HPV-Impfung bei Jungen: Routine fehlt!

Die HPV-Impfung ist immunogen, sicher und wirksam auch bei Jungen und hat das Potenzial, eine große Krankheitslast bei beiden Geschlechtern zu verhindern. Die Prävalenz Humaner Papillomviren (HPV) unterscheidet sich bei Frauen und Männern. Während im Alter von 20-25 Jahren bis zu 50% aller Frauen HPV positiv sind und diese Rate zum 35. Lebensjahr hin auf 5-10% abfällt, wahrscheinlich Dank einer ausreichend starken erworbenen Immunität, sind Männer in allen Altersgruppen zu 40-60% HPV-positiv und entwickeln nur schwache Immunität. Dies gehört zur Verbreitungsstrategie des Virus, das einen effektiven Vektor zur Übertragung und Überbrückung der Generationen braucht, um möglichst viele Frauen zu infizieren. Während Condylomata vergleichbar häufig auftreten, sind HPV-assoziierte invasive Karzinome bei Männern insgesamt deutlich seltener als bei Frauen, bei denen das Zervixkarzinom den Hauptteil der Krankheitslast ausmacht. Allerdings ist es anders bei Kopf-Hals-Karzinomen, oder bei Risikopopulationen wie MSM, wenn man Analkarzinome betrachtet. Eine Impfung von Jungen vermittelte bei diesen Erkrankungen einen direkten Benefit, wenn man das Individuum betrachtet. Populationsbezogen kommt die Unterstützung einer Herdenimmunität hinzu, die indirekt Ungeimpfte schützt – und bei Impfung von Jungen wahrscheinlich einen Beitrag zum Schutz vor Gebärmutterhalskrebs bei Frauen leistet. Mit der erstaunlich hohen Effektivität der HPV-Impfstoffe könnten letztlich die Impfstoff-HPV-Typen vollständig aus der Population verdrängt werden. Einen Hinweis dazu liefern Daten aus Australien, wo die frühen und erfolgreichen Impfprogramme zu einer schnellen Abnahme an Condylomen und Dysplasien bei Frauen führten. Signifikante Effekte der Herdenimmunität wurden bei der Abnahme von Condylomen um über 70% auch bei ungeimpften jungen Männern beobachtet. Zwar ist die Kosteneffizienz der HPV Impfung bei den gegebenen Impfstoffpreisen bei der Impfung von Jungen deutlich schlechter als bei Mädchen, aber vor diesem Hintergrund erscheint es wichtig, auch Jungen in die Impfempfehlung einzubeziehen. Derzeit besagt die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) in Deutschland, Mädchen und Frauen im Alter von 9-17 Jahren mit 2 (Alter 9-14 Jahre) bzw. 3 Impfdosen (15-17 Jahre) zu immunisieren. Die drei zugelassenen und verfügbaren Impfstoffe sind jedoch von Beginn an (Gardasil; Gardasil9) oder neuerdings (Cervarix, seit 2016) auch zur Anwendung bei Jungen und Männern zugelassen. Anfänglich fehlten die Daten aus Zulassungsstudien für Jungen, da diese generell an jungen Frauen durchgeführt wurden, um die Endpunkte „präinvasive cervikale Dysplasien“ bestimmen zu können. Zudem wurde in Kosteneffektivitätsanalysen die vermeidbare Krankheitslast bei Männern meist vernachlässigt. Randomisierte klinische Studien belegten aber inzwischen die hohe Immunogenität, Sicherheit und Effektivität in der Verhinderung von Condylomen und analen präinvasiven Läsionen bei Männern – insbesondere bei MSM. Damit ist die evidenzbasierte Datenlage für eine Impfempfehlung geschaffen. Des Weiteren spielen Argumente zum gleichwertigen Beitrag und Benefit der Geschlechter eine Rolle. Mehrere Länder haben die HPV Impfung von Jungen bereits empfohlen. Dabei kann die Motivation unterschiedlich sein. In Australien soll der aktive immunologische Schutz auch auf die bisher nur indirekt durch Herdenimmunität geschützten Jungen ausgedehnt werden. In USA soll ein Schutz via Jungenimpfung auf die mit ca. 30% sehr ungenügend durchgeimpften Mädchen erreicht werden. Österreich und Schweiz haben die Impfung der Jungen hauptsächlich aus Gründen der Gleichbehandlung und Praktikabilität empfohlen. In Deutschland hat die Sächsische Impfkommission (SIKO) bereits 2012 die HPV-Impfung von Jungen empfohlen und die Kommission der S3 Leitlinie „Impfprävention HPV-assoziierter Neoplasien“ (www.hpv-impfleitlinie.de) hat ebenfalls die Impfung von Jungen begründet. Mit Durchimpfungsquoten von nur ca. 50% über das Altersspektrum von 9-17 Jahren bei Mädchen bleiben weiterhin 50% der Mädchen und jungen Frauen einem Infektions-Risiko ausgesetzt, da Jungen nicht geimpft und weiterhin Überträger sind. Während die meiste Krankheitslast, die verhindert werden soll, tatsächlich Frauen betrifft, ist die Infektion, die die Impfung tatsächlich verhindert, bei beiden Geschlechtern gleichermaßen vertreten, was die gleichwertige Impfung von Mädchen und Jungen begründen sollte.

Springer Medizin

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