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Die Urologie
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Publiziert am: 01.03.2023

Doppelter Ureter, Ektopie und Ureterozele

Verfasst von: Hanna Richter-Simonsen, Silke Riechardt und Margit Fisch
Ein doppelter Ureter ist eine ipsilaterale Doppelbildung der oberen Harnwege. Ein ektoper Harnleiter liegt vor, wenn der Harnleiter keine Mündung im Sinne eines Ostiums in die Harnblase vorweist, sondern außerhalb der Harnblase mündet. Eine Ureterozele bezeichnet eine zystische Aufweitung des distalen Ureteranteils im intravesikalen submukösen Anteil. Doppelnieren sind meistens symptomlos und werden in der Vielzahl intrauterin diagnostiziert. Bei assoziierten Fehlbildungen können fieberhafte Harnwegsinfektionen durch Reflux oder Obstruktion, Miktionsbeschwerden, Restharn, Inkontinenz, Drang, Schmerzen, Gedeihstörungen, Entwicklungsverzögerung, Bauchschmerzen auftreten. Bei der Diagnostik steht die Sonografie an erster Stelle, für weitere Fragestellungen auch Miktionszysturethrogramm, MAG-III-bzw. DMSA-Szintigraphie, MR-Urographie sowie ggf. Vaginoskopie und Zystoskopie. Eine Therapie erfolgt nur bei assoziierter Pathologie.

Definitionen

Doppelter Ureter

Ein doppelter Ureter ist eine ipsilaterale Doppelbildung der oberen Harnwege. Bei einer Vereinigung beider Harnleiter auf dem Weg in die Harnblase mit gemeinsamem Ostium spricht man von einem Ureter fissus oder bifidus. Münden beide Harnleiter in die Harnblase, so kommt die Meyer-Weigert-Regel zum Einsatz, welche besagt, dass die Mündung des oberen Harnleiters kaudal in die Harnblase mündet und der untere Harnleiter kranial in die Harnblase mündet. Die Harnleiter kreuzen also auf ihrem Weg zur Blase (siehe auch Kap. „Embryologie des Urogenitalsystems“). Hieraus ergibt sich ein kürzerer Verlauf des unteren Harnleiters mit steilerem Mündungswinkel in die Harnblase. Dies ist deutlich häufiger mit einem vesikoureteralen Reflux vergesellschaftet. Der obere Harnleiter ist häufig durch sein kaudales Ostium mit einer Ureterozele oder Ektopie in Verbindung zu bringen (Abb. 1a, b).

Ektoper Harnleiter

Ein ektoper Harnleiter liegt vor, wenn der Harnleiter keine Mündung in Sinne eines Ostiums in die Harnblase vorweist, sondern außerhalb der Harnblase mündet. Dies kann bei Mädchen als Mündung in die Urethra, in den Meatus oder in die Vagina oder Uterus beobachtet werden (siehe auch Kap. „Embryologie des Urogenitalsystems“). Ungewöhnliche Mündungen wie in das Rektum sind beschrieben (Fisch 2012). Bei Jungen wurden ektope Mündungen in Derivate des Wolff-Ganges wie die prostatische Harnröhre oder die Samenblasen und Ductus deferens beobachtet (Abb.  2a, b).
Wenn einer der Harnleiter keine Mündung aufweist und somit eines der renalen Segmente undrainiert bleibt, so spricht man von einem blind endenden Ureter. Nur in sehr seltenen Fällen betrifft dies beide Ureteren bei doppelter Ureteranlage.

