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Die Augenheilkunde
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Publiziert am: 14.07.2023

Keratoprothesen (Boston-Keratoprothese und Osteo-Odonto-Keratoprothese)

Verfasst von: Friederike Schaub und Claus Cursiefen
Keratoprothesen stehen als Alternative bei schwerstbeeinträchtigten und vaskularisierten Hochrisikoaugen für eine Hornhauttransplantation zur Verfügung. Es werden verschiedene Keratoprothesentypen verwendet, die jeweils aus einer Haptik und einer Optik bestehen. Am häufigsten kommen die Boston-Typ-I-Keratoprothese und Keratoprothesen mit biologischer Haptik (Osteo-Odonto-Keratoprothese) zum Einsatz. Bei beiden Keratoprothesen ist die Optik aus Kunststoff. Die Transparenz der Optik wird nicht durch endotheliale Abstoßungsreaktionen beeinträchtigt. Funktionelle Ergebnisse sind gut, aber abhängig von den Begleiterkrankungen und Komplikationen, welche häufig sind. Eine konsequente Nachbetreuung und lebenslange Therapie ist daher notwendig. Zu den typischen Komplikationen zählen die Bildung einer retroprothetischen Membran, Sekundärglaukome, Endophthalmitiden und sterile Vitritiden sowie Netzhautablösung, oftmals mit proliferativer Vitreoretinopathie. Des Weiteren kann es zu Keratolysen und Extrusion der Keratoprothese kommen.

Einführung und Geschichte der Keratoprothesen

Die traditionelle perforierende Hornhauttransplantation (Keratoplastik) hat bei vaskularisierten Hochrisikoaugen eine schlechte Prognose mit hohem Abstoßungsrisiko. Eine Keratoprothese als künstlicher Hornhautersatz kann bei diesen Hochrisikoaugen zum Einsatz kommen und ist oftmals die letzte Therapieoption. Der entscheidende Vorteil des Verfahrens ist die Umgehung der immunologisch vermittelten endothelialen Abstoßung, die häufig die Transparenz der allogenen Transplantate mindert (Goins et al. 2016).
Verschiedenste Modelle zum künstlichen Hornhautersatz wurden in den letzten Jahrzehnten entwickelt, allerdings haben sich nur wenige bewährt und etabliert. Die am häufigsten weltweit implantierten Keratoprothesen sind die Boston-Keratoprothese (Typ 1 und 2; BKPro) und die Osteo-Odonto-Keratoprothese (OOKP) (Bachmann et al. 2022).
Die Idee, eine künstliche Hornhaut einzusetzen, kam schon vor der ersten erfolgreichen Keratoplastik durch Zirm auf (Zirm 1906). Der Augenarzt Dr. Heusser aus der Schweiz führte 1859 die erste Keratoprothesenimplantation mit einer Optik aus Glas bei einer 19-jährigen Patientin durch. Das Implantat wurde als „Cornea artificialis“ bezeichnet und blieb zumindest 3 Monate am Ort (Bachmann et al. 2022).
Nachdem es nun Versuche mit Glas oder Kristall, aber auch bereits verschiedenen Kunststoffen oder Hydrogel-Implantaten (Caldwell 1997; Stone und Herbert 1953) gegeben hatte, wurde die Boston-Keratoprothese (B-KPro) von Dohlmann im Jahre 1974 entwickelt (Dohlmann et al. 1974; Lee et al. 2015).

