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Orthopädie und Unfallchirurgie
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Publiziert am: 11.02.2020

Verletzungen des Akromioklavikulargelenks

Verfasst von: Alexander Themessl, Knut Beitzel und Andreas B. Imhoff
Verletzungen des Akromioklavikulargelenks zählen bei jungen und aktiven Menschen zu den häufigsten Verletzungen der oberen Extremität. Die Kombination aus Anamnese, klinischer Untersuchung und Röntgenaufnahmen helfen bei der Diagnosefindung und der Therapieplanung. Die Wahl des therapeutischen Vorgehens richtet sich maßgeblich nach dem Schweregrad der Verletzung anhand der Rockwood-Klassifikation und dem zeitlichen Verlauf (akut vs. chronisch). Ziel der therapeutischen Maßnahmen ist die rasche Wiederherstellung der Funktionalität der Schulter, wobei je nach Ausmaß der Verletzung konservative und operative Verfahren zur Anwendung kommen. Verletzungen von Typ I und II stellen ein geringes Verletzungsausmaß dar und können konservativ behandelt werden. Typ-III-Verletzungen sind eine heterogene Kategorie und können anhand klinisch-funktioneller Aspekte in einen stabilen und konservativ zu versorgenden Typ IIIa und einen instabilen und operativ zu versorgenden Typ IIIb eingeteilt werden. Verletzungen vom Typ IV, V und VI stellen klassischerweise Operationsindikationen dar. Neben zahlreichen erfolgversprechenden operativen Verfahren haben sich besonders arthroskopisch-assistierte Stabilisierungsverfahren mit allogenem Material in der Versorgung akuter (<3 Wochen) ACG-Verletzungen bewährt, da somit etwaige intraartikuläre Begleitverletzungen mitversorgt werden können. Chronische Verletzungen (>3 Wochen) erfordern meist eine zusätzliche autologe Sehnenaugmentation.

Hintergrund

Verletzungen des Akromioklavikulargelenks (ACG, AC-Gelenk) werden heute zu den häufigsten muskuloskelettalen Verletzungen der Schulter bei jungen und aktiven Menschen gerechnet, wobei Männer in einem Verhältnis von 5:1 wesentlich häufiger betroffen sind als Frauen (Mazzocca et al. 2007; Pallis et al. 2012). In der Regel liegt diesen Verletzungen ein direkter Sturz auf die Schulter oder auf den ausgestreckten Arm im Rahmen freizeitlicher Aktivitäten zugrunde. Da das Akromioklavikulargelenk als Bindeglied des Schultergürtels aber großen Anteil an der Funktionalität der gesamten oberen Extremität trägt, ist dessen Verletzung potenziell mit erheblichen beruflichen und sportlichen Einschränkungen verbunden.

Anatomische und biomechanische Grundlagen

Das knöcherne Gerüst des AC-Gelenks wird lateral durch das Akromion und medial durch das laterale Ende der Klavikula gebildet. Zwischen den teilweise inkongruenten Gelenkflächen befindet sich häufig ein mit den Kapselbandstrukturen verwachsener Discus articularis, der allerdings aufgrund degenerativer Prozesse seine Funktion bis zur 4. Lebensdekade weitgehend verliert (Mazzocca et al. 2007). Neben Translationsbewegungen in der vertikalen und in der horizontalen Ebene ermöglicht das AC-Gelenk zusätzlich Rotationsbewegungen der Klavikula gegenüber der Skapula (dem Akromion) von bis zu 50° im Rahmen von Abduktions-/Flexionsbewegungen des Arms (Dyrna et al. 2018).
Aus pathophysiologischer Sicht kommen dabei den aktiven (deltotrapezoide Muskelfaszie) und passiven (Kapsel-Band-Apparat) Stabilisatoren des Gelenks große Bedeutung zu. Während die deltotrapezoide Muskelfaszie die dynamische Stabilisierung gewährleistet, stellt der Kapsel-Band-Apparat den wichtigsten statischen Stabilisator des AC-Gelenks dar. Die AC-Gelenkkapsel sowie die Ligamenta acromioclavicularia (AC-Bänder), bestehend aus dem prominenteren superoposterioren und dem schwächer ausgeprägten anteroinferioren Segment, stabilisieren dabei das Gelenk vor allem in der Horizontalen sowie bei Rotationsbewegungen (Nakazawa et al. 2016; Dyrna et al. 2018). Die V-förmig angeordneten korakoklavikulären Bänder (CC-Bänder) setzen sich aus dem medial, nahezu vertikal verlaufenden Ligamentum conoideum und aus dem lateral, schräg verlaufenden Ligamentum trapezoideum zusammen. Die CC-Bänder spannen sich zwischen der Basis des Processus coracoideus und der Unterseite der Klavikula auf und verhindern so überschießende Bewegungen des AC-Gelenks in der vertikalen Ebene, wenngleich sie eine Elongation des korakoklavikulären Abstands um bis zu 6 mm bei Abduktion/Flexion des Armes erlauben (Izadpanah et al. 2012). Verletzungen dieser verschiedenen Elemente und die damit einhergehenden glenohumeralen bzw. skapulothorakalen Bewegungseinschränkungen verdeutlichen die Bedeutung der Integrität dieser Strukturen für die komplexe Kinematik des Schultergelenks.