Ureterozele

Eine Ureterozele bezeichnet eine zystische Aufweitung des distalen Ureteranteils im intravesikalen submukösen Anteil (siehe auch Kap. „Embryologie des Urogenitalsystems“). Hier kann man orthotope und ektope Ureterozelen unterscheiden. Eine orthotope Ureterozele ist vollständig in der Harnblase gelegen. Im Gegensatz dazu weist eine ektope Ureterozele einen Vorfall in den Blasenhals oder in die Urethra auf (Abb.  3). Dies ist meist mit einer Doppelnierenanlage vergesellschaftet. Die orthotope Ureterozele wird häufiger als zystische Struktur eines Einzelnierensystems beobachtet. Aufgrund einer großen anatomischen Variation der Ureterozelen konnte sich eine einheitliche Einteilung bislang nicht durchsetzen.

Epidemiologie

Die Inzidenz der Doppelniere beträgt 0,4–4 % (Fisch 2012). Eine radiologische Studie aus dem Jahr 1976 untersuchte 1716 Kinder und 3480 Erwachsene. Hierbei konnte bei 95 Patienten eine Doppelniere nachgewiesen werden. Eine Häufigkeitsvermehrung zu einer Seite konnte nicht nachgewiesen werden, allerdings waren Mädchen nahezu doppelt so häufig betroffen wie Jungen (Privett et al. 1976). Eine familiäre Häufung wurde ebenfalls beschrieben. In 24 % der Fälle konnte eine Pathologie der Doppelniere festgestellt werden. Hierbei handelte es sich am häufigsten mit 44 % um einen vesikoureteralen Reflux der Doppelniere. In 13 % der Fälle wurde ein vesikoureteraler Reflux der Gegenniere beobachtet (Fisch 2012). Rückfolgernd hatten 8 % aller Mädchen, die mit rezidivierenden Harnwegsinfektionen auffielen, eine Doppelniere und 69 % aller vollständigen doppelten Harnleiteranlagen einen Reflux (Fisch 2012).
Eine Autopsiestudie von 1970 beschrieb den Nachweis eines ektopen Ureters bei 1900 Fällen (Campbell 1970). Dies kommt in 90 % der Fälle in Patienten mit Doppelnieren vor. Auch hier waren Mädchen mit einer Quote von 2,9:1 häufiger betroffen als Jungen. Extrem selten hingegen sind blind endende Ureteren bei Doppelsystemen. In der Literatur wurden bislang weniger als 70 dieser Fälle beschrieben. Unter diesen zeigt sich ein dreifach höheres Vorkommen bei Mädchen als bei Jungen.
Die Inzidenz der Ureterozele beträgt 1:500–4000 (Fisch 2012; Campbell 1951). Auch hier sind Mädchen häufiger betroffen (4:3). Nur 10–20 % der Uroterozelen im Kindesalter sind orthotop. 80 % der Ureterozelen betreffen den Harnleiter des oberen Nierenanteils und zeigen in 50 % einen vesikoureteralen Reflux in den unteren Nierenanteil oder in die kontralaterale Niere (Brock und Kaplan 1978). Ein Reflux in den Harnleiter, der eine Ureterozele aufweist, ist mit 10–20 % eher seltener (Fisch 2012). Tritt in sehr seltenen Fällen eine ektope Ureterozele bei einem Einzelsystem auf, so ist diese häufig mit weiteren Anomalien des Genitaltraktes oder des kardiovaskulären Systems vergesellschaftet.