Indikationen zur Keratoprothesenchirurgie

Die Implantation einer Keratoprothese kommt bei schwersten Oberflächenerkrankungen und ausgeprägten Neovaskularisationen in Frage. Die Versorgung mittels einer Keratoprothese war ursprünglich Patienten mit beidseitiger kornealer Erblindung als Ultima Ratio vorenthalten. Mittlerweile zählen auch einseitige Erkrankungen zum Indikationsgebiet, da sich die Erfahrungen mit der Keratoprothese und insbesondere dem postoperativen Management stetig erweitert haben (Aravena et al. 2016; Schaub et al. 2017). Dennoch sollte die Versorgung mit Keratoprothese als Therapieoption nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn alternative Behandlungsmethoden nicht mehr sinnvoll angewendet werden können. Die Patienten müssen entsprechend intensiv über die notwendigen hochfrequenten Kontrollintervalle und das breite Spektrum an schwerwiegenden Komplikationen aufgeklärt werden. Bei Kindern ist sie inzwischen laut Hersteller kontraindiziert.
Die häufigsten Indikationen sind das wiederholte Transplantatversagen, insbesondere nach infektiöser Keratitis, Limbusstammzellinsuffizienz mit Konjunktivalisierung nach Verätzung oder Verbrennung, chronisch entzündliche Oberflächenerkrankungen, Trauma, Aniridie, angeborene Hornhauttrübungen oder neurotrophe Keratopathien bei Autoimmunerkrankungen wie dem Stevens-Johnson-Syndrom oder dem okulären Pemphigoid (Priddy et al. 2019; Abb. 1).
Präoperativ muss sichergestellt sein, dass zumindest eine minimale Visusverbesserung zu erwarten ist (z. B. mittels Laserinterferenzvisus, visuell evozierten Potenzialen (VEP), Sonografie des hinteren Augenabschnitts). Bei Patienten mit bekanntermaßen fortgeschrittenem Glaukom oder Phthisis bulbi ist eine Implantation einer Keratoprothese kritisch abzuwägen. Für Kinder ist die Versorgung mittels Keratoprothese nicht empfohlen.

Keratoprothesentypen

Eine Keratoprothese besteht aus einer Haptik und einer Optik. Die Haptik stellt die Verbindung zwischen künstlichem Material und menschlichem Gewebe her, während die Optik als zentraler Anteil der Keratoprothese für die Abbildung zuständig ist. Viele Keratoprothesen besitzen eine Optik aus Acrylglas (Polymethylmethacrylat = PMMA), aber auch flexible Materialien wie Poly 2-hydroxyethyl methacrylat (pHEMA) oder Dimethylsiloxan (Silikon) wurden bereits experimentell getestet und sind zum Teil auch bereits klinisch erprobt (Legeais und Renard 1998; Chirila 2001; Hicks et al. 2006). Der Vorteil nicht biologischen Materials als Optik-Ersatz für die Hornhaut besteht darin, dass Immunreaktionen gegen das Material keine Bedeutung haben und die Optik dennoch klar bleibt. Die Haptik besteht entweder aus biologischem Gewebe (Zahn oder Knochen) oder aus künstlichem Gewebe. An Verbindungen zwischen Optik und Haptik gibt es neben Verklebungen oder Verschraubungen auch einstückige Designs, bei denen beide Anteile der Keratoprothese aus dem gleichen Material bestehen. Bei jeder Keratoprothese muss die Optik unabhängig von der Verankerung komplett durch die Hornhaut in die Augenvorder- und ggf. -hinterkammer vorragen (Bachmann et al. 2022).
Drei Keratoprothesentypen sind derzeit in der klinischen Praxis im Einsatz: Die Boston-Keratoprothese Typ 1 und Typ 2 (Abb. 2; beide: Massachusetts Eye & Ear Infirmary, Boston, MA, USA) und die Osteo-Odonto-KPro (Abb. 3; OOKP), welche erstmals durch Strampelli beschrieben und durch Falcinelli modifiziert wurde (Liu et al. 2005; Schrage et al. 2014).

Boston-Keratoprothese

Die weltweit am weitesten verbreitete Keratoprothese mit alloplastischer Haptik ist die Boston Keratoprothese, die von Dohlman 1965 (Dohlmann et al. 1974) eingeführt wurde. Seit 1992 hat diese eine Marktzulassung durch die FDA. Der Typ 1 wird in die Hornhaut implantiert, während der Typ 2 mit einer Verlängerung des Optikzylinders ausgestattet ist, der in Verbindung mit einer permanenten Tarsorrhaphie zusätzlich durch das Oberlid geführt wird.