Diagnostik

Verletzungen des AC-Gelenks haben meistens eine Beschädigung der aktiven und/oder der passiven Stabilisatoren zur Folge. Ausgeprägte Verletzungen stellen oft eine Blickdiagnose dar, aber auch Verletzungen geringeren Ausmaßes können in der Regel bereits durch eine ausführliche Anamnese und körperliche Untersuchung diagnostiziert werden. Dabei spielen aus therapeutischer Sicht besonders der Schweregrad und der Zeitpunkt der Verletzung eine entscheidende Rolle.

Anamnese

In der Anamnese wird neben allgemeinen Aspekten, wie Vorerkrankungen, Voroperationen, Beruf, funktionellem Anspruch und Händigkeit des Patienten, die aktuelle Symptomatik, der Verletzungsmechanismus sowie der Zeitpunkt der Verletzung erhoben.
Patienten mit einer frischen ACG-Verletzung berichten dabei häufig von schmerzhaften Bewegungseinschränkungen der Schulter und einem lokalisierten Schmerz über dem AC-Gelenkspalt (Fingerzeichen).

Körperliche Untersuchung

Die standardisierte körperliche Untersuchung erfolgt beim sitzenden oder aufrechtstehenden Patienten. Neben Schwellungen oder Prellmarken ist besonders auf Deformitäten, wie dem pathognomonischen Klavikulahochstand (respektive Skapulatiefstand, Abb. 1), und auf eine horizontale oder vertikale Instabilität der Klavikula (Klaviertastenphänomen) zu achten.

Klinische Tests

Ergänzende klinische Tests (z. B. Cross-Body-Adduction-Test, AC-Resistance-Extension-Test) erhärten den Verdacht auf eine ACG-Verletzung. Dabei muss beachtet werden, dass die Befunde der körperlichen Untersuchung in der akuten Verletzungssituation nicht selten schmerzüberlagert sind, im Verlauf aber an Aussagekraft zunehmen. Bei diffusem Schmerzbild kann zudem die Infiltration des AC-Gelenks mit einem Lokalanästhetikum hilfreich sein, um den genauen Ursprung der Beschwerden zu ermitteln. Neben den oft eindrücklichen glenohumeralen Bewegungseinschränkungen können ACG-Verletzungen zusätzlich die Entstehung skapulärer Dyskinesien begünstigen, die sich in ihrem klinischen Bild häufig subtil darstellen können, aber große Bedeutung für das weitere therapeutische Vorgehen und den Therapieerfolg haben. Daher ist eine Mitbeurteilung des sogenannten skapulothorakalen Rhythmus im Rahmen der klinischen Untersuchung (z. B. Skapula-Assist-Test) unbedingt notwendig (Gumina et al. 2009).
Auch wichtige differenzialdiagnostische Erwägungen und Begleitverletzungen wie Skapulafrakturen, glenohumerale Instabilitäten oder Verletzungen der Weichteile müssen berücksichtigt und gegebenenfalls im Rahmen weiterführender bildgebender Diagnostik abgeklärt werden.