Ätiologie und Pathogenese/Pathophysiologie

Doppelniere

In der 4. Gestationswoche entwickelt sich aus dem Wolff-Gang (Mesonephros) die Ureterknospe und verbindet sich mit dem metanephrogenem Blastem. Hieraus entwickeln sich die Nephrone, Sammelrohre, proximale und distale Tubuli mit Henle-Schleife und den Glomeruli. Die spätere Uretermündung entsteht an der Stelle, an der die Ureterknospe entsteht. Eine Doppelniere entwickelt sich, wenn sich zeitgleich eine weitere Ureterknospe entwickelt (siehe auch Kap. „Embryologie des Urogenitalsystems“). In sehr seltenen Fällen wurde sogar eine dritte Ureterknospe beobachtet und bildet eine dritte Ureteranlage.
Bei einem Ureter fissus kommt es zu keiner Entstehung einer zusätzlichen Ureterknospe, sondern zu einer frühen Aufspaltung der Knospe in der weiteren Entwicklung.
Hierbei konnte beobachtet werden, dass das Renin-Angiotensin-System (RAS) eine entscheidende Rolle in der Nierenentwicklung spielt. Mutationen oder eine medikamentöse Hemmung können zu einer Vielzahl an Anomalien der Nieren wie Doppelnieren oder Ureterektomie führen, da Angiotensin II die Aufzweigung der Ureterknospe stimuliert.
Bei der vollständigen Duplikatur verschmilzt zunächst die kaudale Ureterknospe mit dem Sinus urogenitalis und hieraus entwickelt sich der Harnleiter des unteren Nierenpols. Die kraniale Knospe entwickelt sich zum Harnleiter des oberen Nierenpols und mündet nach der Meyer-Weigert-Regel in das kaudale Ostium der Harnblase (siehe auch Kap. „Embryologie des Urogenitalsystems“).

Ektopie

Bei sehr kranialer Insertion der proximalen Ureterknospe kann eine Ektopie die Folge sein. Kommt es zu einer verzögerten Trennung von Wolff-Gang und Ureterknospe, liegt die Harnleitermündung innerhalb des Harntraktes. Hierbei kommt es zu Mündungen in den Blasenhals, die hintere Urethra bei Jungen oder in die gesamte Urethra bei Mädchen. Eine ausbleibende Trennung des Ureters vom Wolff-Gang resultiert in einer Mündung des Harnleiters in genitale Strukturen. So kommt es bei Jungen zu einer Mündung in die Samenblasen, den Ductus deferens oder den Ductus ejaculatorius und bei Mädchen durch eine Persistenz des Wolff-Ganges (Gartner-Gang) zu einer Mündung in die distale Vagina.

Blind endender Ureter

Beim blind endenden Ureter erreicht die Ureterknospe das Mesonephros nicht. Das sich hieraus entwickelnde Ureterende kann bis zur Nierenloge reichen.

Ureterozele

Für die Entstehung einer Ureterozele bestehen viele Entstehungstherorien wie z. B. die Persistenz einer Chwalle-Membran zwischen Ureterknospie und dem Sinus urogenitalis (siehe auch Kap. „Embryologie des Urogenitalsystems“). Grundsätzlich ist die Ureterozele ebenfalls als eine Anomalie der Harnleiterknospe anzusehen.

Symptome

Zum größten Teil bleiben Kinder mit Doppelniere asymptomatisch. Bei Kindern mit begleitenden Fehlbildungen werden diese in der Mehrzahl der Fälle (60 %) bereits intrauterin diagnostiziert und somit nicht durch Beschwerden erkannt (Vergani et al. 1999). Hierbei spielt die sonografische Diagnostik einer Dilatation der oberen Harnwege und das Erkennen einer Ureterozele die größte Rolle. Bei Kindern mit vesikoureteralem Reflux oder auch einer Obstruktion durch eine Ureterozele oder eine ektope Harnleitermündung sind fieberhafte Harnwegsinfektionen bis hin zur Sepsis häufig das Leitbild. Diese rezidivierenden Infektionen verursachen nicht selten Gedeihstörungen, Entwicklungsverzögerungen oder diffuse Bauchschmerzen.
Große Ureterozelen können die Miktion erschweren und zu Restharnbildung führen. Oft sind ebenfalls rezidivierende Harnwegsinfektionen die Folge. Bei ausgeprägten Ureterozelen können diese als tastbare abdominale Raumforderung auffallen und sogar den ipsilateralen oder selbst den kontralateralen Harnleiter und auch den Blasenauslass obstruieren. Mädchen mit ektopen Harnleitermündungen fallen zumeist durch eine primäre Harninkontinenz auf. Ein vollständiger Rückgang der Inkontinenz konnte meist trotz intensiven Trainings nie erreicht werden. Bei Jungen bestehen Schmerzen im Genitalbereich oder je nach Mündung des ektopen Harnleiters Harnwegsinfektionen, ausgeprägter Drang oder Nebenhodenentzündungen.

