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AE-Manual der Endoprothetik
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Publiziert am: 19.04.2023

Hüftendoprothetik bei speziellen Bedingungen: Dysplasiekoxarthrose

Verfasst von: Andreas M. Halder und Daniel Schrednitzki
Die Dysplasiekoxarthrose als Folge der knöchernen Fehlanlage ist durch die eingeführten Vorsorge- und Früherkennungsprogramme insgesamt seltener geworden, stellt den Operateur jedoch aufgrund der anatomischen Besonderheiten auch heute vor spezielle Herausforderungen. Die Implantation einer Hüftendoprothese erfordert im dysplastischen Femur oder Azetabulum eine hohe Primärstabilität bei anatomischer Position des Rotationszentrums. Dafür stehen eine Vielzahl von Implantaten und Verankerungsmöglichkeiten zur Auswahl. Klassifikationssysteme wie nach Crowe oder Hartofilakidis geben dabei eine Hilfestellung bei der Therapiefindung.

Geschichte

Die knöchernen Veränderungen bei Hüftdysplasie sind schon lange bekannt. Schon Hippokrates (460–377 vor Christus) hat sie beschrieben. Lange Zeit wurde die Hüftdysplasie und Hüftluxation als unheilbar angesehen. So hielt Paré (1510–1590) eine Einrenkung für unmöglich, da die Pfanne zu flach sei. Andry empfahl 1741 eine Therapie mit komprimierenden Bändern und einem Hüftgürtel (Andry 1741). Erst Pravaz führte 1847 eine erfolgreiche konservative Therapie mit langfristiger Extension, Abduktion und Entlastung durch (Pravaz 1847). Die knöchernen Veränderungen des Azetabulums bei der Hüftdysplasie und Hüftluxation wurden 1793 im „Museum Anatomicum“ von Sandifort zeichnerisch dargestellt und im Sinne einer Klassifikation geordnet (Sandifort 1793) (Abb. 1a). Hoffa (1859–1907) nahm dann erstmals die blutige Reposition vor. Guerin beschrieb 1841 eine Periostinzision im Sinne einer Pfannendachplastik (Guerin 1841). Hueter (1838–1982) empfahl dann 1877 die Resektion des Femurkopfes und die Bildung eines Periostlappens aus Femur und Darmbein zur knöchernen Verschmelzung (Hueter 1870) (Abb. 1b). Erst Spitzy (1872–1956) führte die noch heute angewendete knöcherne Pfannendachplastik ein (Spitzy 1930).

Klassifikationen

Es existieren zahlreiche Klassifikationen der Hüftdysplasie und -luxation (Tönnis 1984) (Abb. 2). Die allgemein gebräuchliche Klassifikation nach Crowe (1979; Tab. 1) quantifiziert den Grad der proximalen Verschiebung der Hüfte als Verhältnis zur Größe des normalen Femurkopfes. Dabei unterscheidet man 4 Typen in Abhängigkeit vom Dislokationsgrad von unter 50 % bis über 100 %. Typ I bezeichnet dabei die einfache Dysplasie, Typ II und Typ III die Subluxation und Typ IV die Luxation.
Tab. 1
Klassifikation nach Crowe et al. 1979
Dysplasie
Typ I
< 50 % Dislokation
Subluxation
Typ II
50–75 % Dislokation
 
Typ III
75–100 % Dislokation
Luxation
Typ IV
> 100 % Dislokation
Alternativ hat sich die Klassifikation nach Hartofilakidis (Hartofilakidis et al. 1988) bewährt. Radiologische und intraoperative Kriterien beschreiben 3 Arten der Hüftdysplasie mit alleiniger Dysplasie (Typ A), niedriger (Typ B) und hoher Luxation (Typ C). Bei Hüften mit hoher Luxation (Typ C) hat die falsche Hüftpfanne keine Verbindung mit der echten Hüftpfanne, während bei Hüften mit niedriger Luxation (Typ B) die falsche Hüftpfanne die echte Hüftpfanne überlappt und teilweise bedeckt.
Nach Hartofilakidis weisen Hüften des Typs A einen Mangel des oberen Pfannensegments und ein flaches Azetabulum auf. Hüften des Typs B sind gekennzeichnet durch einen Mangel des vorderen und hinteren Pfannensegments, eine enge Öffnung oder einen geringen Pfannendurchmesser und eine geringe Pfannentiefe. Typ-C-Hüften haben eine segmentale Fehlstellung des gesamten Pfannenrandes, eine enge Öffnung, geringe Tiefe und eine übermäßige Anteversion.

