Nach erstem Schub: Antibiotikum bremst MS

Das Antibiotikum Minocyclin verzögert offenbar den Übergang von einem klinisch isolierten Syndrom in eine Multiple Sklerose: Nach sechs Monaten hatten in einer kleinen Studie nur halb so viele Patienten eine MS wie mit Placebo. Auf dem ECTRIMS-Kongress in Barcelona sorgten vor zwei Jahren erste Resultate einer Studie zur MS-Therapie mit dem Antibiotikum Minocyclin für eine kleine Überraschung. Nun hat ein Team um Dr. Luanne Metz von der Cumming School of Medicine in Calgary die kompletten Ergebnisse der Untersuchung veröffentlicht. Danach kann das primär zur Aknetherapie verordnete Antibiotikum die Entwicklung einer klinisch manifesten MS deutlich bremsen. In der Studie waren 142 Patienten entweder mit Minocyclin oder Placebo behandelt worden. Alle Patienten hatten in den sechs Monaten vor Studienbeginn ein erstes demyelinisierendes Ereignis (klinisch isoliertes Syndrom, CIS), aber nach den McDonald-Kriterien von 2005 noch keine Multiple Sklerose. Knapp 30% erfüllten jedoch die revidierten McDonald-Kriterien von 2010. Nach diesen genügt etwa der Nachweis einer gleichzeitig bestehenden Gd-anreichernden und nicht anreichernden Läsion, um eine zeitliche Dissemination zu bestätigen. Die Teilnehmer waren im Schnitt 36 Jahre alt, das T2-Läsionsvolumen lag im Mittel bei rund 1700 mm3. 72 Patienten erhielten zweimal täglich 100 mg Minocyclin – eine Dosierung, wie sie auch in der Aknetherapie üblich ist, die übrigen 70 bekamen Placebo. CIS-Patienten in der Placebogruppe hatten etwas häufiger spinale Läsionen, auch war der Anteil von Betroffenen mit multiplen Läsionen signifikant höher. Nur halb so viele MRT-Läsionen Behandelt wurde 24 Monate oder so lange, bis nach den alten McDonald-Kriterien von 2005 eine MS diagnostiziert werden konnte. Primärer Endpunkt war die MS-Inzidenz nach sechs Monaten. Diesen erfüllten 23 Patienten unter Minocyclin sowie 41 unter Placebo. Damit hatten nur halb so viele Patienten mit dem Antibiotikum eine manifeste MS entwickelt (33 versus 61%). Wurde die Läsionszahl zum Studienbeginn berücksichtigt, war der Unterschied bei der MS-Inzidenz mit 43 versus 62% zwar geringer, aber immer noch statistisch signifikant. Nach zwei Jahren zeigten sich hingegen keine statistisch belastbaren Unterschiede mehr: Unter Minocyclin waren 55%, unter Placebo 72% der Patienten in eine MS konvertiert, nach Berücksichtigung der ursprünglichen Läsionszahl lag der Unterschied bei 63 versus 74%. Die Zahl neuer im MRT sichtbarer Läsionen war nach sechs Monaten unter Minocyclin ebenfalls nur halb so hoch wie mit Placebo, nach zwei Jahren gab es jedoch auch hier keine belastbaren Unterschiede mehr. Unter Minocyclin wurden die erwarteten Nebenwirkungen beobachtet: 15% der Behandelten entwickelten Hautausschläge, 8% Zahnverfärbungen und 14% klagten über Benommenheit. Solche Effekte traten unter Placebo gar nicht oder deutlich seltener auf. Sechs der Minocyclinpatienten sowie einer unter Placebo brachen die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen vorzeitig ab. Vergleichbare Effektgröße wie mit MS-Therapeutika Nach Ansicht der Ärzte um Metz legt die von der kanadischen MS-Gesellschaft finanzierte Studie nahe, dass Minocyclin die Konversion eines CIS in eine MS nach den alten McDonald-Kriterien verzögert. Die Therapieeffekte lägen in einer vergleichbaren Größenordnung wie in Studien mit Interferon beta, Teriflunomid oder Cladribin. Minocyclin gehört zu den Tetrazyklinen und wird relativ gut vertragen. Zu den schweren und seltenen Nebenwirkungen zählen ein Pseudotumor cerebri sowie Hypersensibilisierungssyndrome. Mit Jahrestherapiekosten von etwa 550 Euro wäre das Generikum natürlich wesentlich günstiger als die klassischen Immunmodulatoren (15.000 – 20.000 Euro). Ob das Aknemittel tatsächlich ähnlich gut wirksam und mindestens so gut verträglich ist, müsste nun jedoch in größeren Vergleichsstudien geprüft werden. Die wird es vermutlich aber nie geben, da in einigen Jahren auch die ersten oralen Immunmodulatoren generisch erhältlich sein werden.

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