Multiple Sklerose: Absetzen von Natalizumab birgt erhebliches Rückfallrisiko

Patientinnen mit schubförmig remittierender Multipler Sklerose, die ihre Medikation mit dem Integrin-α4-Inhibitor Natalizumab aufgrund einer Schwangerschaft absetzen, sind erheblich rückfallgefährdet. Aufklärung darüber ist unabdingbar. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Es gibt einige Belege dafür, dass Schwangerschaften und auch späteres ausschließliches Stillen des Kindes positiv auf den Krankheitsverlauf von Frauen mit multipler Sklerose (MS) wirken. Wie sich angesichts dessen das Rückfallrisiko von Frauen ausnimmt, die gegen schubförmig remittierende MS (RRMS) mit dem monoklonalen Antikörper Natalizumab behandelt werden und ihre Therapie aufgrund einer (geplanten) Schwangerschaft absetzen, haben Forscher um Kerstin Hellwig von der Ruhr-Universität Bochum überprüft. Das Ergebnis zusammengefasst: Signifikante rückfallbedingte Behinderungen traten bei mehr als 10% der Frauen auf. In die prospektive Kohortenstudie flossen Daten des Deutschsprachigen Multiple Sklerose und Kinderwunsch Registers (DMSKW) von 255 Frauen mit 274 Schwangerschaften ein. Sie waren an RRMS erkrankt, hatten Natalizumab erhalten und die Medikation vor der Schwangerschaft oder während des ersten Trimesters abgesetzt. 66,8% der untersuchten 274 Schwangerschaften waren noch während der Gravidität von MS-Rückfällen betroffen oder ein solches Rezidiv folgte im Jahr danach. Die Häufigkeit schwerer Rückfälle lag bei 16,1%. Solche waren mit Zunahmen von mindestens zwei Punkten auf der Expanded Disability Status Scale verknüpft und bedeuteten beispielsweise, dass vorher normal gehfähige Frauen nun Gehbehinderungen aufwiesen; oder dass leichter Gehbehinderte nun einen Stock, ein Gehgestell, einen Rollator oder Rollstuhl benötigten. Potenziell lebensbedrohliche Rückfälle ereigneten sich in 1,1% der Schwangerschaften. Schwangerschaft als solche schützt nicht Ein Jahr nach der Geburt hatten 10,6% der Schwangerschaften mit abgesetztem Natalizumab eine signifikante Behinderung der Mutter zur Folge. Besonders schwer traf es drei Frauen, die bettlägerig wurden, zwei von ihnen im Pflegeheim. Empfehlung der Redaktion Aktuelle News & Übersichten Themenseite Multiple Sklerose Auf der Themenseite Multiple Sklerose halten wir Sie über die häufigste chronisch-entzündliche ZNS-Erkrankung bei jungen Erwachsenen auf dem Laufenden. Schwangerschaft als solche erwies sich nicht als schützender Faktor, Rückfälle während der Schwangerschaft waren jedenfalls nicht signifikant seltener als solche in der Periode post partum. Auch ausschließliches Stillen half nicht, ebenso wenig rasches Wiederansetzen von Natalizumab innerhalb von vier Wochen nach der Geburt. Letzteres galt zumindest für die ersten sechs Monate nach der Entbindung. Auf das erste postpartale Jahr gesehen war die Fortsetzung der Natalizumabtherapie binnen vier Wochen aber mit einem um rund die Hälfte erniedrigten Rezidivrisiko assoziiert. „Die Befunde dieser Kohortenstudie legen nahe, dass 10% der Frauen, die Natalizumab aufgrund einer Schwangerschaft absetzen, klinisch bedeutsame Behinderungen davontragen“, schreiben Hellwig und Mitarbeiter. Darüber müssten Frauen mit RRMS unter Natalizumab, die sich mit dem Gedanken an eine Schwangerschaft tragen, informiert werden. Das hohe Risiko von Rückfällen und Behinderungen mit Bezug zur Schwangerschaft müssten gegen die teils unklaren Risiken einer fortgeführten Therapie oder eines Übergangs zu einer Depletionstherapie abgewogen werden. Das Wichtigste in Kürze Frage: Was bedeutet es für ihr Rückfallrisiko, wenn Frauen mit schubförmig remittierender MS eine Therapie mit Natalizumab schwangerschaftsbedingt absetzen? Antwort: Das Rückfallrisiko von Frauen mit MS ist nach Absetzen von Natalizumab beträchtlich, die Rückfälle enden für zehn Prozent der Frauen in klinisch relevanten Behinderungen bis hin zur Bettlägerigkeit. Bedeutung: Frauen mit MS unter Natalizumab, die schwanger sind oder werden möchten, müssen über das hohe Risiko von Rückfällen und Behinderungen nach Absetzen der Medikation informiert werden. Gegen dieses Risiko sind die Risiken einer fortgeführten Therapie bzw. einer alternativen Depletionstherapie abzuwägen. Einschränkung: Die Teilnahme am DMSKW-Register ist freiwillig, ein Selektionsbias zugunsten aggressiverer Verläufe nicht ausgeschlossen.

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