Dysplastisches Azetabulum

Das dysplastische Azetabulum ist flach, steil gestellt und hat einen kleinen anterior-posterioren Durchmesser. Zudem weist es häufig kraniolateral einen Knochendefekt auf (Abb. 3). Deshalb steht wenig Knochenmasse zur Fixation der azetabulären Prothesenkomponente zur Verfügung. Durch langfristige Entlastung ist die Knochenqualität oft schlecht.

Dysplastisches Femur

Das dysplastische Femur hat eine zylindrische Form mit einem engen Markkanal. Der Schenkelhals ist oft pathologisch antevertiert und der Hüftkopf flach und deformiert (Abb. 4). Das proximale Femur ist zudem oft infolge vorangegangener Osteotomien deformiert.
Aufgrund des zylindrischen Markkanales des Femurs bei Hüftdysplasie eignet sich im Falle ausgeprägt dysplastischer Femora ein ebenso zylindrischer Hüftprothesenstiel, der nur eine geringe Steigung aufweist und in kleinen Durchmessern verfügbar ist. Darüber hinaus sollte er rotationssymmetrisch sein, um eine freie Wahl der Anteversion zu erlauben, die beim dysplastischen Femur häufig pathologisch ist. Trotz der zylindrischen Form des Stieles muss er rotationsstabil verankern, um Primärstabilität zu gewährleisten. Schließlich sollte er trotzdem lang genug sein, um eine proximale Korrekturosteotomie zur Wiederherstellung der Femurachse nach vorangegangener Osteotomie primär stabil schienen zu können.

Primärstabilität

Die Primärstabilität hat große Bedeutung für die Gewährleistung der Osteointegration, da bereits Mikrobewegungen ab 150 μm zur Gefäßabscherung führen und damit zu ausbleibender Osteointegration (Wirtz et al. 1998).
Ziel jeder Fixation einer Hüftprothesenpfanne muss die Primärstabilität sein.
Folglich muss ein ausreichender Kontakt zum Wirtsknochen vorhanden sein. In der Literatur wird dafür eine mindestens 50-prozentige knöcherne Pfannendeckung angegeben, eine Regel für die jedoch kein wissenschaftlicher Beweis existiert.

Rotationszentrum

Schließlich steht die Wiederherstellung des ursprünglichen Drehzentrums des Hüftgelenkes als Ziel der Chirurgie des Azetabulums zur Diskussion. Stellt man ein hohes Hüftzentrum her, so kann man häufig ein Standardimplantat verwenden und im Wirtsknochen verankern. Damit ist die Operationszeit gering und es ist kein strukturiertes Knochentransplantat erforderlich (Jasty et al. 1995). Nachteilig ist jedoch, dass die knöcherne Überdachung im kranialen Ilium gering ist, weshalb der Pfannendurchmesser klein sein muss, und es kommt zu keinem Knochenaufbau. Ferner kommt es zur Insuffizienz der Abduktoren durch Verkürzung ihres Hebelarmes, was zum Hinken der Patienten führt. So kann es zur Überlastung der Prothesenkomponenten kommen, was wiederum zu einer höheren Lockerungs- und Luxationsrate führt (Pagnano et al. 1996; Gross 1999). Schließlich kann ein hohes Hüftzentrum mit einer Beinlängendifferenz verbunden sein. Deshalb ist die Rekonstruktion des anatomischen Drehzentrums ein wichtiges Ziel der Chirurgie des dysplastischen Azetabulum (Stans et al. 1998).

Planung

Bei der Planung der Implantation einer Hüftendoprothese bei Dysplasiekoxarthrose oder Hüftluxation ist die voraussichtliche Beinlänge zu bestimmen und mit dem Patienten zu besprechen (Abb. 5). In den meisten Fällen resultiert eine Beinverlängerung, die z. T. erheblich ist und gegebenenfalls einen Schuhausgleich auf der Gegenseite erforderlich macht. Bei einer Beinverlängerung über 4 cm sollte eine Verkürzungsosteotomie erwogen werden, um einen Nervenschaden zu vermeiden.
Ebenso ist die Pfannenposition festzulegen, wobei der voraussichtliche Wirtsknochenkontakt der Pfanne zu bestimmen ist. Ein Knochentransplantat und eine Stützschale müssen gegebenenfalls bereitgestellt werden. Ferner muss man den geeigneten Zugangsweg wählen. Auch die Verwendung der modernen minimalinvasiven Zugänge ist möglich. Gegebenenfalls sollte die Erweiterbarkeit nach distal bei zusätzlicher notwendiger Verkürzungsosteotomie bedacht werden. Der minimalinvasive anterolaterale Zugang ermöglicht sowohl die mühelose Darstellung der ventralen und kranialen Abschnitte des Azetabulums sowie des proximalen Femur.

