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Dysmorphe Erythrozyten im Urin

Verfasst von: W. G. Guder
Dysmorphe Erythrozyten im Urin
Synonym(e)
Akanthozyten als Sonderform dysmorpher Erythrozyten; Erythrozytendysmorphie
Englischer Begriff
dysmorphic erythrocytes; acanthocytes
Definition
Unter dysmorphen Erythrozyten werden veränderte Formen roter Zellen im Urin verstanden, welche durch ihre Passage durch die Tubuli der Niere verändert sind.
Struktur
Die Form der dysmorphen Erythrozyten scheint nach neueren Erkenntnissen durch die Auflagerung von Tamm-Horsfall-Protein auf die Erythrozytenmembran bedingt. Damit werden membraninterne Proteine aufgedeckt, die der chemischen Erkennung bei der Durchflusszytometrie dienen können.
Funktion – Pathophysiologie
Präanalytik
Analytik
Nach der ersten Beschreibung durch Fairley und Birch wurde die mikroskopische Differenzierung im Phasenkontrast zur Standardmethode erhoben. Köhler et al. (1991) empfahlen die Erkennung und Quantifizierung von Akanthozyten im Urin als spezifischste Form der renalen Hämaturie. Wegen des erhöhten Aufwands und der stark subjektiven Komponente der erfahrungsabhängigen Methode wurden Versuche unternommen, die Dysmorphie durchflusszytometrisch zu quantifizieren. Dabei hat man die Zellgröße, ihr Streulichtverhalten (Hyodo et al. 1999) wie auch die immunzytometrischen Nachweise von Hämoglobin (Tanaka et al. 1993), Tamm-Horsfall-Protein (Janssens et al. 1992) und Glykophorin angewendet. Mit letzterem Verfahren wurde eine diagnostische Sensitivität von 90 % bei einer Spezifität von 84 % erreicht. Hofmann et al. 1991 empfehlen alternativ bei einer Albuminurie >100 mg/L eine Differenzierung der Ursachen durch Bestimmung von Urinproteinen hoher Molmasse. Inzwischen hat sich die mechanisierte Analyse mit Bildschirmerkennung der dysmorphen Erythrozyten durchgesetzt (Akanthozyten im Urin).
Konventionelle Einheit
Die dysmorphen Erythrozyten werden in % der Erythrozytenzahl angegeben. Es ist immer die Gesamtzahl der Erythrozyten mitanzugeben.
Internationale Einheit
Anzahl von dysmorphen Erythrozyten/L Urin.
Indikation
Die Quantifizierung oder Abschätzung dysmorpher Erythrozyten ist immer dann indiziert, wenn eine Hämaturie diagnostisch abzuklären ist.
Diagnostische Wertigkeit
Die Zahl der dysmorphen Erythrozyten in % der (vermehrten) Gesamterythrozyten im Urin erlaubte es erstmals, renale von postrenalen Formen der Hämaturie aus einem Spontanurin im Phasenkontrastmikroskop zu unterscheiden. Die Methode fand weite Verbreitung in der Urologie und Nephrologie, verlangt jedoch eine erhebliche Erfahrung in der Erkennung und Quantifizierung von verschiedenen Formen der Dysmorphie, die von artefiziellen Formen durch hohe Harnkonzentration und lange Lagerung zu unterscheiden sind. Versuche, die Zahl dysmorpher Erythrozyten mit der Durchflusszytometrie zu erfassen (z. B. UF 100, Fa. Sysmex) führten erst bei Bildschirmkontrolle zu befriedigenden Ergebnissen (iQ 100 und 200, Fa Iris, UF 5000, 4000 Fa Sysmex). Die alternativ empfohlene Differenzierung über das Proteinmuster lediglich erlaubt erst bei Albuminkonzentrationen über 100 mg/L, zwischen glomerulären und postrenalen Formen der Hämaturie zu unterscheiden.
Literatur
Fairley KF, Birch DF (1993) Microscopic urinalysis in glomerulonephritis. Kidney Int 44:9–11
Hofmann W, Schmidt D, Guder WG (1991) Differentiation of hematuria by quantitative determination of urinary marker proteins. Klin Wchschr 69:68–75CrossRef
Hyodo T, Kumano K, Sakai T (1999) Differential diagnosis between glomerular and nonglomerular hematuria by automated urinary flow cytometer. Nephron 82:312–323CrossRefPubMed
Janssens PMV, Kornaat N, Tielemann R et al (1992) Localizing the site of hematuria by immunocytochemical staining of erythrocytes in urine. Clin Chem 38:216–222PubMed
Köhler H, Wandel E, Brunck B (1991) Acanthocyturia, a characteristic marker for glomerular bleeding. Kidney Int 40:115–120CrossRefPubMed
Tanaka M, Kitamoto Y, Sato T et al (1993) Flow cytometric analysis of hematuria using fluorescent antihemoglobin antibody. Nephron 65:354–358CrossRefPubMed