Boston Keratoprothese Typ 1

Die weltweit am häufigsten verwendete Keratoprothese ist die Boston-Keratoprothese Typ 1, welche seit 2014 auch in Europa CE-zertifiziert ist. Weltweit wurden bisher mehr als 13.000 Prothesen implantiert. Diese Keratoprothese ist geeignet für Patienten ohne besonders ausgeprägtes trockenes Auge, mit normalem Lidschluss und der Möglichkeit, postoperativ eine weiche Kontaktlinse zu tragen. Der Schirmer-I-Test sollte mindestens 5 mm betragen. Wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, können ggf. vorbereitende oder kombinierte Operationen notwendig sein, um die Lid- und die Benetzungssituation zu verbessern.
Die Boston-Keratoprothese Typ 1 besteht aus einer Frontplatte mit einem pilzförmigen optischen Stift, einer Rückplatte und einem Titan-verriegelnden C-Ring. Der optische Stift und die Rückplatte bestehen aus Titan (früher PMMA) und werden durch eine zentrale 3-mm-Öffnung in eine Spenderhornhaut gesetzt. Nach hinten erfolgt der Verschluss mittels Titansicherungsring. Die Spenderhornhaut mit assemblierter Keratoprothese wird ähnlich wie bei einer perforierenden Keratoplastik nach Trepanation des Empfängerbettes mit Einzelknopfnähten eingenäht. Diese Keratoprothese ist verfügbar als pseudophake (plane Optik) oder aphake Keratoprothese (individuell angepasst je nach Achsenlänge des Auges) und in 2 Durchmessern der Rückplatte (8,5 mm für Erwachsenen, 7 mm für Kinder) (Schrage et al. 2014; Matthaei et al. 2019; Abb. 4 und 5). Die intraoperative OCT kann die korrekte Assemblierung im OP validieren. Je nach Ausgangsbefund erfolgt davor zunächst die Rekonstruktion von Augenoberfläche und des Fornix. Die Implantation darf nur in pseudophaken oder phaken Augen erfolgen. Je nach Vorliegen weiterer okulärer Pathologien kann die Implantation mit anderen Eingriffen kombiniert werden: Symblepharolyse, lamelläre Keratektomie, Gefäßkauterisation, Iridektomie, in phaken Augen open-sky Kataraktextraktion und Hinterkammerlinsen-Implantation, anteriore Vitrektomie, Amnionmembrandeckung und Tarsorrhaphie, sowie Glaukomshuntimplantation und auch die Implantation eines intraokulare Drucksensors (Abb. 6). Direkt postoperativ wird eine therapeutische Verbandslinse aufgesetzt, welche auch im postoperativen Verlauf zur Dauertherapie gehört.

Boston-Keratoprothese Typ 2

Der Typ 2 der Boston-Keratoprothese wird nur bei schwersten Erkrankungsverläufen angewendet und erfordert eine permanente Tarsorrhaphie. Der optische Zylinder ist wesentlich länger und wird wie oben beschrieben durch das Oberlid geführt. Derzeit hat die Boston-Keratoprothese Typ 2 für Europa keine Zulassung (Bachmann et al. 2022) und wird daher hier nicht weiter ausgeführt.

Osteo-Odonto-Keratoprothese

Die Osteo-Odonto-Keratoprothese (OOKP; Abb. 2) kommt in Frage bei ausgeprägtem trockenem Auge, keratinisierter Augenoberfläche und Lidschlussproblematik. Im Gegensatz zu anderen Keratoprothesen wird bei der OOKP die Optik biologisch in die Körperoberfläche integriert. Dies geschieht durch die Verwendung einer Zahnwurzel eines einwurzeligen Zahnes. Daher ist die Voraussetzung zur Implantation einer Osteo-Odonto-Keratoprothese das Vorhandensein meist eines geeigneten Eck- oder Schneidezahns, aus welchem die OOKP-Lamina gestaltet werden kann. Diese fungiert dann als Haptik für die eine PMMA-Optik (Falcinelli et al. 2005; Strampelli 1963).
Die Prothese wird in einem mindestens zweistufigen Verfahren gefertigt und implantiert, wobei das Konstrukt aus biologischer Haptik und PMMA-Zylinder aus dem ersten Schritt über 3 Monate subkutan im Unterlid verweilen muss, um einen Gefäßanschluss und die Integration in das Umgebungsgewebe nach Implantation an der Hornhautoberfläche zu beschleunigen. Bei diesem ersten Schritt der Prothesenherstellung wird auch die Augenoberfläche vorbereitet, indem Pannus der Hornhaut und die angrenzende Bindehaut entfernt werden und autologe Mundschleimhaut auf die gesamte Augenoberfläche transplantiert wird. Nach der Vaskularisationsperiode wird die Prothese aus der subkutanen Tasche entfernt und es folgen Präparationsschritte an der Prothese, bevor sie nach Anheben der Mundschleimhaut und Trepanation einer zentralen Hornhautperforation mit der Haptik unter die Mundschleimhaut und mit dem Optikzylinder durch die Hornhauttrepanation gebracht wird. Zuvor müssen noch Iris, Linse und anteriorer Glaskörper entfernt werden, um das Risiko einer Membran-Bildung auf der Optikrückfläche und das Risiko einer Glaukomentstehung zu reduzieren. Alternativ zu einem Zahn kann auch ein autologes Knochenfragment aus einer Tibia als biologische Haptik gewonnen werden (Tibia-Keratoprothese, TKPro) (Temprano 1992).

