bedrohlichen Lagen: Ergebnisse eines nationalen Konsensusgesprächs. Anästh Intensivmed 58(10):573–583
7.
Zurück zum Zitat De Ceballos JPG, Turegano-Fuentes F, Perez-Dias D, Sanz-Sanches M, Martin-LIorente C, Guerrero-Sanz JE (2004) 11 March 2004: The terrorist bomb explosions in Madrid, Spain—an analysis of the logistics, injuries sustained and clinical management of casualties treated at the closest hospital. Crit Care 9:104CrossRef De Ceballos JPG, Turegano-Fuentes F, Perez-Dias D, Sanz-Sanches M, Martin-LIorente C, Guerrero-Sanz JE (2004) 11 March 2004: The terrorist bomb explosions in Madrid, Spain—an analysis of the logistics, injuries sustained and clinical management of casualties treated at the closest hospital. Crit Care 9:104CrossRef
10.
Zurück zum Zitat Gates JD, Arabian S, Biddinger P, Blansfield J, Burke P, Chung S, Fischer J, Friedman F, Gervasini A, Goralnick E, Gupta A, Larentzakis A, McMahon M, Mella J, Michaud Y, Mooney D, Rabinovici R, Sweet D, Ulrich A, Velmahos G, Weber C, Yaffe MB (2014) The initial response to the Boston marathon bombing: lessons learned to prepare for the next disaster. Ann Surg 260(6):960–966CrossRef Gates JD, Arabian S, Biddinger P, Blansfield J, Burke P, Chung S, Fischer J, Friedman F, Gervasini A, Goralnick E, Gupta A, Larentzakis A, McMahon M, Mella J, Michaud Y, Mooney D, Rabinovici R, Sweet D, Ulrich A, Velmahos G, Weber C, Yaffe MB (2014) The initial response to the Boston marathon bombing: lessons learned to prepare for the next disaster. Ann Surg 260(6):960–966CrossRef
11.
12.
Zurück zum Zitat Okumura T, Suzuki K, Fukuda A, Kohama A, Takusa N, Ishimatsu S, Hinohara S (1998) The tokyo subway Sarin attack: disaster management, part 1: community emergency response. Acad Emerg Med 5:613–617CrossRef Okumura T, Suzuki K, Fukuda A, Kohama A, Takusa N, Ishimatsu S, Hinohara S (1998) The tokyo subway Sarin attack: disaster management, part 1: community emergency response. Acad Emerg Med 5:613–617CrossRef
16.
Zurück zum Zitat Schweigkofler U, Heinz SM, Hoffmann R (2018) Massenanfall von Verletzten im Krankenhaus. Trauma Berufskrankh 20:171–176CrossRef Schweigkofler U, Heinz SM, Hoffmann R (2018) Massenanfall von Verletzten im Krankenhaus. Trauma Berufskrankh 20:171–176CrossRef
21.
Zurück zum Zitat Wurmb T, Kerner T, Geldner G, Schälte G, Heller AR, Hossgeld B, Gräsner J‑T (2019) Bewältigung von Krisen oder Katastrophen im Krankenhaus – Die Rolle der Anästhesiologie. Anästh Intensivmed 60:389–393 Wurmb T, Kerner T, Geldner G, Schälte G, Heller AR, Hossgeld B, Gräsner J‑T (2019) Bewältigung von Krisen oder Katastrophen im Krankenhaus – Die Rolle der Anästhesiologie. Anästh Intensivmed 60:389–393
22.
Zurück zum Zitat Debus F (2015) Mögliche Reaktionen eines TraumaNetzwerkes im Katastrophenfall. Vortrag auf dem 15. Kongress der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Congress Center Leipzig Debus F (2015) Mögliche Reaktionen eines TraumaNetzwerkes im Katastrophenfall. Vortrag auf dem 15. Kongress der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Congress Center Leipzig
23.
Zurück zum Zitat Friemert B, Franke A, Bieler D, Achatz A, Hinck D, Engelhardt M (2017) Versorgungsstrategien beim MANV/TerrorMANV in der Unfall- und Gefäßchirurgie. Darstellung eines Versorgungskonzeptes. Chirurg 88:856–862CrossRef Friemert B, Franke A, Bieler D, Achatz A, Hinck D, Engelhardt M (2017) Versorgungsstrategien beim MANV/TerrorMANV in der Unfall- und Gefäßchirurgie. Darstellung eines Versorgungskonzeptes. Chirurg 88:856–862CrossRef
24.
Zurück zum Zitat Helm M, Wurmb T, Josse F, Hossfeld B (2017) Notfallmedizinische Versorgung bei konventionellen terroristischen Anschlägen. Notfmed up2date 12:363–374CrossRef Helm M, Wurmb T, Josse F, Hossfeld B (2017) Notfallmedizinische Versorgung bei konventionellen terroristischen Anschlägen. Notfmed up2date 12:363–374CrossRef
25.
26.
Zurück zum Zitat Rechenbach P, Wurmb T, Scholtes K (2018) Kooperation mit dem Rettungsdienst. In: Scholtes K, Wurmb T, Rechenbach P (Hrsg) Risiko- und Krisenmanagement im Krankenhaus. Alarm- und Einsatzplanung. Kohlhammer, Stuttgart, S 204–208 Rechenbach P, Wurmb T, Scholtes K (2018) Kooperation mit dem Rettungsdienst. In: Scholtes K, Wurmb T, Rechenbach P (Hrsg) Risiko- und Krisenmanagement im Krankenhaus. Alarm- und Einsatzplanung. Kohlhammer, Stuttgart, S 204–208
31.
Zurück zum Zitat Sefrin P, Messerer Ch (2011) Optimierung der Schnittstelle von Präklinik zu Klinik. Der Wellenplan als Instrument der stationären Zuweisung von Schwerverletzten bei Großschadenslagen. Anästh Intensivmed 52:834–844 Sefrin P, Messerer Ch (2011) Optimierung der Schnittstelle von Präklinik zu Klinik. Der Wellenplan als Instrument der stationären Zuweisung von Schwerverletzten bei Großschadenslagen. Anästh Intensivmed 52:834–844
32.
Zurück zum Zitat Hornburger P, Schuster S, Schöller G, Höckerl E (2006) Das Münchner Wellenmodell – Verteilungsmatrix für Patienten bei einem Massenanfall von Verletzten. Brandschutz 60:380–386 Hornburger P, Schuster S, Schöller G, Höckerl E (2006) Das Münchner Wellenmodell – Verteilungsmatrix für Patienten bei einem Massenanfall von Verletzten. Brandschutz 60:380–386
33.
Zurück zum Zitat Lemke H, Lenz W, Schiffner J, Lechleuthner A, Hoffmann R, Pennig D, Schweigkofler U, Bail HJ (2018) Bundesweite Einführung eines Krankenhauskatasters in den Klinikalltag und bei Großschadens- und Bedrohungslagen. Unfallchirurg 121:339–346CrossRef Lemke H, Lenz W, Schiffner J, Lechleuthner A, Hoffmann R, Pennig D, Schweigkofler U, Bail HJ (2018) Bundesweite Einführung eines Krankenhauskatasters in den Klinikalltag und bei Großschadens- und Bedrohungslagen. Unfallchirurg 121:339–346CrossRef
37.
Zurück zum Zitat Berufsfeuerwehr Hamburg (2013) Schwerbrandverletzte. Zentrale Anlaufstelle für die Vermittlung von Krankenhausbetten und Liste der beteiligten Krankenhäuser. In: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg) Katastrophenmedizin. Leitfaden für die ärztliche Versorgung im Katastrophenfall. Selbstverlag, Bonn, S 403–404 Berufsfeuerwehr Hamburg (2013) Schwerbrandverletzte. Zentrale Anlaufstelle für die Vermittlung von Krankenhausbetten und Liste der beteiligten Krankenhäuser. In: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg) Katastrophenmedizin. Leitfaden für die ärztliche Versorgung im Katastrophenfall. Selbstverlag, Bonn, S 403–404
Metadaten
Titel
Exit-Wellenplan zur geordneten sekundären Patientenverteilung
Logistikkonzept bei Massenanfall von Terroropfern
verfasst von
Prof. Dr. E. Pfenninger
M. Königsdorfer
Publikationsdatum
24.09.2019
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Die Anaesthesiologie / Ausgabe 10/2019
Print ISSN: 2731-6858
Elektronische ISSN: 2731-6866
DOI
https://doi.org/10.1007/s00101-019-00670-z

