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01.09.2017 | Gesundheitspolitik | Nachrichten

Interview

Kodierrichtlinien: "Eine echte Entlastung im Praxisalltag"

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Dr. Gerhard Schillinger, Leiter des Stabs Medizin beim AOK-Bundesverband, nennt Gründe für einheitliche Kodierrichtlinien in der Arztpraxis.


Ärzte Zeitung: Seit dem Up-Coding-Bekenntnis von TK-Chef Jens Baas steht der Vorwurf im Raum, Ärzte würden auf Drängen der Kassen Diagnosen manipulieren. Gibt es keine klaren Regeln, wann welche Krankheit zu kodieren ist?

Dr. Gerhard Schillinger: Dass Ärzte absichtlich eine Krankheit kodieren, die der Patient nicht hat, halte ich für abwegig. Erst recht, wenn der Vorgang dazu dienen soll, Krankenkassen mehr Geld zu verschaffen. Allerdings zeigen sich in unseren Abrechnungsdaten große Unterschiede bei den Diagnosehäufigkeiten, die nur noch schwerlich mit regional unterschiedlichen Krankheitslasten erklärbar sind. Vermutlich hat die große Varianz mit der uneinheitlichen Kodierpraxis zu tun. Deshalb setzen wir uns seit Langem für bundesweit einheitliche Kodierrichtlinien ein.

Aber bedeuten Kodierrichtlinien nicht noch mehr Bürokratie für Ärzte?

Ärzte kodieren ihre Diagnosen auch heute schon. Und angesichts der fortschreitenden Digitalisierung des Gesundheitswesens werden einheitliche Kodierrichtlinien immer wichtiger. Sie können die Basis vernetzter Versorgungsstrukturen bilden. Nehmen Sie den breiten politischen und gesellschaftlichen Wunsch nach einer elektronischen Patientenakte. Dort kann man die Daten nur dann sinnvoll verbinden, wenn die Diagnosekodierungen zwischen den Sektoren und Regionen vergleichbar sind. Dazu müssen aber alle Beteiligten unter einem ICD-Code dasselbe verstehen.

Und wie lassen sich Kodierrichtlinien sinnvoll in den ärztlichen Praxisalltag integrieren?

Das funktioniert dann gut, wenn die Verschlüsselung gemäß Kodierrichtlinien durch die Praxisverwaltungssoftware effektiv unterstützt wird. Eine solche Unterstützung war schon 2011 beim ersten Anlauf für Kodierrichtlinien geplant, sie wurde aber nach Rücknahme der gesetzlichen Verpflichtung nicht mehr umgesetzt. Mit klaren Regeln, wann welcher ICD-Code zu verwenden ist, schaffen wir die Grundlage für eine sinnvolle Software-Unterstützung bei der Kodierung. Am Ende könnten sich Kodierrichtlinien im Praxisalltag als echte Entlastung erweisen. (hom)

Weitere Infos zu den Eckpunkten
www.aok-bv.de

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