Bildgebung

Röntgenuntersuchungen sind das Mittel der Wahl in der bildgebenden Diagnostik von ACG-Verletzungen. Neben dem Frakturausschluss dienen sie der Einteilung der Verletzung in die heute weit verbreitete und für die Therapieentscheidung wegweisende Rockwood-Klassifikation. Dieser radiologischen Einteilung liegt die Annahme zugrunde, dass abhängig von den einwirkenden Kräften die aktiven und passiven Stabilisatoren des AC-Gelenks zunehmend Schaden nehmen, was sich in progredienten und radiologisch nachweisbaren vertikalen und/oder horizontalen Instabilitäten des Gelenks äußert.

Typ-I-Verletzungen

Typ-I-Verletzungen stellen eine Zerrung der akromioklavikulären Bänder und der Kapsel ohne Mitbeteiligung der korakoklavikulären Bänder dar. Dadurch bleibt die Stabilität des AC-Gelenks weitgehend intakt, und es zeigen sich keine röntgenmorphologischen Veränderungen.

Typ-II-Verletzungen

Bei Typ-II-Verletzungen kommt es durch eine moderate Krafteinwirkung zum Riss der akromioklavikulären Bänder und der Gelenkkapsel. Die korakoklavikulären Bänder sind gezerrt, bleiben aber in ihrer Kontinuität erhalten, sodass eine Kaudalisierung des Korakoids (der Skapula) bzw. eine relative Kranialisierung der distalen Klavikula um maximal 50 % der Gegenseite auftritt.

Typ-III-Verletzungen

Bei der Typ-III-Verletzung nach Rockwood kommt es zu einer kompletten Kontinuitätsunterbrechung sowohl der akromioklavikulären als auch der korakoklavikulären Bänder. Zusätzlich kann die deltotrapezoide Faszie mitbeschädigt sein. Es resultiert eine vertikale Instabilität um bis 100 % der Gegenseite. Da dieses Verletzungsstadium aus therapeutischer Sicht Ausgangspunkt zahlreicher Debatten ist, wird von einigen Autoren eine Subklassifikation
  • in einen klinisch stabilen und konservativ zu versorgenden Typ IIIa
  • und einen klinisch instabilen und operativ zu versorgenden Typ IIIb
vorgeschlagen (Beitzel et al. 2014a).
Die Grundlage für diese Unterteilung stellen besonders klinisch-funktionelle Defizite dar, die aber mit geeigneten Maßnahmen (z. B. einer Cross-Body-Belastungsaufnahme) objektiviert werden können. Beitzel et al. (2014a) empfehlen bei Typ-III-Verletzungen zunächst ein konservatives Vorgehen mit einer klinisch-radiologischen Reevaluation nach 3–6 Wochen. Persistieren nach diesem Zeitraum subjektive Beschwerden wie Schmerzen, Kraftminderung, eine eingeschränkte ROM („range of motion“, Beweglichkeit), Instabilitäten oder skapulothorakale Dyskinesien kann eine sekundär operative Versorgung notwendig werden.

Typ-IV-, Typ-V- und Typ-VI-Verletzungen

Verletzungen vom Typ IV, V und VI haben gemein, dass die gesamten passiven und aktiven Stabilisatoren des AC-Gelenks zerstört sind. Die genaue Klassifikation richtet sich weiter nach dem Ausmaß und der Art der Dislokation der Klavikula gegenüber der Skapula:
  • Typ IV ist durch eine posteriore Dislokation der lateralen Klavikula gegenüber dem Akromion klassifiziert, der korakoklavikuläre Abstand kann im Vergleich zur Gegenseite normal oder erhöht sein.
  • Die Typ-V-Verletzung stellt eine Steigerung von Typ III dar, mit einer vertikalen Dislokation der Klavikula bzw. der Skapula um 100–300 % der Gegenseite.
  • In seltenen Fällen können subkorakoidale bzw. subakromiale Luxationen der lateralen Klavikula auftreten und werden als Typ VI klassifiziert (Rockwood et al. 1998).
Zwar gibt es keinen Goldstandard bei der Wahl der Röntgenaufnahmen, in unserem klinischen Alltag hat sich jedoch die Durchführung von unbelasteten a.p. Panoramaaufnahmen sowie von beidseitigen Alexander-Aufnahmen bewährt (Pogorzelski et al. 2017).
Belastungsaufnahmen werden nicht standardmäßig durchgeführt, da sie oft keinen zusätzlichen klinischen Nutzen erbringen, aber wesentlich schmerzhafter als unbelastete Aufnahmen sind.
Ergibt sich im Rahmen der initialen klinischen und radiologischen Diagnostik der Verdacht auf zusätzliche Begleitschäden (so tritt beispielsweise in bis zu 20 % der Fälle eine begleitende SLAP-Läsion auf), wird ergänzend zu den Röntgenuntersuchungen eine Magnetresonanztomografie (MRT) der Schulter durchgeführt (Markel et al. 2017).
Auch die Ultraschalluntersuchung stellt ein geeignetes Verfahren dar, um Verletzungen des Akromioklavikulargelenks oder Begleitverletzungen zu beurteilen. Da diese Untersuchung aber im Gegensatz zu anderen bildgebenden Verfahren in größerem Ausmaß von der Erfahrung des Untersuchers abhängig ist und somit ein nicht unerhebliches Risiko falschnegativer Befunde birgt, sollte eine Ultraschalldiagnostik ausschließlich von darin versierten Untersuchern durchgeführt werden.
Weiterführende Diagnostik wie die Computertomografie ist speziellen Fragestellungen, beispielsweise der Abklärung komplexer Begleitfrakturen, vorbehalten.