Press-fit-Pfannen

Press-fit-Pfannen kommen als Primärimplantat infrage (Silber und Engh 1990; Jasty et al. 1995; Dearborn und Harris 2000) (Abb. 6). Von Vorteil ist ihre zementfreie Verankerung und die Möglichkeit der Schraubenfixation. Sie erfordern zumeist nur eine kurze Operationszeit. Nachteilig ist, dass für die Verklemmung der Press-fit-Pfannen eine zirkuläre Umschlossenheit und eine gewisse Knochentiefe erforderlich ist. In der Literatur wird für zementfreie Press-fit-Pfannen eine mindestens 50-prozentige knöcherne Pfannendeckung angegeben (Li et al. 2013; Safir et al. 2012). Spätestens ab dieser Defektgröße ist eine zusätzliche oder alternative Fixationsmethode nötig (Schulze et al. 2020).
Bei geringem Kontakt zum Wirtsknochen und schlechter Knochenqualität oder in Verbindung mit einem Knochentransplantat ist die Primärstabilität fraglich (Hendrich et al. 2007). Eine notwendige Schraubenfixation im Pfannengrund kann beim sekundären Setzen der Pfanne zur Beschädigung des Pfanneneinsatzes führen. Die Langzeitergebnisse werden ebenfalls unterschiedlich angegeben.
Spezielle Pfanneneinsätze für den Dysplasiefall haben einen einseitig überhöhten Rand, um einer Luxation bei hohem Inklinationswinkel oder großer Anteversion vorzubeugen (Abb. 7). Sie sind mit Vorsicht anzuwenden, da der überhöhte Rand leicht zum Implantatimpingement und damit zu erhöhtem Abrieb oder gar selbst zur Luxation führen kann.

Schraubpfanne

Eine mögliche Lösung kann ein Implantat sein, das trotz geringer Kontaktfläche zum Wirtsknochen stabil verankert. Dabei kann die Kontaktfläche durch das Implantat selbst vergrößert werden, wie im Falle von Schraubpfannen (Buttner-Janz et al. 2000) (Abb. 8). Sie bieten den Vorteil der guten Primärstabilität auch bei kleiner Kontaktfläche, wobei die Oberfläche durch die Gewindegänge vergrößert wird. Auch in diesem Falle ist die Implantationszeit kurz. Nachteilig ist jedoch, dass eine gewisse Knochentiefe erforderlich ist, da es sonst zur Perforation der medialen Kortikalis oder zum Einstellen eines hohen Inklinationswinkels kommt. Deshalb kann die Positionierung unter Umständen schwierig sein. Die Langzeitergebnisse werden unterschiedlich angegeben.

Zementierte Pfanne

Ebenso eignen sich zementierte Polyethylenpfannen, die den Vorteil der Primärstabilität insbesondere in Kombination mit einem strukturierten Knochentransplantat und bei schlechter Knochenstabilität bieten (Ranawat et al. 1997; Inao und Matsuno 2000; Kobayashi et al. 2004; de Jong et al. 2006) (Abb. 9). Dabei ist die Positionierbarkeit im Zementmantel relativ frei. Bei Verwendung von Flachprofilpfannen ist die erforderliche Knochentiefe gering. Nachteilig ist, dass eine Umschlossenheit notwendig ist. Zudem lässt sich bei den zumeist jungen Patienten keine Keramik-Keramik-Gleitpaarung herstellen. Die Standzeit wird unterschiedlich angegeben (MacKenzie et al. 1996).

