Wirksamkeit von Telotristatethyl bestätigt

Bei einigen Patienten mit gastroenteropankreatischen neuroendokrinen Tumoren mit Karzinoid-Syndrom führt die Erstlinientherapie mit Somatostatin-Analoga nicht zu einer ausreichenden Kontrolle der Diarrhö. Seit Herbst 2017 können diese Patienten von einer Zusatztherapie mit Telotristatethyl profitieren. Deren Wirksamkeit und Verträglichkeit bestätigen aktuelle Daten der TELECAST-Studie [1]. Bei der Behandlung von Symptomen gastroenteropankreatischer neuroendokriner Tumoren ist die Gabe von Somatostatin-Analoga (SSA) erste Wahl [2]. Allerdings lässt sich mit der Erstlinientherapie nicht bei allen Patienten das durch tumorale Serotonin-Sekretion verursachte Symptom Diarrhö in ausreichendem Maße kontrollieren. In solchen Fällen steht für die Behandlung der Karzinoid-Syndrom-bedingten Diarrhö Telotristatethyl (Xermelo®) zur Verfügung. Telotristatethyl reduziert die Produktion von Serotonin in neuroendokrinen Tumorzellen, indem es das Schlüsselenzym Tryptophanhydroxylase hemmt [3]. Die Blockade der Serotonin-Biosynthese unter Telotristatethyl spiegelt sich u.a. in reduzierten Werten des Serotonin-Abbauprodukts 5-Hydroxyindolessigsäure (5-HIES) wider [1]. Wirksamkeit und Verträglichkeit des oralen Tryptophanhydroxylase-Inhibitors wurden bereits in der Phase-III-TELESTAR-Studie belegt. Darin führte die Add-on-Gabe von Telotristatethyl zusätzlich zu SSA zu einer nachhaltigen Verbesserung der Karzinoid-Syndrom-bedingten Diarrhö und zeigte dabei ein günstiges Sicherheitsprofil [4]. Reduzierte 5-HIES-Werte Anfang 2018 wurden die Daten der Phase-III-Begleitstudie TELECAST publiziert. Sie bestätigen die Ergebnisse der TELESTAR-Studie und geben weitere Sicherheit bei der Verordnung [1]. Im Fokus standen zusätzliche wirksamkeits- und sicherheitsrelevante Aspekte für die Behandlung von Patienten mit einem Karzinoid-Syndrom. In die zwölfwöchige, doppelblinde, placebokontrollierte und randomisierte Behandlungsphase sowie die anschließende 36-wöchige offene Verlängerungsphase wurden 76 Patienten eingeschlossen, die einen gut differenzierten, metastasierten neuroendokrinen Tumor in Verbindung mit einem Karzinoid-Syndrom hatten. 93,4% der Patienten berichteten bei Studienbeginn von weniger als vier Stuhlgängen täglich, bis auf acht Studienteilnehmer wurden alle mit SSA behandelt. Die Patienten erhielten in der zwölfwöchigen Behandlungsphase entweder dreimal täglich 250 mg bzw. 500 mg* Telotristatethyl oder Placebo. Primäre Endpunkte waren die Veränderungen der 5-HIES-Werte im Urin in Woche 12 sowie die Inzidenz behandlungsbedingter unerwünschter Ereignisse. Während die 5-HIES-Ausscheidung im Urin unter Placebo (n=22) bis Woche 12 anstieg, sank sie unter 250 mg Telotristatethyl (n=17) um 33,2% und unter 500 mg Telotristatethyl (n=19) um 76,5% (Abb. 1). Auch hinsichtlich der Sicherheit bestätigten sich die Ergebnisse der TELESTAR-Studie: In Woche 12 waren unerwünschte Nebenwirkungen in der Regel nur leicht bis moderat ausgeprägt. Abb. 1: TELECAST-Studie: Absenkung der 5-HIES-Werte (modifiziert nach [1]) Springer Medizin Verlag GmbH × Stuhlfrequenz nachhaltig reduziert Darüber hinaus verringerte sich die Stuhlfrequenz bei 40% der Patienten in beiden Verumgruppen um 30% oder mehr – an mindestens der Hälfte der Tage der doppelblinden Behandlungsphase. Dies war vorab als dauerhaftes Ansprechen definiert worden. In der Placebogruppe gab es nach dieser Definition keine Patienten, die dauerhaft ansprachen [1]. Therapiebedarf oft unterschätzt