Postoperative Therapie und Nachsorge

Postoperative Therapie

Direkt postoperativ wird eine therapeutische Kontaktlinse im Rahmen der Dauertherapie aufgesetzt. Das Risiko von Infiltraten oder Keratolysen kann durch das lebenslange Tragen von Verbandslinsen sowie die dauerhafte Anwendung antibiotischer Augentropfen 1-mal täglich reduziert werden (Lee et al. 2015). Alternativ kann ein lokales Antiseptikum gegeben werden. Die allgemeine postoperative Therapie umfasst lokale Steroide (z. B. Prednisolonacetat Augentropfen 5-mal täglich) sowie antimikrobielle Augentropfen (zumeist ein Fluorchinolon, z. B. Moxifloxacin 3-mal täglich). Beide Substanzen sollten nach monatlicher Reduktion nach den aktuellen Empfehlungen des Herstellers 1-mal täglich als Erhaltungsdosis auch langfristig weiter appliziert werden, zumindest solange kein Verdacht auf ein Sekundärglaukom durch mögliche Steroidresponse besteht. Zudem ist eine Dauertherapie mit Tränenersatzmitteln und einer Verbandslinse wichtig. Eine systemische Immunsuppression ist nicht generell erforderlich.
Ja nach zugrunde liegender Grunderkrankung oder je nach Infektionsrisiko kann auch die Applikation antimykotischer Lokaltherapie erforderlich sein. Eine systemische antibiotische Therapie für drei Tage ab dem Operationstag ist sinnvoll.
Unabhängig davon, ob ein Glaukom bekannt ist, ist die Anwendung einer drucksenkenden Lokaltherapie prophylaktisch empfohlen. In Fällen mit funktionierendem Glaukomimplantat kann ggf. auf die prophylaktische Applikation der drucksenkenden Therapie verzichtet werden.
Ab und zu bilden sich bei manchen Patienten Ablagerungen auf der Optik, welche mit Flüssigkeit und Watteträgern entfernt werden können.

Postoperative Nachsorge

Regelmäßige Kontrollen beim niedergelassenen Augenarzt sind nicht nur direkt postoperativ, sondern auch langfristig mindestens alle 1–3 Monate empfohlen, u. a. auch zum regelmäßigen Wechsel der Verbandskontaktlinse. Folgende Untersuchungen sind hierbei postoperativ regelmäßig (ca. alle 3 Monate) empfohlen, um mögliche Komplikationen früh detektieren und therapieren zu können: Seidel-Probe (mit Fluorescein und Blaulicht), Ausschluss von Keratolysen mittels optischer Kohärenztomografie (OCT) des vorderen Augenabschnitts, Augendruckkontrollen (palpatorisch), Beurteilung der Papille (wenn möglich auch morphometrisch), Funduskopie und OCT der Makula.

