Radiologen warnen vor Gelenkschäden durch Kortikoidspritzen

Kortikoidspritzen ins Hüft- oder Kniegelenk sind möglicherweise riskanter als gedacht, warnen Radiologen aus Boston und Erlangen. Nach rund 460 Injektionen lag die Komplikationsrate bei 8%; dabei fanden sich Osteonekrosen, subchondrale Insuffizienzfrakturen und ungewöhnlich rasch fortschreitende Arthrosen. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Die intraartikuläre Kortikosteroidspritze zählt zu den häufigsten Maßnahmen bei Arthroseschmerzen in Hüft- oder Kniegelenk; allerdings sind sich Orthopäden möglicherweise zu wenig bewusst, was sie damit im Gelenk anrichten können, so das Fazit einer Studie aus Boston, an der auch deutsche Forscher von der FAU Erlangen-Nürnberg beteiligt waren. Die Radiologen wollten wissen, was sich in den Knie- bzw. Hüftgelenken von Patienten abgespielt hatte, die sich nach der Injektion aufgrund von fortbestehenden oder erneut aufgetretenen Beschwerden noch einmal einer Bildgebung unterzogen hatten. Im Auswertungsjahr 2018 wurden an der Bostoner Universitätsklinik insgesamt 459 entsprechende Injektionen durchgeführt, 307 in die Hüfte und 152 ins Knie. Laut Dr. Andrew J. Kompel und Kollegen wurden die Spritzen in allen Fällen leitliniengerecht unter Ultraschallkontrolle verabreicht; darin enthalten war eine Kombination aus Triamcinolon, Lidocain und Bupivacain. Nach median sieben Monaten wurden 241 Patienten, die sich erneut in der Klinik vorgestellt hatten, mit bildgebenden Verfahren (Röntgen, MRT) untersucht. Die Patienten waren im Mittel 57 Jahre alt. In 36 Fällen (8% aller Teilnehmer) konnten dabei Schäden im Gelenk festgestellt werden, die nach Einschätzung der Experten möglicherweise mit der Injektion in Zusammenhang standen. Rapide Verschmälerung des Gelenkspalts Unter den radiologischen Befunden dominierte eine Sonderform der Arthrose, bei der sich der Gelenkspalt besonders rasch verschmälert (Rapid Progressive Osteoarthritis, RPOA, Typ 1). Diese betraf 6% aller Teilnehmer. In knapp 1% waren sogenannte SIF (subchondrale Insuffizienzfrakturen) nachweisbar; diese gelten als Folge relativer Überlastung bei dichte- oder strukturgemindertem Knochen. Ausgehend von einem Knochenmarködem kommt es dabei, vor allem am medialen Femurkondylus, zu fortschreitenden Knocheneinbrüchen und verstärktem Gelenkspaltverlust. Bei den übrigen Patienten zeigten sich Osteonekrosen oder Gelenkdestruktionen mit nachweisbarem Knochenverlust (RPOA Typ 2). „Wir wissen nicht genau, ob die beobachteten Schäden zum Zeitpunkt der Injektion bereits im Gange waren oder ob sie eine Folge oder Komplikation der Injektion selbst darstellen“, räumen Kompel und sein Team ein. In jedem Fall seien die Befunde gravierend: Insbesondere bei einer nicht rechtzeitig erkannten SIF bestehe die Gefahr, dass die Gelenkoberfläche so weit kollabiert, dass ein Gelenkersatz notwendig wird. Die RPOA Typ 1 wird mit Knorpelverlust, Meniskusrissen sowie mit der Bildung von Knochenmarködemen in Verbindung gebracht. Generell sind das Ausmaß der Osteonekrosefläche sowie das damit assoziierte Knochenmarködem Prädiktoren für Einbrüche der Gelenkfläche. An der Heilung gehindert? Die Injektionen könnten den Forschern zufolge verhindert haben, dass bereits vorbestehende Schäden abheilten. Die primäre konservative Behandlung der SIF beruht vor allem auf der Entlastung des Gelenks. Durch die Steroide verspüren die Patienten jedoch weniger Schmerzen; infolgedessen neigen sie dazu, das Gelenk noch stärker zu belasten – was in diesem Fall eindeutig kontraproduktiv ist. Nach Kompel et al. legen die Ergebnisse nahe, die Bildgebung vor intraartikulären Steroidinjektionen relativ niedrigschwellig einzusetzen, da sonst die Gefahr bestehe, den Krankheitsverlauf negativ zu beeinflussen. Ultraschallbefunde wie ein übermäßiger Gelenkerguss, größere Ansammlungen von Débris im Gelenkspalt, eine verdickte Synovia oder deutlich vaskularisiertes Weichgewebe in der Doppler-Sonografie sollten an einen aktiven intraartikulären Prozess (z. B. SIF) denken lassen, so die Forscher. Unter diesen Umständen solle man nicht gleich spritzen, sondern zunächst eine MRT zur genaueren Beurteilung erwägen. Zur Zurückhaltung mahnen die Experten auch bei subtil ausgeprägten Osteonekrosen: Durch die Steroidinjektion könnten diese sich ausbreiten und letztlich zum Kollabieren der Gelenkfläche führen. Aus klinischer Sicht sei erhöhte Vorsicht insbesondere bei Patienten mit plötzlichen Veränderungen des Schmerzcharakters angebracht, die sich durch den Röntgenbefund nicht erklären lassen: „Hier kann eine MRT vor einer geplanten Injektion hilfreich sein, um der eigentlichen Ursache auf die Spur zu kommen.“ Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie hoch ist das Risiko, dass sich eine Gelenkarthrose nach intraartikulärer Steroidinjektion verschlimmert? Antwort: Nach 459 Injektionen ins Hüft- bzw. Kniegelenk fanden sich in 36 Fällen relevante radiologisch nachweisbare Schäden. Bedeutung: Die Injektionen könnten ursächlich für die Schäden gewesen sein oder auch verhindert haben, dass bereits bestehende Schäden abheilen konnten. Einschränkung: Beobachtungsstudie; nur radiologische Befunde berücksichtigt; Kausalzusammenhang nicht belegt; kleine Fallzahl.

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