Kniegelenkersatz mit Tourniquet: Mehr Schaden als Nutzen!

Die Verwendung eines Tourniquets beim Kniegelenkersatz erhöht laut einer Cochrane-Forschergruppe das Risiko schwerwiegender Komplikationen. Nennenswerte Vorteile scheint die Blutleere nicht zu haben, weder im Hinblick auf das Op.-Ergebnis noch auf die Patientenzufriedenheit. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Der gute Überblick über das Operationsfeld, den man sich beim Kniegelenkersatz durch Anwenden eines Tourniquets verschafft, wird möglicherweise durch ein signifikant höheres Risiko schwerwiegender Komplikationen erkauft, so das Ergebnis einer Cochrane-Analyse. An der von Forschern der Universität Warwick in Großbritannien durchgeführten Studie waren 2819 Patienten beteiligt. Die Daten stammen aus 41 randomisierten kontrollierten Studien, die bis März 2020 an Kliniken in Europa, USA, Australien und Asien gelaufen waren. Komplikationen um 70% häufiger Mit Tourniquet betrug die Rate schwerer Zwischenfälle wie Lungenembolie, Beinvenenthrombose oder Infektion zusammengenommen 5,9%, in der Vergleichsgruppe ohne Tourniquet dagegen nur 2,9%. Damit wäre das Risiko einer schweren Komplikation unter Verwendung eines Abbindesystems um relative 73% erhöht, so Imran Ahmed und sein Team. Die Forscher errechneten auch, dass man ein schwerwiegendes Ereignis zusätzlich verhindern könnte, wenn man 48 Patienten ohne Tourniquet operierte. Steuerbare Abbindesysteme werden in der Knieendoprothetik auch in Deutschland häufig eingesetzt. Durch das Operieren in Blutleere soll nicht nur ein besserer Überblick über das Op.-Feld erreicht, sondern auch der intraoperative Blutverlust minimal gehalten werden. Dazu gab es in der Vergangenheit jedoch teilweise widersprüchliche Studiendaten, wobei die Ergebnisse auch davon abhingen, ob man die Blutsperre zur Blutstillung während der Operation eröffnete oder nicht. Kein Einfluss auf Therapieerfolg Die aktuelle Auswertung der Cochrane-Gruppe legt nahe, dass das Operieren mit Abbindesystem „keinen klinisch relevanten Nutzen in Bezug auf Funktion, Therapieerfolg oder Lebensqualität“ habe. Die Funktion wurde durch Zusammenlegen zweier Scores, des Knee Society Score und des Oxford Knee Score geprüft. Nach einem Jahr zeigte sich kein nennenswerter Unterschied: Ohne Tourniquet betrug der Wert 90 Punkte (von optimal 100) auf der Gesamtskala, mit dem System im Mittel nur 0,3 Punkte weniger. Von 1000 Implantaten mussten in der Tourniquet-Gruppe allerdings 19 innerhalb von zwei Jahren ausgetauscht werden; ohne intraoperative Blutleere waren es lediglich 9 von 1000. Dies entspräche einem um relative 44% höheren Revisionsrisiko. Die Evidenz sei jedoch aufgrund der äußerst niedrigen Ereignisrate sehr gering, betonen Ahmed et al., sodass man letztlich nicht sagen könne, ob die Verwendung eines Tourniquets die Revisionsrate beeinflusse oder nicht. Etwas mehr Schmerzen Die Schmerzen in der Gruppe mit Tourniquet waren am ersten Tag nach dem Eingriff geringfügig stärker, der Wert lag auf einer 10-Punkte-Skala bei median 5,8 gegenüber 4,6 Punkten (höhere Werte stehen für stärkere Schmerzen). Nach Ahmed und Kollegen ist es allerdings fraglich, ob ein derart geringer Unterschied überhaupt spürbar wäre. Für die Patienten selbst schien es jedenfalls kaum einen Unterschied zu machen, ob sie mit oder ohne Tourniquet operiert wurden. Mit 94% in beiden Gruppen war die Rate der Teilnehmer, die sich nach einem halben Jahr „extrem“ oder „sehr“ zufrieden zeigten, hoch. Fazit der Forscher: Der Einsatz von Tourniquets bringt beim Kniegelenkersatz wahrscheinlich wenig Nutzen, dafür aber möglicherweise deutlich mehr Risiken als das Vorgehen ohne Blutleere. Dies, so die Wissenschaftler, müsse man im Vorfeld mit dem Patienten diskutieren. Als Operateur mache man sich zwar immer Sorgen um den intraoperativen Blutverlust und die Verankerung des Implantats im Knochen. Röntgenstudien hätten jedoch gezeigt, dass diese Probleme bei Verzicht auf das Tourniquet weniger ins Gewicht fielen als gedacht. Auch endoprothetische Eingriffe an Hüfte oder Schulter würden in der Regel sicher durchgeführt, obwohl ein Abbinden bei diesen Operationen gar nicht möglich sei. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie verhalten sich Schaden und Nutzen beim Einsatz von Tourniquets in der Knieendoprothetik? Antwort: Mit Tourniquet zu operieren ist wahrscheinlich mit einem erhöhten Risiko schwerer Nebenwirkungen verbunden. Bedeutung: Würde man bei der Kniegelenkersatz-Op. routinemäßig auf die Blutleere verzichten, ließen sich wahrscheinlich zahlreiche schwerwiegende Ereignisse vermeiden. Einschränkung: Literaturübersicht

Springer Medizin

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