Diagnostik

In der Diagnostik der genannten Fehlbildungen spielt die sonografische Untersuchung die größte Rolle. Hiermit lassen sich Doppelnieren oder ektatische Nierenanteile schnell und einfach darstellen und diagnostizieren. Auch dilatierte Harnleiter lassen sich bei Kindern sonografisch gut bis zur Blasenmündung verfolgen. Eine Ureterozele stellt sich zumeist sehr eindrücklich durch eine große, flüssigkeitsgefüllte rundliche Struktur im Bereich der Harnblase dar. Allerdings kann ein dilatierter, ektoper Harnleiter ein ähnliches Bild hervorrufen. Ein vesikoureteraler Reflux lässt sich zumeist nicht oder nur erschwert durch eine sonografische Untersuchung nachweisen. Hierbei ist die Durchführung eines röntgenologischen oder sonografischen Miktionszystourethrogramms (MCU/MUS) wegweisend (siehe auch Kap. „Spezifische Diagnostik in der Kinderurologie“). Bei großer Ureterozele ist hier Vorsicht geboten, da bei der transurethralen Kathetereinlage oder bei der suprapubischen Blasenpunktion die Wand der Ureterozele durchstoßen werden kann und atypische Bilder entstehen, die Fehlinterpretationen zulassen können. Bei zu starker Blasenfüllung kann die Ureterozele in den Harnleiter evertieren und so ein Divertikel des Harnleiters vortäuschen. Refluxive, ektope Harnleiter mit Mündung in die Harnröhre können ebenfalls in der Mehrzahl der Fälle durch ein Miktionszystourethrogramm gut dargestellt werden.
Eine MAG-III-Szintigrafie kann Aufschluss über die Funktion und die Abflussverhältinisse einer Niere geben (siehe auch Kap. „Spezifische Diagnostik in der Kinderurologie“). Hierbei ist von besonderer Bedeutung, dass durch diese Untersuchung der oberen und der untere Nierenanteil bei einer Doppelniere getrennt voneinander beurteilt werden kann. Allerdings hat sich gezeigt, dass die Beurteilung des oberen Anteils teilweise sehr ungenau ist. Möchte man hier eine genauere Bestimmung der Funktion des oberen oder unteren Nierenanteils haben, so ist die Durchführung einer Dimercaptobernsteinsäure(DMSA)-Szintigrafie meist aufschlussreicher. Hierbei können ebenfalls fokale Defekte eines Nierenanteils detektiert werden (Fisch 2012).
Ein i.v. Urogramm ist heutzutage bei Kindern obsolet, da sich mit einer MR-Urographie dysplastische Nierenanteile und ektope Harnleitermündungen sowie Ureterozelen deutlich besser und genauer darstellen lassen (Kap. „Spezifische Diagnostik in der Kinderurologie“).
Nicht zu vergessen ist die eingehende körperliche Untersuchung ggf. mit Zystoskopie und Vaginoskopie zur Identifizierung ektoper Harnleitermündungen oder Ureterozelen, die bei Säuglingen und Kindern einer Narkose bedürfen und nur dann durchgeführt werden sollten, wenn sich eine weitere operative Therapie in der gleichen Narkose anschließt.
Invasive diagnostische Verfahren wie die retrograde Ureterographie kommen nur in sehr seltenen Fällen z. B. für die Darstellung eines blind endenden Harnleiters, der in anderen Untersuchungen nicht detektiert werden konnte, zum Einsatz. Solche Untersuchungen sollten, wenn möglich, im Rahmen einer Narkose unmittelbar vor einem geplanten operativen Eingriff durchgeführt werden.

