Tebentafusp – die erste spezifische Therapieoption bei uvealem Melanom

Tebentafusp von Immunocore ist die erste zugelassene Therapieoption mit neuartiger Wirkungsweise zur Behandlung des inoperablen oder metastasierten uvealen Melanoms. Das Fusionsprotein stellt eine immunologische Synapse zwischen Krebszellen und T-Zellen her, wodurch die Zerstörung des Tumors aktiviert wird. Tebentafusp ist ein bispezifisches Fusionsprotein, das T-Zellen unabhängig von ihrer Spezifität zu Melanomzellen lenkt und über die Ausbildung einer immunologischen Synapse die Lyse der gebundenen Tumorzelle induziert. Immunocore × >>Mehr zum Galenus-von-Pergamon-Preis Metastasierende, von Melanozyten ausgehende Tumoren gehören zu den aggressivsten Krebsarten beim Menschen. Das uveale Melanom (Aderhautmelanom) kommt in Deutschland zwar lediglich mit einer Inzidenz von etwa 5/1.000.000 Menschen vor, ist aber die häufigste primäre Augenkrebserkrankung bei Erwachsenen. Bis zu 50 Prozent der Patientinnen und Patienten entwickeln systemische Metastasen; meist streut der Tumor in die Leber. Bei metastasiertem uvealem Melanom betrug die Lebenserwartung bislang weniger als ein Jahr. Mit keiner Therapie war es gelungen, die Gesamtüberlebenszeit zu verbessern. Bispezifisch mit dualer Funktion Tebentafusp (Kimmtrak®) ist ein Orphan Drug zur Monotherapie von erwachsenen Patientinnen und Patienten mit inoperablem oder metastasiertem uvealem Melanom, die positiv für das humane Leukozyten-Antigen (HLA)-A*02:01 sind. Es ist in der Europäischen Union seit April 2022 zugelassen und seit Mai 2022 in Deutschland verfügbar. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Medikament im Oktober 2022 Anhaltspunkte für einen beträchtlichen Zusatznutzen attestiert. Das Arzneimittel wird als Monotherapie angewendet und nach der Eindosierungsphase einmal wöchentlich per intravenöser Kurzinfusion verabreicht. Bei dem Wirkstoff handelt es sich um ein bispezifisches Fusionsprotein mit einem T-Zell-Rezeptor und einer Effektordomäne. Die Substanz bildet auf diese Weise eine immunologische Synapse zwischen Tumorzelle und T-Zelle, wodurch der maligne Tumor für das Immunsystem zugleich sichtbar und direkt zerstörbar wird. Sterberisiko mehr als halbiert Zulassungsrelevant waren eine Dosisfindungsstudie (IMCgp100-01) [1], eine klinische Phase-I/II-Studie mit 127 Patientinnen und Patienten (IMCgp100-102) [2, 3] und eine offene Phase-III-Studie mit 378 Patientinnen und Patienten (IMCgp100-202). Im Gegensatz zu den beiden erstgenannten Studien waren die Patientinnen und Patienten in IMCgp100-202 zuvor unbehandelt [4]. Die Erstlinientherapie mit Tebentafusp wurde 2:1 randomisiert mit einer Therapie der Wahl der Prüfärztinnen bzw. -ärzte (Pembrolizumab, Ipilimumab oder Dacarbazin, off-label) verglichen – bis zur Krankheitsprogression oder bis zum Auftreten unzumutbarer Toxizität. Bereits nach der ersten Interimsanalyse der Phase-III-Studie mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 14,1 Monaten war die geschätzte mediane Gesamtüberlebenszeit (primärer Endpunkt) unter Tebentafusp signifikant länger als unter der Vergleichstherapie (21,7 Monate versus 16,0 Monate, Hazard Ratio [HR] 0,51; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,37–0,71; p < 0,0001). Bislang hatten Patientinnen und Patienten mit Metastasen im Median nicht länger als sechs bis zwölf Monate überlebt. Auch bei Patientinnen und Patienten, die innerhalb der ersten 100 Tage als bestes Gesamtansprechen ein Fortschreiten der Erkrankung erreichten, war die geschätzte mediane Gesamtüberlebenszeit länger (15,3 Monate versus 6,5 Monate; HR 0,43; 95%-KI 0,27–0,68). Das Sterberisiko konnte somit um 57 Prozent reduziert werden. Das geschätzte progressionsfreie Überleben (sekundärer Endpunkt) verlängerte sich unter Tebentafusp ebenfalls signifikant gegenüber der Vergleichstherapie (3,3 Monate versus 2,9 Monate, HR 0,73; 95%-KI 0,58–0,94; p = 0,01). Bestätigt werden konnten diese Resultate durch aktualisierte Daten aus der IMCgp100-102-Studie bei Patientinnen und Patienten mit zuvor