Funktionelle Ergebnisse und Retentionsraten

Die Ergebnisse nach Boston-Keratoprothese haben sich in den letzten Jahren stetig verbessert. Insbesondere das funktionelle Outcome ist abhängig von der Indikationsstellung und scheint für Augen nach Transplantatversagen am günstigsten zu sein (Iyer et al. 2018; Priddy et al. 2019). Publizierte Daten zeigen, dass die Boston-Keratoprothese Typ 1 eine vergleichsweise gute Prognose bei Hochrisikoaugen im Vergleich zu einer PK hat (Aravena et al. 2016; Priddy et al. 2019).
Präoperativ liegen die Visuswerte zumeist bei Fingerzählen oder gar schlechter, was nochmals unterstreicht, dass nur schwer betroffene Augen dieses Therapieverfahren angeboten wird. In allen Studien zeigt sich ein zunächst allgemeiner Trend zu einem initialen Visusanstieg nach KPro Implantation. Die mittel- und langfristigen Ergebnisse variieren deutlich, auch abhängig von der zugrunde liegenden Diagnose. Die funktionellen Ergebnisse können sehr gut sein und sind im kurzfristigen postoperativen Verlauf meistens eher durch begleitende Augenerkrankungen und weniger durch Komplikationen eingeschränkt. Im Mittel erreichen 62 % der Augen zwei Jahre nach Keratoprothesenversorgung einen Visus von ≥ 6/60 (95 % CI von 55–68 %) und nach 5 Jahren erreichen immer noch 51 % (95 % CI von 43–60 %) einen mittleren Visus von ≥ 6/60 (Priddy et al. 2019). Eine realistische Einschätzung ist allerdings nur begrenzt möglich, da langfristige Follow-up-Daten noch sehr begrenzt sind. Eine langfristige Stabilisierung kann in gut 20 % der Augen erreicht werden (Schaub et al. 2021).
Der Übergang von Kunststoff zu biologischem Gewebe ist eine Schwachstelle in der Verankerung der Keratoprothese, sodass eine typische Komplikation die Extrusion der Prothese ist. Die anatomische 10-Jahres-Überlebensrate liegt im Mittel bei 67 % nach OOKP angegeben, wobei der Unterschied in einer vergleichenden Auswertung nicht signifikant war (Charoenrook et al. 2018). In einer deutschen Studie wurden Retentionsraten nach OOKP von 91 % bei einer mittleren Nachbeobachtung von 4,5 Jahren (maximal 20,6 Jahre) berichtet (Geerling und Hille 2017). Berichtete Keratoprothesen-Retentionsraten nach BKPro nach 2 Jahren schwanken zwischen 35–100 %, im Mittel bei 88 % (95 % CI von 85–91 %). Nach 5 Jahren findet sich eine Retentionsrate von 75 % im Mittel (95 % CI von 64–85 %) (Kang et al. 2018; Muzychuk et al. 2017; Schaub et al. 2021). Größere Studien zeigen, dass Patienten mit autoimmunologischen Hornhauterkrankungen wie das okuläre Pemphigoid oder Stevens-Johnson-Syndrom eine deutlich erniedrigte Retentionsrate von 71 % im Vergleich zu 96 % bei nicht autoimmunologischer Ursache der Hornhautveränderungen haben (Ciolino et al. 2013).

Komplikationen

Nach Keratoprothesenimplantation sind Komplikationen häufig. Grundsätzlich scheinen Komplikationen des vorderen Augenabschnitts häufiger aufzutreten als solche des hinteren Augenabschnitts (Lee et al. 2015; Schaub et al. 2018). Beide Formen limitieren den langfristigen Visuserfolg.

Sterile Keratolyse und infektiöse Keratitis

Infektiöse Keratitiden treten in 5–20 % auf, während sterile Keratolysen in bis zu 50 % beschrieben werden (Aravena et al. 2016; Driver et al. 2018; Zarei-Ghanavati und Liu 2019). Die Keratolysen können zu jedem Zeitpunkt postoperativ auftreten. In der Nachsorge ist es daher wichtig, auf frühe Anzeichen zu achten. Zur Detektion sind regelmäßige OCT-Kontrollen des Haptik-Hornhaut-Interfaces empfohlen (ca. alle 3 Monate). Progrediente und wiederkehrende Einschmelzungen am Keratoprothesenrand führen zur Extrusion der Prothese bis hin zur Notwendigkeit des Ersatzes der Trägerhornhaut oder der Prothese. Prophylaktisch und therapeutisch scheint eine Gewebsstabilisierung durch korneales Crosslinking zu sein (Kanellopoulos und Asimellis 2014; Kang et al. 2018; Tóth et al. 2016).

