Bei den Verletzungen der großen intrathorakalen Venen lassen sich ursächlich die traumatischen und die iatrogenen Venenverletzungen unterscheiden. Traumatische Venenverletzungen resultieren nach stumpfem oder penetrierendem
Thoraxtrauma. Im Klinikalltag handelt es sich dabei nur sehr selten um isolierte Venenverletzungen, in der Regel liegen diese Venenläsionen als typische Begleitverletzungen anderer Organsysteme vor. Bei den iatrogenen Venenverletzungen müssen die operativen Begleitverletzungen von den Katheterverletzungen getrennt werden. Die häufigsten operativen Begleitverletzungen im Thorax sind Läsionen der V. brachiocephalica sinistra
bei der Sternotomie oder die Verletzung der V. cava superior bei erweiterten Lungenresektionen bzw. der mediastinalen Lymphknotendissektion. Verletzung durch zentral venöse Verweilkatheter werden zwar sehr häufig beobachtet, sind aber nur in Ausnahmefällen chirurgisch zu versorgen. Ähnliches gilt bei Verletzungen durch intraluminale Cava-Filter oder bei Perforationen großlumiger Teflonkatheter, wie sie zur Hämodialyse über die V. subclavia gelegentlich Anwendung finden.
Die operative Versorgung stellt den Eckpfeiler bei der Wiederbelebung von Patienten mit hämorrhagischem Schockzustand dar. Die Diagnose von Verletzungen großer Stammvenen kann oft erst intraoperativ gesichert werden. Die Indikation zur operativen Revision ergibt sich daher bereits zwingend aus dem Schweregrad des erlittenen Traumas und dem klinischen Zustand des Patienten. Bei traumatischen Verletzungen der großen intrathorakalen Venen liegt meist ein hypovolämischer Schockzustand vor. Dieser in Verbindung mit Begleitverletzungen anderer Organe stellt eine absolute Indikation zur notfallmäßigen operativen Exploration dar. Da die traumatischen Verletzungen großer Körpervenen in der Regel Begleitverletzungen im Rahmen eines Polytraumas darstellen und oft erst intraoperativ eine entsprechende Verletzung erkannt wird, richtet sich die Lagerung zur Operation des Patienten nach den mutmaßlichen Zusatzverletzungen. Dies gilt auch für die Wahl des operativen Zugangs. Ein Traumapatient sollte, insbesondere wenn eine instabile Kreislaufsituation vorliegt, immer so gelagert und steril abgedeckt werden, dass jederzeit ein transthorakaler bzw. ein transabdominaler Zugang durchgeführt werden kann bzw. ein transabdominaler Zugang nach thorakal erweitert werden kann und umgekehrt.
Ziel sämtlicher Operationsverfahren bei Verletzungen der großen Venen ist primär die Kontrolle der Blutung und sekundär, falls es notwendig und indiziert ist, die Rekonstruktion der verletzten Gefäßstrecke.
Die Grundvoraussetzung für die Blutungskontrolle ist eine übersichtliche Exploration, die durch einen entsprechend großzügigen Zugang erreicht werden kann. Die Prinzipien der Blutstillung betreffen die temporäre Tamponade, die Ligatur eines verletzten Venenabschnittes bzw. die Rekonstruktion der Vene durch direkte Naht, Patchplastik oder Transplantatrekonstruktion. Die Prognose der Patienten mit Verletzung großer Körperstammvenen ist unmittelbar abhängig von einer raschen Blutungskontrolle und dem Ausmaß der vorliegenden Begleitverletzungen. Nach wie vor wird die Sterblichkeit von Unfallopfern mit Läsionen großer Körpervenen in der Literatur mit etwa 50 % beziffert (Byrne und Crawford
1980; Clements und Fischer
2001; Hansen et al.