Differenzialdiagnose

Wird sonografisch die Dilatation einer Einzelniere oder Doppelniere nachgewiesen, so ist ebenfalls an eine obstruktive Uropathie wie z. B. die Subpelvinstenose oder einen primär obstruktiven oder sekundären Megaureter zu denken. Eine gekreuzte Dystopie mit Fusion (L-Niere) kann sonografisch das Bild einer Doppelniere imitieren. Hier fehlt dann allerdings die Niere der Gegenseite. Bei primärer kindlicher Inkontinenz sind weitere Inkontinenzformen bei Verdacht auf eine ektope Harnleitermündung auszuschließen (siehe auch Kap. „Nichtneurogene Blasen- und Sphinkterdysfunktion und Enuresis“).

Therapie

Die Doppelniere per se ohne assoziierte Pathologie bedarf keiner Therapie. Liegt eine Pathologie vor, so richtet sich die Therapie jeweils nach den erhobenen Befunden und der Symptomatik. Bei refluxivem unterem Nierenanteil oder obstruktivem oberem Nierenanteil entscheidet die Funktion des jeweiligen Anteils über dessen Erhalt. Ein funktionsloser Anteil bei symptomatischem Reflux ist nicht erhaltungswürdig und bedarf einer operativen Entfernung.

Reflux der unteren oder beider Doppelnierenanteile

Bei guter Nierenfunktion beider Anteile besteht die Möglichkeit eines konservativen Therapieversuchs. Dies bedeutet das Abwarten der spontanen Maturation unter einer zeitlich begrenzten antibakteriellen Prophylaxe. U. a. entscheidet auch der Refluxgrad hierbei über die Maturationsrate (siehe auch Kap. „Vesikoureteraler Reflux“). So konnte, über einen Zeitraum von 40 Monaten, für einen erstgradigen und zweitgradigen Reflux eine Maturationsrate von 85 % nachgewiesen werden. Liegt ein Reflux 3. Grades vor, so betrug die Maturationsrate nur noch 36 % (Fisch 2012). Hierbei waren Komplikationen wie fieberhafte Harnwegsinfektionen ebenfalls deutlich häufiger zu beobachten. Als Folge hieraus ist ein konservativer Therapieansatz bei hochgradigem Reflux nicht erfolgversprechend.
Operative Therapieansätze beinhalten die endoskopische Ostienunterspritzung oder operative Antirefluxplastiken.
Allerdings zeigten sich die Ergebnisse der Ostienunterspritzung bei Doppelsystem im Vergleich zum Einzelsystem signifikant schlechter. Eine Metaanalyse von Elder et al. aus dem Jahre 2006 konnten einen Erfolg von 50 % bei Doppelsystem vs. 73 % bei Einzelsystem nachweisen. Auch im Vergleich mit operativen Therapieansätzen konnten eine deutlich niedrigere Erfolgsrate bei den Unterspritzungen (Doppelsystem und Einzelsystem) nachgewiesen werden (81 % vs. 97,7 %) (Aboutaleb et al. 2003). Aus diesem Grund wird die Indikation einer endoskopischen Therapie bei Doppelsystem kritisch gesehen.
Die Ergebnisse von Antirefluxplastiken bei Doppelsystemen sind mit denen von Einzelsystemen gut vergleichbar und liegen bei beiden Systemen bei etwa 90 % (Fisch 2012). Die hier verwendeten extravesikalen und intravesikalen Verfahren zeigen gleiche Ergebnisse. Grundsätzlich haben in jüngster Zeit die minimalinvasiven Operationstechniken aufgrund kürzerer postoperativer Krankenhausaufenthalte und weniger postoperativer Schmerzen zunehmend an Bedeutung gewonnen.