Therapie

Das grundlegende Ziel der ärztlichen Maßnahmen bei der Versorgung von ACG-Verletzungen ist die Wiederherstellung von Schmerzfreiheit und das Wiedererlangen der vollen Funktionalität der Schulter.
Die Entscheidung über ein konservatives oder ein operatives Vorgehen hängt maßgeblich von der Einteilung des Schweregrads der Verletzung anhand der Rockwood-Klassifikation ab. Akute Verletzungen von Typ I und II sind klassischerweise Domänen der konservativen Therapie. Typ-III-Verletzungen nehmen, wie bereits erwähnt, eine Sonderstellung in der Therapie der ACG-Verletzungen ein, da nach wie vor kein Konsens bezüglich ihrer optimalen Therapie herrscht. Aufgrund fehlender Evidenz für die Überlegenheit einer primär operativen Versorgung von diesen Verletzungen wird empfohlen, Typ-III-Verletzungen initial konservativ zu behandeln. Erst bei Beschwerdepersistenz nach einer mehrwöchigen Phase (3–6 Wochen) konsequenter physiotherapeutischer Maßnahmen ist von einem instabilen Typ IIIb auszugehen, der dann ein sekundär operatives Prozedere erforderlich macht (Beitzel et al. 2014a).
Typ IV, V und VI sind mit einem hohen strukturellen Schaden verbunden, sodass üblicherweise eine operative Versorgung dieser Verletzungen indiziert ist (Balke et al. 2015; Beitzel et al. 2013).
Diese Vorgehensweise stellt jedoch nur eine Hilfestellung dar, wohlwissend, dass ein starrer Therapiealgorithmus der Komplexität und Heterogenität besonders der Verletzungen vom Typ III nicht gerecht wird. Somit müssen bei jeder therapeutischen Entscheidung auch das individuelle Risikoprofil und der körperliche Anspruch der Patienten mitberücksichtigt werden.

Konservative Therapie

Allgemeine konservative Therapiekonzepte für ACG-Verletzungen sehen eine initiale, kurzfristige Immobilisierung der Schulter mit einer anschließenden frühfunktionellen Behandlung vor (Cote et al. 2010). Das eigene Therapieschema fußt weitgehend auf einem von Gladstone et al. (1997) entwickelten Rehabilitationsprogramm für Athleten nach akuter ACG-Verletzung.
In der frühen posttraumatischen Phase steht der Schutz der verletzten Schulter sowie die Reduktion von Schwellungen und Schmerzen durch Immobilisation in einer geeigneten Armschlinge im Vordergrund. Antiphlogistische und analgetische Maßnahmen (z. B. Kryotherapie, NSAR) können ergänzend in der Akutphase und nach Bedarf durchgeführt werden. Zur Vermeidung von Atrophien und kapsulären Adhäsionen erfolgen bereits frühzeitig symptomadaptierte aktive (geschlossene Kette) und passive Bewegungsübungen (z. B. Kreisel- und Pendelbewegungen). Im Folgenden liegt der Schwerpunkt der Behandlung auf der Verbesserung und Wiederherstellung der glenohumeralen und besonders der skapulothorakalen Beweglichkeit, um die Entstehung pathologischer, die Rehabilitation prolongierender Bewegungsmuster zu vermeiden. Hierbei wird besonders auf Detonisierungsübungen der ventralen Schultermuskulatur (vor allem M. pectoralis minor) und Kräftigungsübungen der skapulären Muskulatur (vor allem M. serratus anterior und M. trapezius) Wert gelegt. Es folgen isometrische Kräftigungsübungen sowie statisches und dynamisches Krafttraining steigender Intensität bis hin zu sportartspezifischen Übungen (Cools et al. 2007).
Verschiedene Arbeiten konnten zeigen, dass mit den geeigneten Rehabilitationsmaßnahmen bereits nach 6 Wochen bei einem Großteil der Patienten mit einer deutlichen Verbesserung der Kraft und der Beweglichkeit der Schulter zu rechnen ist (Carbone et al. 2015). Grundsätzlich empfehlen wir aber, die Dauer der Rehabilitation sowie die Steigerung der Intensität der einzelnen Belastungen interindividuell und symptomorientiert zu gestalten.

