So häufig ist gastroösophagealer Reflux nach POEM

Eine aktuelle Studie blickt auf mögliche Komplikationen der peroralen endoskopischen Myotomie (POEM), im speziellen auf den gastroösophagealen Reflux. Bedeuten die Ergebnisse womöglich den Sargnagel für die POEM? Die Studie – für Sie kommentiert. Fragestellung Die perorale endoskopische Myotomie (POEM) ist ein relativ neues endoskopisches Verfahren zur Behandlung der Achalasie sowie anderer hyperkontraktiler Motiliatsstörungen des Ösophagus. Neben dem technischen Erfolg sind natürlich auch immer die Komplikationen einer Methode für den klinischen Erfolg ausschlaggebend. Eine grose Fallkontrollstudie nimmt sich nun der Frage des postinterventionellen gastroösophagealen Refluxes nach POEM an. Hintergrund Risikofaktoren für das Auftreten des gastroösophagealen Reflux (GERD) nach peroralen POEM sind gänzlich unbekannt. Das Ziel dieser Studie war Bestimmung der Prävalenz der Refluxösophagitis und der GERD nach POEM, und Evaluierung von Patientenfaktoren beziehungsweise untersuchungsspezifischen Variablen, die mit dem Auftreten der GERD nach POEM assoziiert sind. Patienten/Methodik Alle Patienten aus sieben Krankenhäusern (1 × Asien, 2 × USA, 4 × Europa), die eine POEM mit nachfolgender 24-Stunden-pH-Metrie (±obere Intestinoskopie) hatten, wurden in die Studie eingeschlossen. Die Patienten wurden dabei in zwei Gruppen eingeteilt: DeMeester Score > 14,72 (Studiengruppe) und DeMeester Score 14,72, die keine Protonenpumpeninhibitoren (PPI) einnahmen. Ergebnisse Insgesamt wurden 282 Patienten (48,2% weiblich, Kaukasier 84,8%, mittlerer BMI 24,1 kg/m2) in die Studie eingeschlossen. Ein klinischer Erfolg durch die POEM konnte bei 94,3% der Patienten erzielt werden. Die Evaluation einer GERD wurde komplettiert in einem medianen Follow-up von 12 Monaten. Ein DeMeester Score > 14,72 zeigte sich in 57,8% der Patienten. In der multivariaten Auswertung war dabei das weibliche Geschlecht der einzige unabhängige Risikofaktor (Odds Ratio, OR 1,69, 95% Konfidenzintervall, KI 1,04 – 2,74) für eine Post-POEM GERD. Keine untersuchungsabhängigen Variablen waren mit einer GERD assoziiert. Die obere Intestinoskopie erfolgte in 233 Patienten und dabei wiesen 54 (23,2%) der Patienten eine Refluxösophagitis (mehrheitlich Grad A oder B nach Los Angeles Klassifikation) auf. Die GERD war asymptomatisch in 60,1%. Schlussfolgerung Post-POEM GERD zeigte sich bei der Mehrheit der Patienten. Es wurden keine untersuchungsabhängigen Variablen identifiziert, die eine potentielle Veränderung des POEM Verfahrens erlauben. Kommentar von Prof. Jens J. W. Tischendorf Prof. Dr. Jens J. W. Tischendorf, Würselen × "Ist Reflux der Sargnagel für die POEM?" Immer wenn neue endoskopische Methoden eingeführt werden, ist die Begeisterung – vor allem der Endoskopiker – hoch. Bei aller Euphorie gilt es aber, neben der Effektivität einer Methode auch potenzielle Komplikationen zu kennen. Anhand der bisher publizierten Daten scheint die Rate schwerwiegender Nebenwirkungen erfreulicherweise nur sehr gering zu sein. Die Durchtrennung des unteren Ösophagussphinkters im Rahmen der POEM ist ein wichtiger Bestandteil der Therapie, aber damit wird auch ein wichtiger Mechanismus zur Prävention des gastroösophagealen Reflux geschwächt. Es stellt sich damit unweigerlich die Frage nach der Prävalenz des Reflux nach POEM. Möglicherweise ist der POEM-Patient von heute sogar der Barrett-Patient von morgen. Wir wissen es nicht. Leider gibt es zu diesem Thema keine qualitativ hochwertigen Untersuchungen. In dem hier referierten Paper handelt es sich um eine multizentrische Studie mit einer großen Patientenzahl, die im Gegensatz zu einigen anderen Studien den gastroösophagealen Reflux nach POEM methodisch sauber mit einer 24-Stunden-pH-Metrie gemessen hat. Dabei zeigt sich eine GERD bei 57,8% der Patienten. Ist damit die POEM zukünftig obsolet? Ich denke nein und das hat mehrere Gründe: 1. Auch bei dieser Studie handelt es sich um keine prospektive sondern nur um eine retrospektive Fallkontrollstudie. Auffallend ist, dass über 50% der Patienten, die ein POEM erhalten haben, aufgrund einer nicht erfolgten 24-Stunden-pH-Metrie nicht in die Studie eingeschlossen wurden. Möglicherweise waren das gerade die Patienten, die asymptomatisch waren, sodass hier ein relevanter Selektions-Bias vorliegen könnte und die Prävalenz der GERD deutlich überschätzt wird. Verglichen mit anderen Publikationen ist die Prävalenz der GERD nach POEM in der Tat sehr hoch in der hier referierten Arbeit. 2. Wie ist der Vergleich mit der chirurgischen Therapieoption der Heller-Myotomie zu bewerten? Der theoretische Vorteil der Heller-Myotomie ist die zusätzlich durchgeführte Hemifundoplikatio nach Dor, was der GERD vorbeugen soll. Dies scheint sich zunächst auch in den chirurgischen Studien zu bestätigen mit Refluxraten zwischen 20–30%, allerdings bei nur recht kurzem Follow-up. In Studien zur Heller-Myotomie mit mittlerem (2–5 Jahre) oder langem (> 5 Jahre) Follow-up sieht dies aber anders aus. Hier finden sich Refluxraten zwischen 50–60%, wobei die methodische Qualität der Refluxerfassung in der Regel sehr dürftig ist und sich zum Teil nur an Symptomen oder der Einnahme antazider Medikation orientiert. In einer der beiden Studien mit langen Follow-up nach Heller-Myotomie und Dor-Hemifundoplikatio wurden 67 Patienten eingeschlossen und in Abhängigkeit der Länge des Follow-up in drei Subgruppen (80–119, 120–239 und > 240 Monate) unterteilt [1]. Mit Verlängerung des Follow-up kommt es in der 24-Stunden-pH-Metrie auch zu einem Anstieg des nachweisbaren Reflux (15%, 28% und 53%). Sollte es in den derzeit noch nicht existierenden Langzeit-Followup-Daten zur POEM nicht zu einem weiteren Anstieg der GERD kommen, scheint die Refluxprävalenz für die endoskopische und chirurgische Therapie ähnlich zu sein. Dies werden allerdings erst zukünftige Daten zeigen können. Fazit Gastroösophagealer Reflux tritt sowohl nach chirurgischer Therapie (Heller-Myotomie mit Dor-Fundoplikatio) als auch nach endoskopischer Behandlung (POEM) in relevantem Maße auf. Langzeitdaten zur POST-POEM GERD fehlen derzeit noch. In der klinischen Praxis ist dieses Problem aber medikamentös gut zu behandeln. Weiterführende Literatur [1] Csendes A et al. Late results of a prospective randomised study comparing forceful dilatation and oesophagomyotomy in patients with achalasia. Gut 1989; 30: 299–304

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