bereits behandeltem, metastasiertem uvealem Melanom. Davon erreichten 42 (33 Prozent) eine Gesamtüberlebenszeit von 24 Monaten und mehr. 79 Prozent wurden über das Fortschreiten der Krankheit hinaus behandelt. Im Median sprachen die Patientinnen und Patienten in den beiden Studien etwa neun bis zehn Monate auf die Behandlung mit Tebentafusp an. Sicherheit und Verträglichkeit In der Studie IMCgp100-202 trat bei 89 Prozent der Behandelten ein Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS) auf, das durch Fieber, Hypotonie und Hypoxie gekennzeichnet ist. Diesem kann mit intravenösen Flüssigkeitsgaben als Prämedikation vorgebeugt werden. Ein CRS tritt in der Regel innerhalb weniger Stunden nach den ersten drei Gaben auf, meist mit einem Schweregrad von eins oder zwei von insgesamt fünf Stufen. Das CRS führte nur selten zum Absetzen der Behandlung (1,2 Prozent). Bei 57 Prozent der mit Tebentafusp behandelten Patientinnen und Patienten traten die behandlungsbedingten unerwünschten Wirkungen in den ersten vier Wochen auf. Häufigkeit und Schweregrad nahmen bei wiederholter Gabe ab. Insgesamt führten Nebenwirkungen bei vier Prozent zum permanenten Absetzen von Tebentafusp, mindestens eine Dosisänderung war bei 4,2 Prozent erforderlich [5]. (ner) Tebentafusp bildet eine immunologische Synapse Tebentafusp ist ein bispezifisches Fusionsprotein aus der Gruppe der ImmTACs (immune-mobilising monoclonal T-cell receptors against cancer). Diese neuartigen immunstimulierenden Moleküle bestehen aus einem T-Zell-Rezeptor (TCR), der mit einem T-Zell-bindenden Antikörperfragment verbunden ist. Der TCR ist die Steuerdomäne, die mit hoher Affinität an ein gp100-Peptid auf der Zelloberfläche von Tumorzellen des uvealen Melanoms (gp100/HLA-A*02:01-Komplex) bindet. Das Antikörperfragment ist die Effektordomäne, die an den CD3-Rezeptor polyklonaler T-Zellen bindet. Dadurch bildet sich eine immunologische Synapse. Diese immunologische Synapse führt zur Aktivierung der gebundenen T-Zellen, und zwar unabhängig von deren ursprünglichen TCR-Spezifität. Die durch Tebentafusp aktivierten polyklonalen T-Zellen setzen inflammatorische Zytokine und zytolytische Proteine frei. Dies führt zur direkten Lyse der Tumorzellen. Neuartige Immuntherapeutika aus der Tech-Hochburg Oxford Branche: Die Biotech-Company Immunocore geht auf das Spin-off „Avidex“ (1999) der Universität Oxford zurück. 2006 wurde Avidex von Medigene übernommen, zwei Jahre später folgte mithilfe privater Investoren die Ausgründung einer Handvoll Pipelineprojekte unter dem Namen Immunocore. Unternehmenszweck ist die Entwicklung neuartiger Immunmodulatoren auf Basis rekombinanter T-Zell-Rezeptoren, die mit Antikörperfragmenten fusioniert sind. Potenzielle Indikationen sind Krebs, Infektionskrankheiten und Autoimmunerkrankungen. Seit 2021 ist das Unternehmen an der NASDAQ notiert. Namhafte F&E-Partner heißen Genentech, Lilly bzw. AstraZeneca. Derzeit arbeiten etwa 400 Personen für Immunocore. Das Krebsmittel Tebentafusp ist das erste eigene Produkt. Umsatz und Gewinn: 2022 wurden aus Produktverkäufen 140 Millionen Dollar erlöst. Weitere 32,5 Millionen Dollar steuerten Kooperationsleistungen zum Gesamtumsatz bei. Der Jahresverlust summierte sich auf 49,8 Millionen Dollar. F&E-Ausgaben: Die F&E-Investitionen werden 2022 mit knapp 107,7 Millionen Dollar beziffert. Laut Unternehmen wird mit weiterhin steigenden Forschungsaufwendungen gerechnet. Pipeline: Aktuell weist Immunocore zwölf laufende klinische Projekte aus – überwiegend in onkologischen Indikationen. Am weitesten gediehen (Beginn Phase III) ist die Indikationserweiterung „fortgeschrittenes Melanom“ für Tebentafusp. Zudem wird ein immunmobilisierender T-Zell-Rezeptor („IMC-F106C“) gegen gleich mehrere PRAME-positive Tumorarten getestet. Diese Versuche befinden sich aber allesamt noch in frühen Stadien. Darüber hinaus sind bereits Dosisfindungsstudien mit weiteren Immunmodulatoren gegen HIV sowie Hepatitis B abgeschlossen. (cw) Quelle: ÄrzteZeitung

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