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Treacher-Collins-Syndrom

Verfasst von: Heike Kaltofen, Dierk A. Vagts, Uta Emmig und Peter Biro
Treacher-Collins-Syndrom.
Synonyme
Franceschetti-Sy; Franceschetti-Zwahlen-Sy; Franceschetti-Klein-Sy; Berry-Sy; Thomson-Komplex
Oberbegriffe
Kraniomandibulofaziale Missbildungen, Dysostosis mandibulofacialis, Dysmorphie-Ss, okulodentale Ss, Kieferbogen-Ss.
Organe/Organsysteme
Unterkiefer, Gesichtsschädel, Sinnesorgane, Ohren, Augen.
Inzidenz
1:8000 bis 1:10.000.
Ätiologie
Kongenital, teils hereditär mit autosomal-dominantem Erbgang mit hoher Penetranz, teils als Neumutation (60 %), aber es gibt auch Hinweise auf autosomal-rezessive Form. Betroffenes Chromosom: 5q32-33.1 (TCOF-1-Gen). Es handelt sich um eine embryonale Fehlbildung im Bereich des 1. und 2. Kiemenbogens und der 1. Kiemenfurche mit variabler phänotypischer Ausprägung. Risikofaktor: höheres Lebensalter der Eltern.

Symptome

Typischer Gesichtsausdruck: „Vogelgesicht“, „Fischmaulphysiognomie“, Mandibulahypoplasie, Mikrogenie, antimongoloide Lidachse, Unterlidkolobom (69 %), Makrostomie, hoher und enger Gaumen, Hypoplasie der Maxilla, Mikrognathie (80 %) und des Jochbeins (teils Agenesie), Ohrmissbildungen (Hypoplasie oder Aplasie der Ohrmuscheln, 77 %, Aurikularanhänge, Gehörgangsatresie, Taubheit 40 %), Zahnstellungsanomalien.
Vergesellschaftet mit
Geistige Entwicklungsstörung bis zur Oligophrenie (selten), Choanalatresie, Spaltbildungen (35 %), Mikrophthalmie, HWS-Missbildungen, Kryptorchismus, Herzvitien und v. a. verengte und vielfältig dysmorphe Atemwege, Blindheit. Schlafapnoe-Syndrom (häufig nichtinvasive Beatmung, gelegentlich Tracheostoma-Anlage erforderlich).

Anästhesierelevanz

Die wesentliche anästhesiologisch relevante Besonderheit ist die Anatomie des Gesichts und der Halsorgane und der damit verbundene erschwerte Zugang zu den Atemwegen. Patienten mit diesem Syndrom und dem sehr ähnlichen Pierre-Robin-Sy gehören zu den am schwierigsten zu intubierenden Fällen. Mit zunehmendem Lebensalter wird die Intubation schwieriger. Gleichfalls ist das Zustandebringen einer guten Masken(be)atmung sehr schwierig. Die Malformationen führen häufig zu respiratorischen Infekten.
Wichtig für die Intubation: normale Zunge bei kleinem Mund-Rachen-Raum.
Spezielle präoperative Abklärung
Röntgenaufnahmen des Gesichts und der Halsorgane a.-p. und seitlich, MRT, Ausschluss zusätzlicher kardialer Risikofaktoren (Echokardiografie). Es gibt erste Berichte von erfolgreicher Verwendung computertomografischer 3D-Rekonstruktion der Atemwege, die bei der Entscheidungsfindung zum besten Vorgehen eine Rolle gespielt haben.
Wichtiges Monitoring
Pulsoxymetrie, Kapnographie.
Vorgehen
Geeignetes Instrumentarium für die Sicherung schwieriger Atemwege bereitstellen. Intubation nur durch sehr Erfahrene. Geistig retardierte Patienten sind in der Regel nicht kooperativ genug für eine wache fiberoptische Intubation, diese Methode kann jedoch mit einer adäquat titrierten Analgosedierung angewendet werden.
Wenn eine Maskenatmung möglich erscheint, kann „per inhalationem“ begonnen werden, um in ausreichend tiefer Narkose mit erhaltener Spontanatmung geeignete Intubationstechniken anzuwenden. Eine Larynxmaske lässt sich häufig trotz eingeschränkter Mundöffnung platzieren. Hierüber kann gegebenenfalls auch ein Endotrachealtubus mittels Fiberoptik eingeführt werden.
Eine Einleitung mit Ketamin (ggf. ergänzt mit Dexmedetomidin oder Clonidin) ist möglich, bei Hypersalivation und larynxnahen Manipulationen können jedoch Schwierigkeiten (Laryngospasmus, Schwellung) entstehen. Erfolgreiche Intubationen mit Videolaryngoskopie sind beschrieben. Ein schnelles Ausweichen auf retrograde Intubation, translaryngotracheale O2-Insuflation bzw. Jetventilation ist einer Notkoniotomie/Nottracheotomie vorzuziehen. Während der Einleitung muss die Atemluft mit Sauerstoff angereichert werden (Pulsoxymetrie). Zur Bestätigung einer korrekten trachealen Intubation Kapnometrie einsetzen.
Postoperativ besteht eine erhöhte Gefahr von respiratorischen Störungen v. a. durch Atemwegsobstruktion. Dies beruht auf einer Rückfalltendenz der Zunge (Retroglossie, Glossoptose) oder wegen Choanalatresie. Eine einseitige Fazialisparese wurde als Komplikation nach forcierter Maskenbeatmung berichtet.
Cave
Muskelrelaxation ohne Sicherung der Atemwege.
Weiterführende Literatur
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