Nierenkrebs: neue Waffen für die zweite Linie

In den vergangenen zehn Jahren sind die Therapieoptionen für Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom stetig gewachsen. Neben zusätzlichen Möglichkeiten bedeutet das auch neue Fragen: Was genau setzt man bei den einzelnen Patienten ein – und wann? Nach dem aktuellen „Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland“ erkranken hierzulande jährlich rund 5600 Frauen und 9400 Männer neu an Nierenkrebs. 2100 Frauen und 3400 Männer sterben daran. Die Prognose hängt dabei stark vom Stadium ab. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate beträgt 97% im Stadium I, 87% im Stadium II, 69% im Stadium III und 14% im Stadium IV – beim Vorliegen von Metastasen. Einen Aus- und Überblick zu den Möglichkeiten der Behandlung von Patienten mit metastasiertem Nierenzellkrebs hat kürzlich der Onkologe Rohit Jain vom Roswell Park Cancer Institute in Buffalo, New York, zusammen mit Kollegen vorgelegt. Die Wissenschaftler verweisen darin auf die prominente Rolle der Mutationen im Von-Hippel-Lindau-Gen (VHL) auf Chromosom 3 sowohl für erblichen wie auch für sporadischen Nierenzellkrebs. VHL ist ein Tumorsuppressorgen. Ist es inaktiv, wird der Hypoxie-induzierte Faktor hochreguliert, was eine Vermehrung angiogenetischer Peptide wie des Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF) zur Folge hat. Ein weiterer wichtiger Mechanismus beim Nierenzellkrebs führt über den PI3K/AKT/mTOR-Signalweg, der Metabolismus, Wachstum und Überleben von Zellen kontrolliert. Dieses Wissen um die molekularen Mechanismen hat Therapieansätze gegen das metastasierte Nierenzellkarzinom hervorgebracht, die auf VEGF-Rezeptor-Tyrosinkinaseinhibitoren (VEGF-TKI), Anti-VEGF-Antikörper wie Bevacizumab, mTOR-Inhibitoren und Checkpointhemmer wie Nivolumab zurückgreifen. Die sich weitenden Möglichkeiten der zielgerichteten und der Immuntherapie werfen aber das Problem auf zu klären, wann welches Mittel geeignet ist und in welcher Abfolge die einzelnen Substanzen gegeben werden sollten. Jain und Mitarbeiter haben deshalb die einschlägige Literatur zu diesem Thema nach Anhaltspunkten für die richtige Wahl durchkämmt. CheckMate 025 und METEOR Als eine Schwierigkeit bei der Suche nennen die Forscher den Mangel an Studiendaten zur optimalen Folgetherapie von Patienten, deren Tumoren nach einer Behandlung mit einem VEGF-TKI weiterwachsen. Der Erkenntnisfindung dienen hier vor allem die CheckMate-025- und die METEOR-Studie. „In CheckMate 025 hat Nivolumab das Therapieparadigma der Zweitlinientherapie von Patienten mit metastasiertem Nierenzellkrebs verändert, weil es gegenüber Everolimus einen Vorteil beim mittleren Gesamtüberleben behaupten konnte“, schreiben Jain et al. Einen Unterschied im progressionsfreien Überleben habe es jedoch nicht gegeben. Der Wirkmechanismus von Nivolumab, die verbesserte Lebensqualität und die verhältnismäßig geringe Toxizität machten es zu einem vielversprechenden Wirkstoff für die zweite Linie. In der METEOR-Studie fielen die Ansprechrate, das progressionsfreie und das Gesamtüberleben unter einer Zweitlinientherapie mit dem TKI Cabozantinib besser aus als unter Everolimus. Ein Vergleich von Nivolumab und Cabozantinib ergab Vorteile für Cabozantinib in den ersten fünf Behandlungsmonaten und danach für Nivolumab – für Jain und Kollegen ein Hinweis, dass Cabozantinib eher Patienten mit schlechter und Nivolumab eher Patienten mit besserer Prognose zugutekommen könnte. In der METEOR-Studie sei Cabozantinib bei Hochrisikopatienten hilfreich gewesen, während Nivolumab in CheckMate 025 für Patienten aller Gruppen – hochriskante eingeschlossen – einen Nutzen gehabt habe, so die Wissenschaftler. „Nivolumab oder Cabozantinib“ „Im gegenwärtigen Szenario mit verschiedenen Optionen kann entweder Nivolumab oder Cabozantinib als bevorzugtes Therapeutikum in der Zweitlinientherapie von Patienten eingesetzt werden, die zuvor eine gegen VEGF gerichtete Behandlung erhalten haben“, konstatiert das Onkologenteam um Jain. Für symptomatische Patienten oder solche mit hoher Krankheitslast sei Cabozantinib womöglich besser geeignet. Als weitere Möglichkeit, gegen metastasierten Nierenzellkrebs vorzugehen, nennen die Forscher die Kombination von Lenvatinib mit Everolimus. Das sieht hierzulande auch der Gemeinsame Bundesauschuss so, der dieser Kombination im März dieses Jahres einen (wenn auch geringen) Zusatznutzen im Vergleich zu Everolimus allein attestiert hat. Im Anwendungsgebiet „metastasiertes Nierenzellkarzinom“ sind in Deutschland über die bisher genannten Substanzen hinaus noch Aldesleukin, Interferon alpha-2a, Axitinib, Pazopanib, Sorafenib und Sunitinib zugelassen. Wie sie sich in die Therapiefolge fügen, ist unklar. Jain und sein Team verweisen zudem auf laufende Untersuchungen, etwa zu Kombinationen von TKI mit Immuntherapie und anderen neuen Wirkstoffen. Sie sind sicher, dass deren Resultate die Therapie des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms weiter verändern werden.

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