Persistierende Diarrhöen schränken Betroffene in ihrer Lebensführung und Lebensqualität stark ein. Das Ausmaß der Belastung des Patienten ist den Ärzten aber häufig nicht vollumfänglich bewusst. So zeigt eine aktuelle Umfrage mit 538 Karzinoid-Syndrom-Patienten und 151 Behandlern, dass Ärzte sowohl die Frequenz der Symptome als auch die Belastung durch die Diarrhöen deutlich geringer einschätzen als die Patienten selbst [5]. Etwa 35% der Patienten mit einem intestinalen neuroendokrinen Tumor sind von einem Karzinoid-Syndrom betroffen [6]. Es ist Folge der tumoralen Sekretion großer Mengen an Serotonin und anderer vasoaktiver Produkte in den Blutkreislauf. Die Patienten leiden unter sekretorischer Diarrhö, Flush, Giemen/Bronchospasmus und Palpitationen bzw. einer Karzinoid-Herzerkrankung [7–9]. Besondere Relevanz für den Alltag der Patienten haben Diarrhöen mit 2 bis >12 Stuhlgängen pro Tag [10]. *Zur Zulassung führte die Dosis von dreimal täglich 250 mg. Interview Telotristatethyl: Wann ist die Add-on-Therapie indiziert? Prof. Dr. Marianne Pavel, Leiterin des Schwerpunkts Endokrinologie und Diabetologie, Universitätsklinikum Erlangen Universitätsklinikum Erlangen × Was kennzeichnet eine Karzinoid-Syndrom-bedingte Diarrhö? Pavel: Patienten mit einer Karzinoid-Syndrom-bedingten Diarrhö haben wegen der sehr häufigen Stuhlentleerungen einen besonders hohen Leidensdruck; sie sind sozial eingeschränkt und können normalen Aktivitäten nicht nachgehen. Wenn es gelingt, die Durchfallfrequenz zu senken und die Konsistenz des Stuhls zu normalisieren, hat dies einen erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität der Betroffenen. Dies unterstreichen auch die Patienten-Interviews im Rahmen der TELESTAR-Studie: Durch den Rückgang der Durchfälle unter Telotristatethyl werden Aktivitätsgrad und das emotionale Befinden der Patienten gebessert. Die Patienten können wieder aktiver am Leben teilnehmen. Wie schätzen Sie die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Telotristatethyl ein? Pavel: Wir haben die Substanz im Rahmen der Studien langjährig bei Patienten eingesetzt, bei denen Somatostatin-Analoga (SSA) nicht zu einer hinreichenden Kontrolle der Diarrhö-Symptomatik führten, und konnten eine signifikante Verbesserung der Durchfälle erzielen. Die TELESTAR-Studie – die erste placebokontrollierte Studie in dieser Indikation – erreichte ihren primären Endpunkt und zeigte in 44% der Fälle einen anhaltenden Vorteil, d.h. die tägliche Stuhlfrequenz war in mindestens der Hälfte des Beobachtungszeitraums um mindestens 30% reduziert. Telotristatethyl war dabei gut verträglich. Die Ergebnisse der TELECAST-Studie sind konsistent mit jenen der TELESTAR-Studie und untermauern die klinische Effektivität von Telotristatethyl. Die TELECAST-Daten konsolidieren das gute Sicherheitsprofil und geben Behandlern weitere Sicherheit beim Einsatz der Substanz. Für welche Patienten kommt eine Therapie mit Telotristatethyl infrage? Pavel: Telotristatethyl hemmt spezifisch die Synthese des durch den Tumor übermäßig sezernierten Serotonins. Deshalb ist es wichtig, nur diejenigen Patienten auszuwählen, deren Durchfallsymptomatik tatsächlich auf einem Überschuss an Serotonin beruht. Andere Diarrhö-Ursachen wie z.B. ein OP-bedingtes Kurzdarmsyndrom, der Verlust an Gallensäuren, eine bakterielle Überwucherung oder exokrine Pankreasinsuffizienz durch eine langjährige Therapie mit SSA sind auszuschließen. Die Differenzierung gelingt durch den Nachweis eines Tumors sowie von