2000; Orend
2002), obwohl in den letzten Jahrzehnten deutliche Verbesserungen im anästhesiologischen und intensivmedizinischen Bereich erzielt werden konnte. Eine deutlich bessere Prognose zeigen Patienten mit iatrogenen Venenverletzungen, vor allem bei intraoperativen Begleitverletzungen, da die Versorgung dieser venösen Begleitverletzung ohne Zeitverzug erfolgen kann und weitere Begleitverletzungen in der Regel fehlen.
Vena cava superior
Die V. cava superior kann sowohl über eine rechtsseitige laterale Thorakotomie als auch über eine mediane Sternotomie exploriert werden. Die Wahl des Zugangs muss von den mutmaßlichen Zusatzverletzungen abhängig gemacht werden. Eine traumatische Zerreißung der V. cava superior gilt auch bei schwerem
Thoraxtrauma im Allgemeinen als Rarität (Picard et al. 1995). Im eigenen Krankengut fanden wir in einem 5-Jahres-Zeitraum bei 741 Thoraxtraumen (97,6 % der Fälle stumpfes Thoraxtrauma, 2,4 % der Fälle penetrierendes Thoraxtrauma), bei 2 Patienten eine begleitende V.-cava-superior-Verletzung. Bei beiden Patienten handelte es sich um Pfählungsverletzungen, bei einem Patienten konnte die Läsion im Bereich der V. cava superior durch direkte Naht versorgt werden. Bei einem zweiten Patienten musste wegen vollständiger Zerreißung der V. cava superior ein großlumiges PTFE-Interponat als Gefäßrekonstruktion implantiert werden, wobei die zentrale Anastomose end-zu-seit ins Herzohr anastomosiert wurde. In beiden Fällen wurde als Zugang die mediane Sternotomie gewählt, da in der Röntgen-Übersichtsaufnahme jeweils ein stark verbreitertes Mediastinum imponierte und zusätzlich der Verdacht auf eine aortale bzw. kardiale Zusatzläsion bestand. Muss bei einem Patienten mit Thoraxtrauma notfallmäßig chirurgisch interveniert werden und liegt eine Zerreißung der V. cava superior ohne Möglichkeit einer entsprechenden orthotopen Rekonstruktion durch Direktnaht vor, darf die V. cava superior in einer derartigen Situation auch ligiert werden. Mitteilungen aus der Literatur belegen, dass die obere venöse Einflussstauung, die sich in den ersten Tagen nach Ligatur der V. cava superior einstellt, durch die Ausbildung einer funktionellen Kollateralisation innerhalb weniger Tage deutlich zurückgeht (Byrne und Crawford 1980; Clements und Fischer 2001).
Venae pulmonales
Intraperikardiale Verletzungen der Vv. pulmonales imponieren klinisch als lebensbedrohliche Herzbeuteltamponade und werden meist unter der Vorstellung einer Herzverletzung über eine mediane Sternotomie versorgt. Intrapleurale Verletzungen der Vv. pulmonales führen zum gleichzeitigen
Hämatothorax, der primär durch Platzieren von Thoraxdränage behandelt werden muss. Liegt eine Verletzung der Vv. pulmonales vor, zeigt sich eine kontinuierliche Blutung mit instabiler Kreislaufsituation, so dass dann unter der Verdachtsdiagnose einer Lungenparenchymverletzung die operative Revision über eine anterolaterale Thorakotomie angezeigt ist. Traumatische Verletzungen der Vv. pulmonales, isoliert oder als Kombinationsverletzung, sind äußerst selten (Varghese et al.
2000). Zielsetzung der chirurgischen Versorgung muss es sein, die Venenverletzung durch eine entsprechende Naht zu versorgen. Keinesfalls darf eine obere oder untere Lungenvene ligiert werden, da der akute Verschluss einer Lungenvene in jedem Fall zu einer Nekrose bzw. einem Infarkt des entsprechenden Lungenlappens führen würde, was wiederum ein lebensbedrohliches, septisches Krankheitsbild nach sich ziehen würde. Lässt sich eine traumatisch verletzte obere oder untere Lungenvene nicht orthotop rekonstruieren, muss eine entsprechende anatomische Lungenresektion angeschlossen werden.
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