Erschienen in:
01.02.2019 | Orthesen | Editorial
Funktionslehre: Nur „alter Wein in neuen Schläuchen“?
verfasst von:
Prof. Dr. M. Schmitter
Erschienen in:
wissen kompakt
|
Ausgabe 1/2019
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Auszug
Das Thema „Funktionslehre“ hat in den letzten Jahren eine ambivalente Entwicklung erfahren: Einerseits wird dieses Gebiet an einigen Universitäten nicht mehr vollumfänglich gelehrt, andererseits sehen sich Zahnärztinnen und Zahnärzte durchaus in nicht unerheblichem Umfang mit CMD-Patienten konfrontiert. Zusätzlich fließen funktionsrelevante Parameter zunehmend in den digitalen Workflow ein und setzen ein grundlegendes Verständnis dieses Themengebiets voraus. Diese Diskrepanz zwischen Lehre und Realität führt dazu, dass viele CMD-Patienten hilfesuchend von Praxis zu Praxis ziehen und sich auch an zweifelhafte Therapieangebote wie an den altbekannten Strohhalm klammern. Wenn diese Patienten Glück haben, geraten sie an einen Kollegen, der sich mit dem Thema „CMD“ intensiver befasst hat und somit eine befundorientierte Therapie anbietet. Leider ist jedoch in manchen Köpfen noch immer der uralte Spruch fest verankert: „Bei Patienten mit CMD muss so oder so eine Schiene her. Was kümmert mich da die Diagnose“. Andere denken, dass CMD-Patienten ohnehin immer psychosozial auffällig sind. Dies führt in beiden Fällen zu einer Homogenisierung dieses eigentlich sehr heterogenen Patientenkollektivs und endet im therapeutischen Pragmatismus – oder schlimmer noch: im Therapieverzicht. Doch in den letzten 15 Jahren haben sich dramatische Erweiterungen auf allen Gebieten der Funktionslehre vollzogen. So konnte u. a. die genaue Wirkungsweise von Schienen „entschlüsselt“, neue Therapieansätze entwickelt und Screeningverfahren etabliert werden, die es dem niedergelassenen Kollegen ermöglichen, schnell und zuverlässig CMD-Patienten zu identifizieren, die einen interdisziplinären Therapieansatz benötigen. Diese Neuerungen waren auch dringend notwendig, denn die Anzahl der von CMD betroffenen Patientinnen und Patienten ist in den letzten beiden Jahrzehnten nicht nur „gefühlt“, sondern auch objektiv betrachtet [
1] deutlich angestiegen. …