Konusprothese

Ein zur Versorgung des dysplastischen Femur geeigneter Hüftendoprothesenstiel ist der von Wagner entwickelte Konusstiel (Abb. 10 und 16b). Durch seine zylindrische Form mit nur geringer Steigung eignet er sich zur Versorgung des zylindrischen Femur. Die in Längsrichtung angebrachten Rippen gewährleisten eine hohe Rotationsstabilität. Mit den verfügbaren Längen kann der Stiel eine subtrochantäre Korrekturosteotomie schienen. Allerdings leitet er die Kraft metadiaphysär in das Femur ein, was zu proximaler Knochenresorption führen kann. Die raue Oberfläche und die Längsrippen machen unter Umständen eine Revisionsoperation schwierig.

Zementierte Stiele

Zementierte Hüftendoprothesenstiele kommen im Falle der Dysplasie des Femurs seltener zur Anwendung. Zum einen erlaubt die Verwendung von Zement einen lückenlosen Ausgleich zwischen der Form des Prothesenstiels und dem dysplastischen Femur und die Anteversion des Stiels kann im Zementmantel frei gewählt werden. Zum anderen ist die Verwendung von Zement bei jungen Patienten, die noch Revisionsoperationen vor sich haben, nicht vorteilhaft. Außerdem stört Zement die knöcherne Heilung einer gegebenenfalls erforderlichen Korrekturosteotomie.

Knochenaufbau

Ein wesentliches Ziel der Chirurgie des dysplastischen Azetabulum ist der Erhalt der Knochensubstanz bei den zumeist jungen Patienten und, im Falle von Knochendefekten, der Knochenaufbau.

Metallische Augmente

Zur Rekonstruktion eines kraniolateralen Pfannendefektes können auch vorgefertigte Formstücke aus Metallgitter verwendet werden.
Sie sind halbmondförmig und in verschiedenen Größen verfügbar (Abb. 11). Die Oberfläche ist rau und die Porengröße des Gitters ist mit der Porengröße von Spongiosa vergleichbar, was zu einer guten Osteointegration führen soll. Die Vorteile liegen in einer guten Primärstabilität und in der unbegrenzten Verfügbarkeit. Zudem ist ein sekundäres Sintern des Metallgitters nicht zu erwarten. Trotzdem kann es wie bei jedem Implantat zur Lockerung kommen. Zudem ist für die Implantation eine vorherige Knochenresektion erforderlich, in jedem Fall aber erfolgt kein Knochenaufbau. Die direkte mechanische Ankopplung des Metallgitters zu einem anderen Implantat erfolgt durch Knochenzement.

Knochentransplantate

Vorteile der spongiösen Knochentransplantate sind deren schnelle Vaskularisierung, Konsolidierung und Umbau (Bolder et al. 2001; Abb. 12).
Auch mittels spongiöser Knochentransplantate kann ein Knochenaufbau und eine Rekonstruktion des Rotationszentrums erfolgen (Abb. 12a).
Intraoperativ ist ein Zurichten nicht erforderlich und der Defekt kann lückenlos ausgefüllt werden. Nachteilig ist jedoch, dass für die spongiöse Knochentransplantation die Umschlossenheit des Defektes notwendig ist, damit sie nicht in die Weichteile in der Umgebung des Defektes gelangen und resorbiert werden, sondern unter Druck im Defekt knöchern einheilen. Deshalb sind diese Transplantate für das Füllen der kraniolateralen Pfannendefekte ungeeignet. Sie haben geringe Primärstabilität und können sekundär nachgeben.
Deshalb erscheinen strukturierte Knochentransplantate für die Rekonstruktion knöcherner Defekte im Falle der Dysplasiekoxarthrose geeigneter (Marti et al. 1994; Hartwig et al. 1995; Gross und Solomon 1997; Bobak et al. 2000) (Abb. 12b). Sie können in Kombination mit zementierten (Inao und Matsuno 2000; Kobayashi et al. 2004; de Jong et al. 2006) oder zementfreien Implantaten (Spangehl et al. 2001; Shetty et al. 2004) verwendet werden. Von Vorteil ist ihre Primärstabilität. Sie können ein Widerlager für Spongiosachips bilden und mit diesen zum Knochenaufbau führen. Intraoperativ ist das Zurichten erforderlich. Deckt das strukturierte Knochentransplantat mehr als 50 % des Implantates, so ist zum Schutz des Knochentransplantates die Anwendung einer Stützschale angezeigt (Gill et al. 1998). Von Nachteil ist ihre langsame knöcherne Integration. Sekundär kann es zum Nachgeben des Transplantates kommen. Langzeitergebnisse werden in der Literatur sehr unterschiedlich angegeben.