Weitere Artikel der Ausgabe 10/2019

Die Anaesthesiologie 10/2019 Zur Ausgabe

Mehr Frauen im OP – weniger postoperative Komplikationen

21.05.2024 Allgemeine Chirurgie Nachrichten

Ein Frauenanteil von mindestens einem Drittel im ärztlichen Op.-Team war in einer großen retrospektiven Studie aus Kanada mit einer signifikanten Reduktion der postoperativen Morbidität assoziiert.

Delir bei kritisch Kranken – Antipsychotika versus Placebo

16.05.2024 Delir Nachrichten

Um die Langzeitfolgen eines Delirs bei kritisch Kranken zu mildern, wird vielerorts auf eine Akuttherapie mit Antipsychotika gesetzt. Eine US-amerikanische Forschungsgruppe äußert jetzt erhebliche Vorbehalte gegen dieses Vorgehen. Denn es gibt neue Daten zum Langzeiteffekt von Haloperidol bzw. Ziprasidon versus Placebo.

Eingreifen von Umstehenden rettet vor Erstickungstod

15.05.2024 Fremdkörperaspiration Nachrichten

Wer sich an einem Essensrest verschluckt und um Luft ringt, benötigt vor allem rasche Hilfe. Dass Umstehende nur in jedem zweiten Erstickungsnotfall bereit waren, diese zu leisten, ist das ernüchternde Ergebnis einer Beobachtungsstudie aus Japan. Doch es gibt auch eine gute Nachricht.

Darf man die Behandlung eines Neonazis ablehnen?

08.05.2024 Gesellschaft Nachrichten

In einer Leseranfrage in der Zeitschrift Journal of the American Academy of Dermatology möchte ein anonymer Dermatologe bzw. eine anonyme Dermatologin wissen, ob er oder sie einen Patienten behandeln muss, der eine rassistische Tätowierung trägt.

Update AINS

Bestellen Sie unseren Fach-Newsletter und bleiben Sie gut informiert.