Retroprothetische Membranen

Die Ausbildung einer Membran an der Optikrückfläche (einer retroprothetischen Membran) ist die am häufigsten beschriebene Komplikation und kann zur Minderung der Sehleistung führen (Abb. 7). Berichtete Raten liegen bei bis zu 50 % der Augen (Zarei-Ghanavati und Liu 2019), wobei das Material der Keratoprothesenrückfläche keinen Einfluss auf die Rate zu haben scheint (Talati et al. 2018). Bei bestehender Silikonöltamponade scheint eine retroprothetische Membran häufiger aufzutreten (Samarawickrama et al. 2018). Ob beispielsweise der Linsenstatus (aphak oder pseudophak) hier eine zusätzliche Rolle spielt, ist bislang nicht weiterführend untersucht. Bei funktionell relevanter Visusminderung durch die retroprothetische Membran kann diese mit dem YAG-Laser entfernt werden, solange diese nicht zu dicht oder vaskularisiert ist, alternativ muss eine chirurgische Exzision vorgenommen werden.

Glaukomprogression und Sekundärglaukom

Das Glaukom ist eine häufige Ursache für Erblindungen nach Keratoprothesenimplantation. In bis zu 75 % der Augen, die mit einer Keratoprothese versorgt werden, besteht bereits ein Glaukom zuvor (Driver et al. 2018). Bei bereits vorbekanntem Glaukom ist daher die kombinierte Versorgung mit einem Glaukom-Drainage-Implantat empfohlen. Bei der OOKP kommt erschwerend hinzu, dass eine lokale drucksenkende Therapie nur systemisch einen ausreichenden Effekt erreicht, da die intraokulare Penetration lokaler Medikamente durch die epikorneale Position der Prothese mit der darüberliegenden Mundschleimhaut reduziert ist (Bachmann et al. 2022).
Genaue Daten zu einer potenziellen Progression eines Glaukoms sind in der Literatur nicht aufgeführt, vermutlich aufgrund der zumeist noch in der Routine fehlenden Möglichkeit des exakten Augendruckmonitorings. Jedoch erfolgt in bis zu 31 % der Augen bereits innerhalb der ersten zwei Jahre durch ein Follow-up ein ergänzender antiglaukomatöser Eingriff (zyklodestruktiver Eingriff, Anlage oder Revision eines Drainageimplantates) aufgrund einer progressiven glaukomatösen Optikusneuropathie (Samarawickrama et al. 2018).
Problematisch ist das Augeninnendruckmonitoring der Patienten aufgrund der Beschaffenheit der Keratoprothese. Eine korneale Augeninnendruckmessung ist nicht möglich. Es stehen daher nicht invasiv die Palpation sowie sklerabasierte Verfahren zur Verfügung. Beide zeigen eine hohe Subjektivität sowie Fehleranfälligkeit und erfordern ein hohes Maß an Erfahrung (Baratz und Goins 2017). Die Implantation eines intraokularen Drucksensors („Eyemate-IO“; Implandata GmbH, Hannover, Deutschland) kann dieses Problematik überwinden und zeigt bislang eine gute Verträglichkeit sowie eine gute Übereinstimmung der Messergebnisse mit einer invasiven, chirurgischen Augeninnendruckmessung (Enders et al. 2019; Enders und Cursiefen 2020; Abb. 6). Das Verfahren ist inzwischen in Deutschland zugelassen.

Endophthalmitis und sterile Vitritis

Intraokulare Entzündungen reichen nach Keratoprothesenchirurgie von der sterilen Vitritis bis hin zur purulenten Endophthalmitis. Die Raten der Endophthalmitiden werden berichtet zwischen 3 und 15 %, wobei diese oftmals verzögert auftreten (8–14 Monate postoperativ) (Schaub et al. 2021). Sowohl bakterielle Erreger als auch Pilze wurden bislang ursächlich in vergleichbarem Verhältnis nachgewiesen (Iyer et al. 2018). Diese schwerwiegende Komplikation bedarf zumeist einer Vitrektomie mit Lavage des Glaskörperraums.
Eine sterile Vitritis ist vergleichsweise häufiger und kann zumeist konservativ (mittels lokalen Steroiden) mit guter Prognose behandelt werden. Berichtete Raten liegen zwischen 6 und 17 % (Driver et al. 2018; Priddy et al. 2019).
Die Endophthalmitis kann nicht immer eindeutig von der sterilen Vitritis differenziert werden. Eine Endophthalmitis geht typischerweise mit Schmerzen und Visusminderung einher, während die Vitritis oftmals auch asymptomatisch verlaufen kann. Kommt es zu einer Verschlechterung des Befundes (Zunahme der Glaskörperinfiltration) unter lokalen Steroiden, kann eine Endophthalmitis nicht ausgeschlossen werden und die Therapie muss entsprechend angepasst werden.