Operative Therapie

Unter den zahlreichen beschriebenen Operationstechniken zur Versorgung akuter ACG-Verletzungen existiert bis heute kein Goldstandard. Viele der angewandten offen-chirurgischen und arthroskopischen Verfahren zeigen vergleichbare subjektive und radiologische Ergebnisse und unterscheiden sich teilweise nur in ihren spezifischen Komplikationen (Beitzel et al. 2013; Beitzel et al. 2014b).
Zwei grundlegende Konzepte der operativen Versorgung von ACG-Verletzungen sollten jedoch für ein bestmögliches postoperatives Ergebnis berücksichtigt werden. So ist aus biomechanischen Studien einerseits bekannt, dass nur die Kombination aus akromioklavikulärer und korakoklavikulärer Stabilisierung eine maximale Rotations- und Translationsstabilität im AC-Gelenk gewährleistet werden kann und andererseits, dass anatomische Stabilisierungsverfahren nicht anatomischen Verfahren überlegen sind (Tauber et al. 2009).
Nach unserer Erfahrung können akute ACG-Verletzungen (<3 Wochen) der Typen I und II in der Regel erfolgreich konservativ behandelt werden, während bei akuten ACG-Verletzungen der Typen IV, V und VI die operative Versorgung die Methode der Wahl darstellt.
Bei Patienten mit einer Typ-III-Verletzung nach Rockwood ist in den meisten Fällen ein konservatives Prozedere mit frühfunktioneller Beübung ausreichend. Erst bei Beschwerdepersistenz nach 3–6 Wochen trotz adäquater konservativer Maßnahmen (Typ IIIb) oder bei Patienten mit einem hohen beruflichen oder sportlichen Anforderungsprofil empfehlen wir ein operatives Vorgehen.
Dabei hat sich heute weitgehend das minimalinvasive, arthroskopisch-assistierte Verfahren für die operative Versorgung von ACG-Verletzungen gegenüber offenen Verfahren (z. B. mit Hakenplatte) durchgesetzt. Diese Vorgehensweise ermöglicht zum einen im Rahmen der arthroskopischen Diagnostik die Beurteilung und Mitversorgung glenohumeraler Begleitverletzungen, und zum anderen kann somit durch die Wahl geeigneter arthroskopischer Fixierungsmethoden eine Folgeoperation zur Materialentfernung vermieden werden.
Der Eingriff erfolgt in Beachchair-Lagerung, wobei darauf geachtet wird, den Kopf etwas zur Gegenseite zu neigen und zu drehen, um die spätere Platzierung der transklavikulären Bohrkanäle zu erleichtern. Wir beginnen mit der diagnostischen Arthroskopie über das posteriore Standardportal, um mögliche Begleitverletzungen identifizieren zu können. Dann erfolgt die arthroskopische Präparation des Korakoids über ein tiefes anterolaterales und ein anterolaterales Portal im Rotatorenintervall (Abb. 2). Da wir eine 30°-Optik verwenden, wird für eine bessere Visualisierung das anterolaterale Portal transtendinös (Supraspinatus) unter Schonung der kartilaginären Strukturen und der Bizepssehne angelegt (Abb. 3a, b). Dabei ist auch besonders auf eine Unversehrtheit des Rotatorenkabels zu achten. Falls keine Begleitverletzungen mitbehandelt werden müssen, wird hier die Arthroskopie beendet.
Über einen Längsschnitt im Verlauf der lateralen Klavikula wird die AC-Gelenkkapsel eröffnet. Nachdem mögliche Repositionshindernisse (z. B. Discus articularis) beseitigt wurden, werden 2 Ösendrähte horizontal und parallel zum AC-Gelenk durch das laterale Ende der Klavikula sowie das Akromion vorgebohrt und 2 Shuttlefäden eingeführt. Mithilfe der Shuttlefäden wird eine Fadenkordel zum Beispiel boxförmig über dem AC-Gelenk eingezogen, sodass der spätere Knoten dorsal des Gelenks zu liegen kommen kann. Dann wird das AC-Gelenk mechanisch (mithilfe des Armhalters) reponiert und gegebenenfalls mit einem intraartikulären Kirschner-Draht von lateral temporär fixiert und die Reposition mit dem Bildwandler kontrolliert.
Für die korakoklavikuläre Stabilisierung erfolgt zunächst die Darstellung der Klavikula über einen Hautschnitt entlang der gedachten Verbindungslinie zwischen den Ansätzen des Lig. trapezoideums und des Lig. conoideums. Dann wird das AC-Zielgerät über das anteriore Portal unter den Korakoidbogen platziert und von kranial kommend transklavikulär zentral durch die Korakoidbasis vorgebohrt (Abb. 4 und 5). Nach radiologischer Kontrolle der zentralen Lage wird ein Shuttlefaden eingezogen. Nun erfolgt das Einziehen zweier Fadenbänder über das tiefe anterolaterale Portal durch das Korakoid und nach kranial durch die Klavikula und die Fixierung mithilfe zweier Titanplättchens an der kaudalen Seite des Korakoidbogens und kranial an der Klavikula (Abb. 6). Zum Schluss erfolgt die Naht der AC-Gelenkskapsel, der deltotrapezoiden Faszie sowie der Verschluss der Fadenkordel der ACG-Cerclage (Abb. 7). Falls anfangs ein temporärer Kirschner-Draht eingebracht wurde, wird dieser nun entfernt und ein Abschlussröntgenbild zur Kontrolle der Reposition durchgeführt. Abschließend erfolgt der schichtweise Wundverschluss, Hautdesinfektion und die Anlage eines sterilen Pflasterverbands sowie der Armschlinge.