Osteotomie

Die Indikation zur Femurosteotomie wird bei starker Deformierung in der Folge einer vorangegangenen Osteotomie gestellt. Sie dient dazu, den Markkanal des Femurs wieder so herzustellen, dass er den Hüftendoprothesenstiel aufnehmen kann und eine biomechanisch günstige Position der Muskelansätze am Trochanter major und minor wiederhergestellt wird. Übersteigt eine geplante Beinverlängerung 4 cm, so ist ebenfalls die Osteotomie zur Verkürzung des Femurs angezeigt, um einen Nervenschaden zu vermeiden. Des Weiteren muss gegebenenfalls eine starke Anteversion im Schenkelhals durch eine Osteotomie ausgeglichen werden (Zadeh et al. 1999; Decking et al. 2003; Masonis et al. 2003; Bernasek et al. 2007). Schließlich muss in seltenen Fällen eine Femurosteotomie vorgenommen werden, um das Azetabulum zugänglich zu machen.
Man unterscheidet die intertrochantäre von der subtrochantären Osteotomie. Die intertrochantäre Osteotomie dient in der Regel der Distalisierung des Trochanter major bei Verkürzung des Femurs. Während der Trochanter major etwa mittels Drahtcerclage am metadiaphysären Femur refixiert wird, kann der verbleibende Knochenteil zur Rekonstruktion des Azetabulums benutzt werden. Aufgrund der Gefahr der Pseudarthrose des Trochanter major als wichtiger Ansatz für die Glutealmuskulatur erscheint die subtrochantäre Osteotomie günstiger.
Durch eine z-förmige subtrochantäre Osteotomie kann eine Verkürzung des Femurs sowie eine Derotation zur Korrektur der Anteversion erfolgen (Abb. 13). Ein zylindrischer zementfreier Hüftendoprothesenstiel von ausreichender Länge eignet sich zur Fixation. Somit kann eine Deformität korrigiert werden und eine Trochanterosteotomie vermieden werden. Trotzdem besteht das Risiko der Pseudarthrose sowie der avaskulären Nekrose des proximalen Knochenfragmentes. Zudem ist die Technik der subtrochantären Korrekturosteotomie anspruchsvoll.

Operation

Intraoperativ erscheint es zunächst am wichtigsten, die Position der Primärpfanne zu bestimmen. Dazu sollte die Darstellung der Incisura acetabuli sorgfältig erfolgen. Bei Unsicherheit kann eine Kontrolle mit dem Röntgenbildverstärker erfolgen. Über den Inklinationswinkel und die Anteversion der dysplastischen Pfanne sollte man sich Klarheit verschaffen, ebenso wie über die Knochentiefe des Azetabulums. Dazu führen wir eine mediale Probebohrung und Tiefenbestimmung durch.
Dann erfolgt die Entscheidung über den Pfannentyp. Bei Wirtsknochenkontakt von über 70 % kommen Press-fit-Pfannen oder bei schlechter Knochenqualität zementierte Pfannen zum Einsatz. Gegebenenfalls können hier auch Schraubpfannen verwendet werden. Bei geringerem Wirtsknochenkontakt können Augmente oder Knochentransplantate das Lager für zementierte oder Press-fit-Pfannen vergrößern. Bei noch ausgedehnteren Defekten und großen tragenden Knochentransplantaten finden Stützschalen Verwendung. Größere Defekte können auch mit zementfreien modularen Pfannensystemen mit Augmenten versorgt werden (Abb. 14)
Für das Auffräsen des dysplastischen Azetabulum ist zunächst das Zentrum der Hüftprothesenpfanne festzulegen. Zunächst ist mit einem kleinen Fräskopf zu beginnen und nach vollständigem Auffräsen eine Probepfanne zur Bestimmung der voraussichtlichen knöchernen Pfannendeckung zu verwenden. Liegt diese unter 70 %, so ist kann ein metallisches Augment oder strukturiertes Knochentransplantat das Pfannenlager vergrößern.
Als strukturiertes Knochentransplantat wird in der Regel ein auto- oder allogener Hüftkopf verwendet. Für ein extraazetabuläres Transplantat ist beim Zurichten die Kortikalis zu belassen und der Hüftkopf nach Resektion des Schenkelhalses zu halbieren. Dann wird der Pfannenerker angefrischt, das Transplantat dem Pfannenerker angepasst und zunächst provisorisch fixiert. Danach wird es mit mindestens 2 Spongiosaschrauben in kraniomedialer Richtung befestigt, der knöchernen Pfannenzirkumferenz angepasst und eine Pfanne eingebracht (Harris et al. 1977) (Abb. 15). Es ist darauf zu achten, dass kein Weichteilinterponat zwischen Pfannenerker und Transplantat verbleibt.
Intraazetabuläre Transplantate benötigen ein Widerlager für das strukturierte Transplantat am Pfannenerker. Für ein intraazetabuläres Transplantat ist zunächst der kraniale Pfannendefekt von kaudal sphärisch anzufrischen. Der auto- oder allogene Hüftkopf wird mit einer Negativfräse gleicher Größe sphärisch zugerichtet. Dann wird das Knochentransplantat in den Pfannendefekt eingepresst und temporär mit Kirschnerdrähten fixiert. Danach wird das Azetabulum sphärisch aufgefräst. Schließlich kann eine Polyethylenpfanne einzementiert oder bei kleinerem Transplantat eine Press-fit-Pfanne verwendet werden. Abschließend werden die Kirschnerdrähte entfernt (Abb. 16).

