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19.04.2021 | DGIM 2021 | Nachrichten

Medikamentenwechselwirkungen

Interaktions-Check: Bei den häufigsten Verordnungen anfangen!

verfasst von: Dr. med. Bianca Bach

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Mögliche Medikamentenwechselwirkungen gibt es viele. Wichtig sind die mit nachgewiesenem Schaden bei oft rezeptierten Wirkstoffen. „Klug entscheiden“ hilft, relevante Interaktionen zu vermeiden.

Nicht jede aufgrund von Wirkmechanismus oder Verstoffwechselung anzunehmende oder in der Fachinformation erwähnte Wechselwirkung ist klinisch relevant. Die wichtigsten heiklen Kombinationen hat die Initiative „Klug entscheiden“ zusammengetragen. So sollten etwa Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) weder untereinander noch gemeinsam mit Diuretika und nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) eingenommen werden.

Unter den derzeit 165 „Klug entscheiden“-Empfehlungen sind diejenigen zur Vermeidung von Medikamenteninteraktionen die wichtigsten, ist die Einschätzung von Professor Gerd Hasenfuß: „Durch Fehlmedikation wird großer Schaden angerichtet“, sagte der Direktor der Klinik für Kardiologie und Pneumologie, Universitätsmedizin Göttingen, beim 127. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM).

Verordnungsdaten präsentiert

Professor Daniel Grandt, Chefarzt Innere Medizin, Klinikum Saarbrücken und Leiter der DGIM-Kommission Arzneimitteltherapie-Management und -Sicherheit, präsentierte Verordnungs-Daten der Barmer Ersatzkasse. Deren Versicherte erhielten 2018 insgesamt 1860 verschiedene Wirkstoffe, darunter über 450.000 Kombinationen von jeweils zwei Medikamenten.

Fachinformationen führen viele Interaktionen aus forensischen Gründen wegen Haftungsfragen auf. „Wenn man die alle beachtet, kann man praktisch nicht behandeln“, so Grandt. Besser konzentriert man sich auf solche, bei denen ein Schaden nachgewiesen ist und sichere Behandlungsoptionen verfügbar sind: „Gucken Sie nach klinisch relevanten Interaktionen.“

Ein Beispiel sind RAS-Hemmer. Mit anfänglichen Hoffnungen, das kardiovaskuläre Outcome durch Kombination von Sartanen und ACE-Hemmern zu verbessern, räumte die ONTARGET-Studie (ONgoing Telmisartan Alone and in Combination With Ramipril Global Endpoint Trial) auf, so Professor Jan-Christoph Galle, Klinikum Lüdenscheid. Der primäre Endpunkt, kombiniert aus kardiovaskulär bedingtem Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz, wurde darin gleichermaßen mit Ramipril wie mit Telmisartan erreicht. Beide Medikamente zusammen konnten den Benefit nicht steigern und provozierten stattdessen vermehrt unerwünschte Wirkungen (UAW). Vor allem an der Niere, wo sich doch Nephrologen wie Galle eine verbesserte Nephroprotektion erhofft hatten. Dennoch sehe er die Kombination immer noch auf Medikamenten-Plänen. „Das sollte man einfach nicht mehr tun.“

Ein „No-go“ ist auch die Kombination mit einem Renininhibitor. In der Studie ALTITUDE (Aliskiren Trial in Type 2 Diabetes Using Cardio-Renal Endpoints), bei der Aliskiren gegen Placebo getestet wurde, hatten laut Galle alle Teilnehmer eine Basistherapie mit einem RAS-Inhibitor. Durch den Renininhibitor kamen allenfalls UAW hinzu: Hyperkaliämien, Rhythmusstörungen, Hypotonien, renale UAW. Galle: „Die doppelte Hemmung des RAS, auch mit einem Renin-Inhibitor, hat keinen Vorteil.“

Risiko: akutes Nierenversagen

Vorsicht ist auch bei RAS-Hemmer plus Diuretikum plus NSAR geboten. Jedes für sich kann ein akutes Nierenversagen auslösen. Werden zwei kombiniert, betrifft das nach einem Jahr einen von 300, bei Dreifachkombination einen von 158 Patienten. Galle: „Das ist schon viel, wenn man weiß, wie oft diese Medikamente insgesamt verordnet werden.“ Am höchsten sei das Risiko bei Menschen ab dem 75. Lebensjahr und in den ersten 30 Tagen der Therapie. Der häufigste Auslöser sei eine inadäquate Hydrierung. „Das ist eben das Problem mit den Diuretika“, so Galle und auch „NSAR haben mehr Effekte auf die Niere, wenn man nicht genug trinkt.“ COX-2-Hemmer böten für die Niere übrigens keinen Vorteil. Niedrig-dosiertes ASS bereite keine Probleme.

Um Interaktionen zu vermeiden, müssten Mediziner an ihrer Risikoeinschätzung arbeiten, so Grandt. Orientiere man sich allein an Beschreibungen, neige man, wie aktuell bei den Impfungen gegen SARS-CoV-2, eher dazu, kleine Risiken zu überschätzen. Verlasse man sich auf Erfahrungen wie „das habe ich bisher immer so gemacht, das ist doch eigentlich ganz gut gegangen“ drohe ein „Overconfidence-Bias“.

Grandt verdeutlichte das mit der „Truthahn-Illusion“: Über 1000 Tage geht es dem Truthahn gut, er gedeiht prächtig – dann kommt Tag 1001: „Thanksgiving“. Letzteres entspräche dem unerwünschten Ereignis beim Patienten: „Das sollte man verhindern“ und die Medikation systematisch prüfen. Um den Überblick zu behalten, empfahl der Experte aus Saarbrücken: „Fangen Sie mit den 30, von Ihnen am häufigsten verordneten Arzneimitteln an.“

Quelle: Ärzte Zeitung

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