Zeitpunkt der ACG-Versorgung

Der beste Zeitpunkt für die Versorgung von ACG-Verletzungen ergibt sich aus der Annahme, dass nach wenigen Wochen das körpereigene Heilungspotenzial der verletzten Strukturen weitgehend aufgebraucht ist und Vernarbungen zusehends die intraoperative Reposition des AC-Gelenks erschweren. Daher raten wir bei der operativen Versorgung von frischen ACG-Verletzungen zu einem zeitnahen Vorgehen innerhalb der ersten 3 Wochen (Maier et al. 2016; Weinstein et al. 1995).
Um im Falle von chronischen Verletzungen des AC-Gelenks (>3 Wochen) bzw. nach primär fehlgeschlagenen akuten ACG-Rekonstruktionen persistierende Instabilitäten zu verhindern, verwenden wir zusätzlich zu der allogenen Stabilisierung eine autologe Sehnenaugmentation (z. B. Gracillis- und Semitendinosussehnengraft). Bei der Einteilung in akute und chronische Verletzungen sollte jedoch berücksichtigt werden, dass die Grenze von 3 Wochen als Richtwert zu interpretieren ist, da in einigen Fällen auch nach 3 Wochen noch eine Rekonstruktion ohne Sehnenaugmentation möglich sein kann.

Komplikationen

Die heute üblichen operativen Operationstechniken stellen allesamt Routineeingriffe dar und bergen somit nur ein geringes Risiko für relevante perioperative Komplikationen. Da es sich bei diesen Eingriffen aber um elektive Prozeduren handelt, müssen die Patienten in ihrem Aufklärungsgespräch ausführlich über die relevanten allgemeinen und spezifischen Operationsrisiken informiert werden.

