Britische Forschende gingen der Frage nach, ob es bei der Zementierung von Hüft-Hemiendoprothesen wirklich ein Gemisch aus zwei Antibiotika zur Verhinderung von tiefen Infektionen braucht.
Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.
Intrakapsuläre Hüftfrakturen werden meist mit einer Hemiendoprothese behandelt, die lediglich den Hüftkopf ersetzt und per Zement im Knochen befestigt wird. Noch ist nicht abschließend geklärt, welche Form der Antibiotikabeladung am besten geeignet ist, um eine schwerwiegende postoperative Komplikation, die tiefe Infektion am Eingriffsort (deep surgical site infection, SSI), zu verhindern. So suggerieren einige Studien, die hochdosierte doppelte Beladung des Zements mit einem Gemisch aus Gentamycin und Clindamycin schütze besser vor SSI als Gentamycin allein. Demgegenüber stehen Warnungen vor antibiotikaresistenten Infektionen und renaler Toxizität als Folge der Doppelbeladung.
Eine britische Forschungsgruppe um Nickil R. Agni hat die beiden Antibiotikabeladungen nun in der randomisiert-kontrollierten Studie World Hip Trauma Evaluation (WHiTE) 8 verglichen. Mit 4.936 Beteiligten aus 26 Zentren ist sie die bislang größte Analyse zu der Forschungsfrage. Zwischen 2018 und 2021 hat das Team über 60-jährige Patientinnen und Patienten mit intrakapsulären Hüftfrakturen, die für eine Hemiendoprothese vorgesehen waren, in die Studie aufgenommen. Sie wurden im Verhältnis 1:1 entweder dem Standardverfahren (Einfachbeladung mit 0,5 g Gentamycin pro 40 g Zement) oder der hochdosierten Doppelbeladung (1 g Gentamycin + 1 g Clindamycin pro 40 g Zement) zugeteilt. Frauenanteil (67%) und mittleres Alter (83 Jahre) waren in beiden Gruppen ähnlich. Der primäre Studienendpunkt war als das Auftreten von SSI 90 Tage nach der Randomisierung definiert. Zur Auswertung standen noch 4.406 Beteiligte zur Verfügung.
Kein Vorteil für die Doppelbeladung
Insgesamt wurde bei 1,5% der Teilnehmenden eine SSI beobachtet. Davon gehörten 1,7% (38/2.187) zur Gruppe mit einfacher und 1,2% (27/2.219) zu der mit hochdosierter doppelter Antibiotikabeladung. Rein numerisch deutete sich damit zwar ein Vorteil der Doppelbeladung an – statistisch gesehen war dieser aber bedeutungslos (Odds Ratio 1,43; 95%-KI 0,87–2,35, p = 0,16). Die einfache Beladung steht ihr also in Sachen SSI-Risiko in nichts nach. Gleiches gilt für die Mortalitätsrate nach 120 Tagen, einen sekundären Endpunkt der Studie (adjustierte Odds Ratio 1,06; 95% KI 0,92–1,23).
Das Kernresultat der WHiTE-8-Studie widerspricht vorangegangenen Untersuchungen, die einfach antibiotikabeladenem Knochenzement einen Nachteil bezüglich des SSI-Risikos attestierten: Zuletzt berichtete eine Gruppe im Jahr 2019 in einer gemischten pro- und retrospektiven Studie mit 206 Beteiligten von Endoprotheseninfektionen in 2,9% der Fälle beim Einsatz von einfach beladenem Zement und keinem Fall bei hochdosierter Doppelbeladung [Savage P et al. Ann R Coll Surg Engl. 2019;101:514-8].
Ein Schritt in Richtung Antibiotikareduktion
Nicht zu vernachlässigen ist jedoch, dass dem WHiTE-Team rund 10% der Beteiligten für die Auswertung nicht mehr zur Verfügung standen. Dies war zwar im Studiendesign einkalkuliert – gewisse Verzerrungen können jedoch nicht ausgeschlossen werden.
„Unsere Studie liefert keine Beweise zugunsten von mit zwei hochdosierten Antibiotika beladenem Zement verglichen mit einfach beladenem Zement für über 60-Jährige mit intrakapsulärer Hüftfraktur“, schreiben die Forschenden. Sie hoffen, dass ihre Ergebnisse in zukünftigen Leitlinien zum Krankheitsbild Eingang finden. Saad Tarabichi und Javad Parvizi von der Thomas Jefferson University in Philadelphia schreiben der Studie in einem begleitenden Editorial sogar das Potenzial zu, „unnötige Antibiotikagaben erheblich zu reduzieren“ [Tarabichi S, Parvizi J. Lancet 2023;402(10397):162-3].
Das Wichtigste in Kürze |
Frage: Ist die hochdosierte duale Antibiotikabeladung von Knochenzement beim Einbau von Hüft-Hemiendoprothesen zur Therapie von intrakapsulären Hüftfrakturen bei über 60-Jährigen der Einfachbeladung in Bezug auf tiefe Infektionen am Eingriffsort (SSI) überlegen? Antwort: Es wurden keine Hinweise auf eine reduzierte Rate von SSI gefunden. Bedeutung: Die Ergebnisse könnten zum reduzierten Einsatz von Antibiotika bei orthopädischen Eingriffen und damit zu einer verbesserten Anitibiotic Stewardship beitragen. Einschränkung: Hoher Verlust an Beteiligten im Follow-up, kurze Follow-up-Zeit, Definition der Infektion fraglich. |