Dysplasietypen

Für niedrige Dysplasiegrade (Crowe I, Hartofilakidis A) werden Standardimplantate wie Press-fit- oder zementierte Pfannen verwendet und keine Knochentransplantate benötigt.
Für mittelgradige Dysplasien (Crowe II, Hartofilakidis B1) können Press-fit- oder zementierte Pfannen in Verbindung mit strukturierten Knochentransplantaten oder es können Schraubpfannen verwendet werden. Bei höhergradigen Dysplasien (Crowe III, Hartofilakidis B2/C1) können metallische Augmente oder strukturierte Knochentransplantate mit zementierten Pfannen oder zementfreien modularen Pfannensystemen verwendet werden.
Für die hohe Hüftluxationen (Crowe IV, Hartofilakidis C2) muss das knöcherne Azetabulum mittels Metallaugmenten oder strukturierten Knochentransplantaten zur Herstellung eines Rotationszentrums zunächst rekonstruiert werden. Anschließend ist die Implantation einer zementierten Polyethylenpfanne gegebenenfalls in Kombination mit einer Stützschale möglich. In diesen Fällen ist abhängig von der resultierenden Beinverlängerung eine zusätzliche Verkürzungsosteotomie zu erwägen.

Ergebnisse

In der Literatur ist das Langzeitergebnis abhängig vom Typ der Dysplasie und der Möglichkeit der Wiederherstellung des anatomischen Hüftzentrums (Cameron et al. 1996). Das Langzeitergebnis hängt dagegen nicht ab vom Alter des Patienten oder der Verwendung von Zement zur Fixation der Hüftendoprothesenpfanne (Numair et al. 1997; Gross 1999).

Fazit für die Praxis

Bei der endoprothetischen Versorgung der Dysplasiekoxarthrose muss eine Primärstabilität der Implantate erzielt werden zur Gewährleistung ihrer Osteointegration. Des Weiteren sollte die vorhandene Knochensubstanz erhalten oder gegebenenfalls wiederaufgebaut werden und das anatomische Drehzentrum wiederhergestellt werden. In Abhängigkeit vom Dysplasietyp nach Crowe oder Hartofilakidis werden verschiedene Implantate verwendet. Einfache Dysplasien können mittels Press-fit- oder Schraubpfannen versorgt werden. Bei ausgeprägten Dysplasien oder Subluxation ist die Verwendung von zusätzlichen Augmenten aus Metall oder strukturiertem Knochen notwendig. Bei hochgradigen Dysplasien erfolgt die Rekonstruktion des Drehzentrums und Pfannenerkers ebenfalls mittels Metallaugmenten oder strukturierten Knochentransplantaten, gegebenenfalls in Kombination mit Stützschalen. Die hohe Hüftluxation erfordert bei einer resultierenden Beinverlängerung über 4 cm unter Umständen eine Verkürzungsosteotomie. Das dysplastische Femur kann in der Regel mit einem zylindrischen Prothesenstiel versorgt werden, der durch Längsrippen rotationsstabil verankert werden kann. Bei ausreichender Länge kann der Prothesensteil eine eventuell erforderliche subtrochantere Korrekturosteotomie schienen.
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