erhöhten 5-HIES-Spiegeln im 24-Stunden-Urin und eine entsprechende Anamnese. Zu welchem Zeitpunkt kann eine Zusatztherapie mit Telotristatethyl sinnvoll sein? Pavel: Die Erstlinientherapie bei klinischen Symptomen gastroenteropankreatischer neuroendokriner Tumoren sind SSA. Lässt sich damit keine ausreichende Symptomkontrolle erzielen, sehe ich bei einem stabilen Tumor entsprechend der Studienlage die Add-on-Gabe von Telotristatethyl als gute Zweitlinienoption an. Die dritte Stufe bilden invasive Verfahren. Grundsätzlich ist das Vorgehen aber immer individuell. Bei einer sehr hohen Tumorlast stehen Ansätze wie z.B. eine Embolisation oder chirurgische Eingriffe im Vordergrund. Bei Progression ist eine antiproliferative Therapie indiziert. In welchen konkreten Fällen würden Sie Telotristatethyl einsetzen? Pavel: Vornehmlich bei Patienten mit neuroendokrinem Tumor mit Leber- und/oder Lymphknotenmetastasen, die unter einer SSA-Therapie über einen längeren Zeitraum gut kontrolliert waren und deren Tumor stabil ist. Steigt bei diesen Patienten die tägliche Stuhlfrequenz im Verlauf an, ist Telotristatethyl eine gute Option. SSA hemmen die Serotonin-Ausschüttung aus der Tumorzelle. Warum bedarf es bei manchen Patienten einer zusätzlichen Kontrolle? Pavel: Hintergrund kann eine Tachyphylaxie sein, also eine zunehmende Insensitivität gegenüber SSA, aber auch eine minimale – kaum messbare – Zunahme der Tumormasse. Wird die Behandlungsbedürftigkeit der Diarrhö-Symptomatik immer richtig erkannt? Pavel: Durchfälle werden oft als banales Symptom wahrgenommen und von Ärzten nicht ernsthaft genug eingeschätzt. Auch der Leidensdruck der Patienten ist individuell sehr unterschiedlich, außerdem machen die meisten Patienten nicht eigenständig Angaben zu ihrer Stuhlfrequenz. Es ist also ganz wichtig, den Patienten diesbezüglich zu befragen. Ab welcher Stuhlfrequenz sollte man eine Behandlung einleiten? Pavel: In der Regel würde ich die Grenze bei drei und mehr Stühlen pro Tag ziehen, es können aber auch zwei sehr flüssige Stühle am Tag sein, die im Einzelfall zur Initiierung einer Therapie führen. Denn nicht nur die Anzahl der Stühle, sondern auch der damit verbundene Flüssigkeitsverlust sind entscheidend. Insbesondere bei Älteren sind mögliche Folgeschäden der Exsikkose wie Einschränkungen der Nierenfunktion, Kaliummangel, sekundärer Hyperparathyreoidismus und Osteomalazie relevant. Literatur Pavel M et al., Endocr Relat Cancer 2018, 25:309–322 Fachinformation Somatuline Autogel®, Stand: September 2017 Fachinformation Xermelo®, Stand: September 2017 Kulke MH et al., J Clin Oncol 2017, 35:14–23 Goldstein G et al., ASCO Quality Care Symposium 2017, Poster B6 Rorstad O, J Surg Oncol 2005, 89:151–160 Modlin IM et al., Lancet Oncol 2008, 9:61–72 Öberg KE, Ann Oncol 2010, 21 (Suppl 7):vii72–vii80 Vinik AI et al., Pancreas 2010, 39:713–734 DeVita V et al., Hrsg. Cancer: Principles and Practice of Oncology. 7. Aufl. Philadelphia, PA: Lippincott Williams & Wilkins, 2000 Impressum „Karzinoid-Syndrom-bedingte Diarrhö – Wirksamkeit von Telotristatethyl bestätigt“ Literaturarbeit und Interview Bericht: Monika Walter, München Artikel gedruckt in: Im Focus Onkologie, Band 21, Heft 6, Juni 2018 / Ärzte Zeitung für Onkologen und Hämatologen, Juni 2018 Mit freundlicher Unterstützung der Ipsen Pharma GmbH, Ettlingen Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Romy Greiner Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature. 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