Allgemeine Komplikationen

  • Infektionen
  • Blutungen und Thrombosen
  • Gefäß- und Nervenschäden (A./V. subclavia, Plexus brachialis)
  • Postoperative Schwellung und Schmerz
  • Überschießende Narbenbildung

Operationsspezifische Komplikationen

Im Folgenden sind relevante Komplikationen aufgeführt, die im Rahmen der operativen Stabilisierung des AC-Gelenks auftreten können, wobei zu berücksichtigen ist, dass sich die Inzidenzen der Komplikationen zwischen den verschiedenen Operationstechniken teilweise erheblich unterscheiden (Moatshe et al. 2018):
  • Repositionsverlust
  • Frakturen (besonders des Korakoids)
  • Wechsel auf ein alternatives/offenes Verfahren
  • Irritationen durch einliegendes Fremdmaterial/Revisionsoperationen

Nachbehandlung

Für die ersten 6 postoperativen Wochen ist das Tragen eines Schulterabduktionskissens vorgesehen. Die Belastung wie auch das Bewegungsausmaß sollen stufenweise gesteigert werden:
  • Innerhalb 48 h: bedarfsgerechte Analgesie und Kryotherapie, erste passive Mobilisierung der Schulter unter physiotherapeutischer Aufsicht
  • 1.–2. postoperative Woche: passive Bewegungsübungen (Abduktion/Flexion 30°, Innenrotation 80°, Außenrotation 15°)
  • 3.–4. postoperative Woche: aktiv-assistierte Bewegungen (Abduktion/Flexion 45°, Innenrotation 80°, Außenrotation 30°
  • 5.–6. postoperative Woche: aktive Bewegungen (Abduktion/Flexion 60°, Innenrotation/Außenrotation frei)
  • Ab der 7. Woche freie Beweglichkeit und schrittweise Aufbelastung
  • Nach 3 Monaten volle Belastbarkeit
Regelmäßige Wundkontrollen und Verbandswechsel bis zum Fadenzug nach 10–14 Tagen. Klinische und radiologische Verlaufskontrolle nach 6 Wochen und 6 Monaten (Abb. 8 und 9). Hierzu empfehlen wir neben der klinischen Untersuchung die Durchführung einer unbelasteten a.p. Panoramaaufnahme und einer unilateralen Y-Aufnahme der operierten Schulter.

Postoperative Ergebnisse

Die bisherigen Daten zu den Ergebnissen nach einer ACG-Verletzung sind vielversprechend. Beitzel et al. (2013) stellten in ihrer Analyse mehrerer Studien zu diesem Thema fest, dass 88 % der operativ und 85,5 % der konservativ versorgten Patienten nach einer ACG-Verletzung gute bis sehr gute klinische Ergebnisse erreichten. Zudem gelang den Patienten nach konservativer Versorgung der Wiedereinstieg in die Arbeit bzw. eine Rückkehr zum Sport erwartungsgemäß früher als den operierten Patienten.
Vor dem Hintergrund einer Wiederherstellung der Sportfähigkeit konnte in einer aktuellen Übersichtsarbeit außerdem gezeigt werden, dass Patienten selbst nach hochgradigen ACG-Verletzungen postoperativ ausgezeichnete Ergebnisse erreichten („return to sport“ 94–100 %; „return to preinjury level of sport“ 64–100 %). Allerdings wurden in dieser Arbeit nur solche Studien berücksichtigt, die explizite Angaben zur postoperativen Sportfähigkeit der Patienten machten, weshalb eine gewisse Verzerrung der tatsächlichen Sachlage denkbar ist. So weist Tae Kam Ling in seinem „editorial commentary“ zu Recht darauf hin, dass besonders in Arbeiten mit höheren Komplikationsraten unter Umständen auch eine niedrige „Return to sport“-Rate zu erwarten gewesen wäre (Kay et al. 2018; Lim 2018).
Dennoch kann anhand der bisherigen Datenlage und aus eigener klinischer Erfahrung auch bei größeren Instabilitäten (Rockwood III–VI) postoperativ von einer hohen Patientenzufriedenheit ausgegangen werden. Das individuelle Leistungsniveau sowie die ausgeübte Sportart (z. B. Überkopf- vs. Nichtüberkopfsportart) sollten allerdings bei den Prognosen über die postoperative Sportfähigkeit Berücksichtigung finden.
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