Amotio retinae und Bulbushypotonie

In bis zu 30 % sind Netzhautablösungen als Komplikation beschrieben. Die Entwicklung einer Netzhautablösung wird in 12–26 % der Fälle berichtet (Goins et al. 2016; Schaub et al. 2018; Wang und Harissi-Dagher 2014). Risikofaktoren sind hierbei zuvor stattgefundene multiple intraokulare Eingriffe, vorbestehendes Trauma, Aniridie und die Entwicklung einer proliferativen Vitreoretinopathie. Die chirurgische Versorgung der Netzhautablösung ist trotz des reduzierten Funduseinblicks dank moderner Weitwinkeloptiken gut mittels Vitrektomie und zumeist Silikonöltamponade sicher möglich. Auch bei infauster funktioneller Prognose ist die Silikonöltamponade sinnvoll, um einer Bulbushypotonie bei lange bestehender unsanierter Amotio vorzubeugen. Die Silikonöltamponade interferiert nicht mit der KPro-Funktion (Schaub et al. 2022).
Bei einigen Patienten mit Keratoprothese kommt es auch ohne Netzhautablösung zu einer therapierefraktären Hypotonie, welche in der Folge einer Vitrektomie mit Silikonöltamponade bedarf, um eine fortschreitende Phthise zu verhindern (Schaub et al. 2022).

Zystoide Makulopathie

Zystoide Makulaödeme nach Keratoprothese werden in ca. 35 % der Fälle berichtet und sprechen gut auf lokale Steroide an (z. B. Prednisolonacetat hochfrequent). In der postoperativen Nachsorge ist zur Detektion dieser Komplikation die Durchführung einer OCT der Makula sinnvoll. Chronische Verläufe zeigen sich in 25 % der Fälle. Hier kann intravitreal mittels Triamcinolon oder Dexamethason behandelt werden (Schaub et al. 2021).

Zusammenfassung

  • Die Versorgung von Hochrisikoaugen mit Keratoprothesen ist ein etabliertes Verfahren, welches bei der Mehrzahl der Patienten zum Visusgewinn führen, jedoch auch eine hohe Komplikationsrate postoperativ aufweist.
  • Keratoprothesen sind nur für ausgewählte Patienten mit zumeist beidseitiger hornhautbedingter Erblindung geeignet, bei denen es keine alternative Therapieoption gibt.
  • Die beiden am häufigsten verwendeten Keratoprothesen sind Keratoprothesen mit biologischer Haptik (z. B. Osteo-Odonto-Keratoprothese – OOKP) und die Boston-Typ-I-Keratoprothese. Beide Keratoprothesenvarianten besitzen eine Optik aus PMMA.
  • Das Komplikationsspektrum erstreckt sich vom vorderen bis zum hinteren Augenabschnitt und ist maßgeblich für die weitere Visusentwicklung verantwortlich.
  • Patienten mit Keratoprothese müssen auch langfristig regelmäßig kontrolliert werden, unterziehen sich meist mehrfachen Folgeeingriffen und benötigen auch langfristig eine antiinflammatorische, antiglaukomatöse und antimikrobielle (lokale) Therapie, um die Komplikationsraten zu minimieren und eine zufriedenstellende Funktion zu erhalten.
  • Die Visusergebnisse nach Keratoprothesenimplantation sind zunächst sehr gut und längerfristig meist durch extrakorneale Begleiterkrankungen limitiert.
  • Erblindungsursachen nach Keratoprothesenimplantation sind das Glaukom, Endophthalmitis und die Netzhautablösung.
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