Ektope Harnleitermündungen (mit schlechter Funktion des oberen Anteils)

Bei nicht erhaltenswerter Funktion des oberen Nierenanteils (<10 %) kann eine Heminephrektomie mit tiefem Absetzen des Harnleiters durchgeführt werden. Hierbei gewinnt, aufgrund immer kleinerer Instrumente und besserer Operationstechniken, der laparoskopische oder roboterassistierte Therapieansatz zunehmend an Bedeutung. Die Vorteile hierbei sind vor allem kürzere Liegezeiten und weniger postoperative Schmerzen (Cohen et al. 2014). Grundsätzlich konnte weder beim transabdominalen noch beim retroperitonealen Zugang zur Niere ein eindeutiger Vorteil nachgewiesen werden. Zunehmend wird bei schlechter Funktion aufgrund der Risiken einer Heminephrektomie eine Harnleiterneuimplatation ohne Heminephrektomie oder eine hohe Ureteropyelostomie oder Ureterureterostomie als „upper tract approach“ durchgeführt.

Ureterozele

Grundsätzlich bedarf die symptomlose, orthotope Ureterozele keiner weiteren Therapie. Allerdings können sich in Ureterozelen im Erwachsenenalter Steine bilden und somit eine operative Therapie im Sinne einer Entlastung der Ureterozele oder eine Harnleiterneueinpflanzung notwendig machen.
Die Therapie der Ureterozele beim Doppelsystem muss dem Einzelfall und unter Berücksichtigung sämtlicher erhobener Befunde angepasst werden. Hierbei spielen sowohl die Größe und Position der Ueterozele als auch die Funktion des oberen Anteils und ein assoziierter Reflux eine entscheidende Rolle. Eine suffiziente Drainage und ein Schutz durch eine antibakterielle Prophylaxe mit Beobachtung des Refluxes und Kontrolle der Nierenfunktion sollten hierbei Vorrang haben (Fisch 2012). Die Therapie der Ureterozele wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Das Spektrum reicht von Verlaufskontrollen über Punktionen und Inzision der Ureterozele, Ureterureterostomie oder Ureteropyelostomie, Heminephrektomie unter Belassen der Ureterozele und des distalen Harnleiters („upper tract approach“), der alleinigen Rekonstruktion des unteren Harntraktes unter Belassung des afunktionellen oberen Anteils bis hin zur kompletten Rekonstruktion mit Heminephroureterektomie, Zelenresektion und Harnleiterneueinpflanzung.

Nachsorge

Aufgrund des breiten Spektrums der zugrunde liegenden Pathologien kann eine einheitliche Empfehlung für die Nachsorge nicht ausgesprochen werden. Sonografische Verlaufskontrollen, Blutdruckmessung und Urinuntersuchungen (Proteinurie) sind bei allen Pathologien sinnvoll.
Ein Unterschied in der Nachsorge bei Doppelnieren mit Reflux ohne Dilatation und antibiotischer Prophylaxe unterscheidet sich nicht von dem bei Einzelsystemen. Ein Verlaufsmiktionszystourethrogramm oder Miktionssonourographie sollte bei Symptomen durchgeführt werden. Sonografische und klinische Verlaufskontrollen sind nach Heminephrektomie oder Heminephroureterektomie ebenfalls das Mittel der Wahl.
Bei konservativem Therapieansatz bei Ureterozele bedarf es engmaschigerer Verlaufskontrollen der Dilatation und der Funktion des oberen Harntraktes.

