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Die Ärztliche Begutachtung
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Publiziert am: 27.10.2022

BK 6101 – Das Augenzittern der Bergleute

Verfasst von: Michael Wich und Annette Hager
Diese Berufskrankheit ist heute aufgrund mehrerer Faktoren eher als historisch anzusehen. Zum einen haben sich die Arbeitsbedingungen gegenüber der Hochzeit dieser Erkrankung im ausgehenden 19. Jahrhundert grundlegend verändert, zum anderen ist die Zahl der unter Tage arbeitenden Menschen von 320.000 in 1950 auf unter 10.000 in 2020 zurückgegangen.
Diese Berufskrankheit ist heute aufgrund mehrerer Faktoren eher als historisch anzusehen. Zum einen haben sich die Arbeitsbedingungen gegenüber der Hochzeit dieser Erkrankung im ausgehenden 19. Jahrhundert grundlegend verändert, zum anderen ist die Zahl der unter Tage arbeitenden Menschen von 320.000 in 1950 auf unter 10.000 in 2020 zurückgegangen.1

Definition

Das Augenzittern (auch Bergmannsnystagmus genannt) besteht in einem wechselnden, aber für den einzelnen gleichbleibenden, mehr oder weniger stark störenden Zittern der Augäpfel, pendelförmig, oft mit Rucken untermischt. Die Frequenzen liegen im Allgemeinen bei 100 bis 400 Pendelschwingungen je Minute. Die Schwingungsfrequenzen beider Augen sind gleich. Die Schwingungsrichtungen können aber ebenso wie die Ausschlagsgrößen (Amplituden) rechts oder links verschieden groß sein.
Das Augenzittern kann durch die sogenannten Scheinbewegungen die Sehschärfe beeinträchtigen, Schwindel- und Unsicherheitsgefühl hervorrufen und dadurch die Leistungsfähigkeit mindern, wodurch sich auch die Höhe der MdE bestimmt. Die Berufskrankheit Nr. 6101 ist dadurch gekennzeichnet, dass sie bei im Untertagebetrieb langjährig tätigen Personen vorkommt. Überwiegend sind Bergleute betroffen, die in engem Kontakt mit dem Fördergut am Kohlenstoß stehen.

Epidemiologie:

Das Augenzittern (Nystagmus) war im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert eine weit verbreitete Krankheit unter den Bergleuten und führte vielfach zur frühzeitigen Invalidisierung (Ohm 1912).
Noch in den 1960 Jahren wurden jährlich zwischen 10 und 30 Verdachtsfälle der BK 6101 gemeldet und im Zeitraum von 1962 bis 1965 53 Fälle anerkannt.
In den letzten 10 Jahren bis 2020 wurden weniger als 10 Verdachtsfälle gemeldet und die letzten 5 anerkannten BK 6101 Fälle stammen aus 2010.

Ursachen:

Als Ursache werden zum einen äußere Noxen, insbesondere die mangelnde Helligkeit am Arbeitsplatz sowie die Verunreinigung der Grubenluft unter Tage durch Methan und andere Spuren atmungsfremder Gase angesehen, daneben werden auch dispositionelle Faktoren diskutiert.
Die Bewertung der von außen kommenden Einflüsse ist erschwert, weil in der Regel mehrere Jahre lang dauernde Einwirkungen der Noxen Voraussetzung für die Entstehung des Augenzitterns der Bergleute sind.

Konkurrierende Ursachen:

Die Unterscheidung des Augenzitterns der Bergleute von dem angeborenen Augenzittern, dem Augenzittern bei sehuntüchtigen Augen (Amblyopen Nystagmus) oder dem durch bestimmte organische Erkrankungen oder durch schwere Arzneimittelvergiftungen hervorgerufenen Augenzittern ist schwierig und in der Regel nur durch einen Augenarzt eventuell auch in Zusammenarbeit mit einem Neurologen zu differenzieren.

Therapie:

Der Erkrankte soll zu einem Arbeitsplatzwechsel, möglichst nach Übertage angehalten werden.
Es hat sich gezeigt, dass mit zunehmender Verbesserung der Arbeitsbedingungen unter Tage – ortsfest beleuchtete und besser bewetterte Abbaubetriebe in langen Abbaustrecken die Erkrankungshäufigkeit des Augenzitterns nahezu vollständig zurückgeht.
Die Prognose ist insgesamt günstig, und die Leistungsminderung meist nur vorübergehend. Auch der schwere Bergmannsnystagmus bildet in der Regel nach wenigen Jahren (beim Wegfallen der Noxen) vollständig zurück.
Literatur
Ohm J (1912) Das Augenzittern der Bergleute. Springer, Leipzig