miRNA eignet sich offenbar fürs MS-Monitoring

Blutproben könnten verraten, was gerade im Gehirn von MS-Patienten passiert. So markieren einige Mikro-RNA neurodegenerative, andere entzündliche Prozesse. Manche wiederum deuten auf protektive Mechanismen. Das MRT liefert bei MS-Patienten recht gute Einblicke in die pathologischen Prozesse: T2-hyperintensive Areale sind zwar nicht krankheitsspezifisch, zeigen aber verlässlich die entzündlichen, demyelinisierenden Foci. Persistierende T1-hypointense Läsionen („black holes“) wiederum deuten spezifisch auf die irreversible Zerstörungen von Hirngewebe. Die T1-Gesamtlast und der Anteil von T2-Läsionen mit schwarzen Löchern korrelieren sehr gut mit körperlichen Behinderungen, Lebensqualität und dem Risiko für Arbeitslosigkeit, berichten Neurologen um Dr. Keren Regev von der Harvard Medical School in Boston. Hinzu kommt die Bestimmung des Gesamthirnvolumens und des Volumens der grauen Substanz. Je ausgeprägter die Atrophie, umso stärker die körperlichen und kognitiven Defizite. Läsionslokalisierung möglich Allerdings ist das MRT noch immer relativ aufwändig und teuer und damit für eine kontinuierliche Überwachung der subklinischen Krankheitsaktivität wenig geeignet. Besser wäre es, Ärzte könnten die inflammatorischen und neurodegenerativen Vorgänge im Gehirn anhand von Biomarkern im Blut ablesen. Das Team um Regev hat geschaut, ob Mikro-RNA (miRNA) dafür geeignet ist. Die kurze genregulatorische RNA ist relativ stabil und lässt sich inzwischen sehr präzise im Serum, Plasma und Liquor nachweisen. Regev und Mitarbeiter schauten bei MS-Kranken, ob sich über das miRNA-Profil ähnlich gute Aussagen zum ZNS-Zustand und zur MS-Aktivität ergeben wie per MRT. In ihrer retrospektiven Untersuchung analysierten die Forscher das Serum von 120 Patienten aus zwei Kohorten einer MS-Beobachtungsstudie. Bei allen Patienten waren regelmäßig MRT-Aufnahmen gemacht und Blutproben entnommen worden. Mit speziellen Diagnostik-Kits bestimmten sie die Konzentrationen von rund 1400 verschiedenen miRNA im Serum und verglichen die Ergebnisse mit den MRT-Aufnahmen und neurologischen Defiziten der Patienten. Wie erwartet, korrelierten auch in dieser Untersuchung die MRT-Marker für eine destruktive Pathologie signifikant mit dem EDSS-Wert: Je größer das T1/T2-Verhältnis und je ausgeprägter die Atrophie der grauen Substanz, umso höher der Grad der Behinderungen. Dagegen ergab sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen T2-Läsionsvolumen und EDSS-Wert. Die Forscher um Regev konnten zeigen, dass auch einige der miRNA sehr gut mit dem Parenchymvolumen und dem Volumen der grauen Substanz korrelieren, andere wiederum mit der T2-Läsionslast. Die höchsten Werte für die Spearmankorrelation lagen bei rund 0,5 sowie –0,5. Ein Wert von 1 markiert eine perfekte positive, ein Wert von –1 eine vollständige negative Korrelation, bei Werten um 0 besteht kein Zusammenhang. Die US-Neurologen konnten zudem Unterschiede bei der Lokalisation feststellen: Bei Läsionen im Gehirn und solchen im Rückenmark offenbarten sich jeweils andere miRNAs. Demnach ließe sich anhand des miRNA-Profils feststellen, ob ein inflammatorischer oder neurodegenerativer Prozess aktiv ist, und ob der Schwerpunkt im Gehirn oder Rückenmark liegt. Marker zur Stadieneinteilung? Für zwei miRNA fanden sie eine signifikant positive Korrelation mit dem T1/T2-Verhältnis: Ihre Konzentrationen waren bei sehr aktiver Neurodegeneration erhöht. Bei vier miRNA entdeckten sie eine signifikant negative Korrelation – hohe Werte dieser RNAs deuten also auf eine geringe Neurodegeneration und eine protektive Umgebung. Ähnliche Zusammenhänge sahen sie bei den anderen MRT-Parametern. Allerdings wurde das Signifikanzniveau nur ohne den „Fehlalarm-Abgleich“ (False Discovery Rate, FDR) erreicht. Berücksichtigten die Forscher die zu erwartende FDR, ergab sich kein signifikanter Zusammenhang mehr mit einem der MRT-Parameter. Die FDR-Adjustierung berücksichtigt, dass mit zunehmender Zahl der Tests (in diesem Fall 1400 miRNA) die Wahrscheinlichkeit für ein falsch positives Ergebnis steigt und die Nullhypothese verworfen wird. Hier müssen also weitere Untersuchungen zeigen, ob die Zusammenhänge tatsächlich bedeutsam sind. Einen signifikanten Zusammenhang auch nach dem FDR-Abgleich gab es immerhin beim EDSS-Wert in einer der beiden Kohorten: Sechs miRNA deuten auf einen geringen, eine auf einen hohen Behinderungsgrad. Fürs Monitoring wären diese RNA jedoch kaum relevant, sie könnten sich eher zur besseren Stadieneinteilung eignen – und als Surrogatmarker in Therapiestudien. Auswirkungen auf die Behinderungsprogression wären damit künftig vielleicht besser zu erfassen als mit der recht groben EDS-Skala. Zunächst müssen die Forscher in Studien mit gesunden Kontrollen und anderen ZNS-Erkrankten aber zeigen, wie zuverlässig und MS-spezifisch ihre RNA-Marker sind.

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