Zusammenfassung

  • Ureter duplex: doppelte ipsilaterale Harnleiteranlage. Ureter fissus oder bifidus: Zusammenschluss beider doppelt angelegter Harnleiter auf dem Weg zur Blase.
  • Ektoper Harnleiter: Mündung des Harnleiters außerhalb der Harnblase.
  • Ureterozele: Zystische Erweiterung des intravesikalen submukösen Harnleitersegments. Orthotope Ureterozele: In der Harnblase gelegen Ureterozele. Ektope Ureterozele: Vorfall der Ureterozele in den Blasenhals oder in die Urethra.
  • Inzidenz Doppelniere 0,8–4 %, Mädchen doppelt so häufig betroffen. 44 % vesikoureteraler Reflux bei Doppelnieren, am häufigsten Reflux des unteren Nierenanteils. Inzidenz ektoper Ureter: 1:1900. Inzidenz Ureterozele 1:500–4000, am häufigsten den oberen Nierenanteil betreffend.
  • Entstehung Doppelnieren: Aus einer zweiten Ureterknospe entsteht der Oberpolharnleiter und mündet laut Meyer-Weigert Regel kaudal in die Harnblase. Bei der Nierenentwickung spielt das Renin-Angiotensin-System eine entscheidende Rolle. Mündung des Harnleiters außerhalb der Harnblase nennt sich Ektopie. Erreicht die Ureterknospe die Niere nicht, entsteht ein blind endender Harnleiter.
  • Symptome: Doppelnieren sind meistens symptomlos und werden in der Vielzahl intrauterin diagnostiziert. Symptome bei assoziierten Fehlbildungen: fieberhafte Harnwegsinfektionen durch Reflux oder Obstruktion, Miktionsbeschwerden, Restharn, Inkontinenz, Drang, Schmerzen, Gedeihstörungen, Entwicklungsverzögerung, Bauchschmerzen.
  • Diagnostik: Sonografie an erster Stelle. Bei Refluxverdacht Miktionszysturethrogramm/Sonografie. Zur Bestimmung der Nierenfunktion und des Abflusses MAG-III-Szintigrafie. Zur besseren Bestimmung des oberen Nierenanteils DMSA-Szintigraphie. Zur Bestimmung ektopen Mündungen oder Ureterozelen MR-Urographie und ggf. Vaginoskopie und Zystoskopie.
  • Therapie: Nur bei assoziierter Pathologie. Reflux: bei guter Nierenfunktion konservative Therapie nicht bei hochgradigem Reflux. (endoskopische Therapie) oder offene Operation. Bei schlechter Funktion des refluxiven Doppelnierenanteils: Antirefluxplastik oder Harnleiterneuimplantation oder Resektion mit Harnleiterentfernung. Heminephrektomie mit tiefem Absetzen des Harnleiters oder Ureterureterostomie bei ektopen Harnleitermündungen. Therapie bei orthotopen Ureterozelen beim Einzelsystem nicht notwendig. Bei Doppelsystem kontroverse Diskussion. Hier Einzelfallentscheidungen mit mehreren therapeutischen Möglichkeiten.
Literatur
Aboutaleb H, Bolduc S, Khoury AE, Upadhyay J, Bägli DJ, Farhat W, Division of Urology, The Hospital for Sick Children, University of Toronto, Ontario, Canada (2003) Polydimethylsiloxane injection versus open surgery for the treatment of vesicoureteral reflux in complete duplex systems. J Urol 170(4 Pt 2):1563–1565. https://​doi.​org/​10.​1097/​01.​ju.​0000084335.​84075.​9b. PMID: 14501661
Brock WA, Kaplan GW (1978) Ectopic ureteroceles in children. J Urol 119(6):800–803CrossRefPubMed
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Cohen J, Mullins JK, Jayram G, Patel HD, Pierorazio PM, Matlaga BR, Allaf MEJ (2014) Trends and outcomes of total and partial nephrectomy in children: a statewide analysis. Pediatr Urol 10(4):717–723CrossRef
Fisch (2012) Doppelter Ureter, Ektopie und Ureterozele. In: Beetz, Thüroff (Hrsg) Kinderurologie in Klinik und Praxis. Thieme, Stuttgart, S 281–293
Privett AAA et al (1976) The incidence and importance of renal duplication. Clin Radiol 27(4):521–530CrossRefPubMed
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Weiterführende Literatur
Sencan A, Carvas F, Hekimoglu IC, Caf N, Sencan A, Chow J, Nguyen HTJ Sencan et al (2014) Urinary tract infection and vesicoureteral reflux in children with mild antenatal hydronephrosis. Pediatr Urol 10(6):1008–1013