Während Mutationen oder Replikationsfehler bei den meisten Genen durch das korrespondierende Gen auf dem homologen
Chromosom korrigiert werden können, ist dies bei Genen, die einem genomischen
Imprint unterliegen nicht möglich. Gene, die einem Imprint unterliegen, werden in der frühen Keimzellentwicklung nach vererbten Bauplänen auf dem maternalen oder paternalen Chromosom u. a. durch Methylierung und Chromatininaktivierung irreversibel stillgelegt, sodass nur eine Kopie gemäß Muster vom väterlichem oder mütterlich vererbten Chromosom haploid exprimiert wird. Es wird postuliert, dass die einem Imprint unterlegenen Gene eine wesentliche Rolle in der Entwicklung des Organismus spielen. Bei einem mutationsbedingten Ausfall dieses haploid exprimierten Gens („loss of function“) kommt es zu einer Störung des normalen Entwicklungsprozesses und i. d. R. zur Ausbildung eines klinischen Syndroms.
Es gibt im Wesentlichen 4 verschiedene Mutationsmechanismen, die zu einem Funktionsausfall führen. So können Mutationen in der DNA-Sequenz einen Ausfall des Genproduktes bedingen, wie auch eine chromosomale
Deletion des aktiven Gens oder auch eine
uniparentale Disomie. Hierbei wird bei einem Defekt oder Deletion in der aktiven Genkopie diese mit der inaktiven Kopie repariert, sodass 2 inaktive Kopien vorliegen. Weiterhin können aber auch sog. Imprint-Fehler vorliegen, die durch Mutationen in trans, d. h. anderen chromosomalen Bereichen, und in einer bislang nicht vollständig verstandener Weise verursacht werden. Hier müssen auch exogene Einflüsse, wie z. B. Umwelt, berücksichtigt werden. So ist bekannt, dass es im Rahmen einer
In-vitro Fertilisation, d. h. nach assistierter Reproduktion, vermehrt Imprint-Defekte beobachtet wurden, wobei öfter der Bereich des „insulin-like growth factor 2“ (IGF2), einem Wachstums-Enhancer, betroffen war. Bei den betroffenen Kindern wurde dann ein sog. Overgrowth-Syndrom diagnostiziert. Dieses Größenwachstum wurde auch experimentell bei In-vitro Fertilisationsexperimenten bei Schaf und Rind beobachtet und als Umwelteinfluss auf Imprint-Muster interpretiert. Mutationen des IGF2-Imprint-Musters wurden auch bei Patienten mit Lungen- oder kolorektalem Karzinom nachgewiesen und führten zu der Postulation, dass Modifikationen der epigenetischen Muster durch Umweltfaktoren auch die Entwicklung mancher Tumoren fördern könnte.