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Kinderchirurgie
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Publiziert am: 11.07.2018

Embryologie und Anatomie des Pankreas

Verfasst von: Winfried Barthlen und Dietrich von Schweinitz
Chirurgische Erkrankungen des Pankreas sind im Kindesalter selten. Sie umfassen dabei aber ein breites Spektrum von angeborenen Anomalien, Entzündungen und deren Folgen, stoffwechselrelevanten Veränderungen und Neoplasien. In diesem Kapitel wird neben einer kurzen Übersicht über Embryologie und Anatomie des Pankreas ein Überblick über diese Erkrankungen und ihre chirurgische Relevanz gegeben.
Chirurgische Erkrankungen des Pankreas sind im Kindesalter selten. Sie umfassen dabei aber ein breites Spektrum von angeborenen Anomalien, Entzündungen und deren Folgen, stoffwechselrelevanten Veränderungen und Neoplasien. In diesem Kapitel wird neben einer kurzen Übersicht über Embryologie und Anatomie des Pankreas ein Überblick über diese Erkrankungen und ihre chirurgische Relevanz gegeben.
Mit Kenntnis der embryologischen Entstehung lassen sich die komplizierte Anatomie des Pankreas und seine Variationen besser verstehen. Das Pankreas entsteht aus zwei Organanlagen (Hinrichsen 1998): In der 5. Schwangerschaftswoche wird eine dorsale Anlage aus einer Knospung des Urdarms in Höhe des späteren Duodenums gebildet, eine ventrale Anlage erwächst aus der zunächst ventral gelegenen hepatobiliären Knospe. Diese hepatobiliäre Anlage mit der ventralen Pankreasanlage rotiert in der 6. Schwangerschaftswoche (SSW) um den Urdarm herum, sodass der spätere Gallengang hinter das Duodenum und die ventrale Pankreasanlage neben die dorsale zu liegen kommen. Sie fusionieren in der 7. SSW, wobei der Processus uncinatus und der größte Anteil des Pankreaskopfes aus der ventralen, der kraniale Anteil des Kopfs, der Körper und der Schwanz hingegen aus der dorsalen Pankreasanlage stammen (Abb. 1).
So bildet auch der ehemals ventrale Gang den Ductus Wirsungianus, der als Pankreashauptgang gemeinsam mit dem Ductus choledochus auf der Papilla major mündet, der ehemals dorsale Gang den akzessorischen Ductus Santorini mit einer Mündung entweder an der kranialen Papilla minor oder/und retrograd in den Ductus Wirsungianus. Ab der 12. SSW werden erste Acini gebildet, jedoch kommt die eigentliche exokrine Pankreasfunktion erst nach der Geburt in Gang. Viel früher werden Langerhans-Inseln ausdifferenziert und eine Hormonproduktion beginnt ab Ende des 3. Monats. Diese hat offensichtlich eine wichtige Homöostasefunktion. Während der Fetalzeit machen Langerhans-Inseln ca. 10 % des Pankreasgewebes aus, um bis ins Erwachsenenalter mit <1 % abzunehmen. Neuere Erkenntnisse legen nahe, dass die Expression des entwicklungsassoziierten „Sonic-hedgehog“-Gens eine bedeutsame Rolle bei der Pankreasentwicklung hat (Wiersch und Gittes 2014).
Anatomisch ist das Pankreas retroperitoneal, sich links in das duodenale C schmiegend vor der Wirbelsäule gelegen. Nach dorsal wird es zusammen mit dem Duodenum von der Treitz-Faszie begrenzt, die auch seine En-bloc-Mobilisierung mit dem Duodenum nach Kocher ermöglicht. Ventral des Pankreas liegt die Bursa omentalis. Das Pankreas selbst hat dabei keine eigene Kapsel und hat im Kindesalter eine eher weiche und zerfließliche Konsistenz. Im duodenalen C liegt der Kopf mit dem Processus uncinatus, links anschließend vor dem Mesenterialgefäßstiel der Hals und, nach kranial ansteigend und bis in den Milzhilus hereinreichend, der Körper und der Schwanz. Nach kaudal wird das Pankreas vom Ansatz des Mesokolons begrenzt.
Das Pankreassekret wird v. a. über den Ductus Wirsungianus vom Schwanz bis zum Kopf und die Papilla major ins Duodenum abgeleitet, im kranialen Kopfanteil über den Ductus Santorini und die Papilla minor. In der Regel trifft sich der Ductus Wirsungianus mit dem Ductus choledochus kurz vor der Einmündung in die Papille. Bei 40 % aller Menschen liegen aber Varianten hierzu vor, die chirurgisch bedeutsam sind (Bürger 1982).
Cave: Die Lage des Pankreas weit dorsal mit Beziehung zu vielen anderen Strukturen muss für die Chirurgie beachtet werden, genau wie die durch diese Anatomie bedingte komplizierte Gefäßversorgung des Organs.
Die arterielle Zufuhr stammt aus dem Truncus coeliacus über die A. hepatica und die Aa. pancreaticoduodenales superiores sowie die A. lienalis sowie über die A. mesenterica superior und die Aa. pancreaticoduodenales inferiores. Sie unterliegt aber vielfältigen Variationen. Ebenso kompliziert ist der venöse Abstrom über mehrere Gefäße in die V. mesenterica superior, den venösen Konfluens, die V. lienalis und direkt in die Pfortader. Die Gefäße im Kopfbereich versorgen gleichzeitig das Duodenum. Das Pankreas wird lymphatisch in alle Richtungen ins Retroperitoneum hinein dräniert. Hier werden elf verschiedene Lymphknotengruppen definiert, was insbesondere bei der Resektion maligner Tumoren eine Bedeutung hat.
Als offenen operativen Zugang wählt man bei Kindern in der Regel eine quere Oberbauchlaparotomie. Die Freilegung des Pankreas erfolgt von vorne durch das Ligamentum gastrocolicum. An seiner Rückseite kann das Pankreas dann von rechts über ein Kocher-Manöver, von links über eine Mobilisierung der Milz dargestellt werden (Beglinger et al. 2011; Wiersch und Gittes 2014).
Literatur
Beglinger C, Clavien P-A, Degen L, Drognitz O, Fried R, Hopt UT, Kasperk R, Krones C, Lammert F, Oertli D, Schäfer M (2011) Pankreas. In: Siewert JR, Rothmund M, Schumplik V (Hrsg) Praxis der Viszeralchirurgie, Gastroenterologische Chirurgie, 3. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg/New York, S 805–827
Bürger D (1982) Pankreaserkrankungen im Kindesalter. Hippokrates, Stuttgart
Hinrichsen KV (1998) Intestinaltrakt. In: Hinrichsen KV (Hrsg) Humanembryologie. Springer, Berlin/Heidelberg/New York, S 565–569
Wiersch J, Gittes GK (2014) Lesions of the pancreas. In: Holcomb GWIII, Murphy JP, Ostlie DJ (Hrsg) Ashraft’s pediatric surgery. Elsevier Saunders, Philadelphia, S 636–647