Ringen um das beste Verfahren

Die Innovationskraft der interventionellen Kardiologie ist ungebrochen. Fast jedes größere Zentrum bietet inzwischen die transfemorale Implantation von Aortenklappen an, auch diverse komplexe Ablationstechniken bei Rhythmusstörungen. Aber nur, wer die handwerklichen Fähigkeiten als Kathetervirtuose gründlich erlernt und perfektioniert hat, kann reüssieren. Deshalb hat der PCI-Kongress in München solchen Erfolg: Die Kollegen wollen sehen, wie es geht, wie die Hürden zu überwinden sind und was im Notfall zu tun ist. Zu dieser zweiten fachübergreifenden Tagung kamen etwa 700 Kardiologen, Radiologen und einige Herzchirurgen, um die Liveübertragungen aus 20 Katheterplätzen oder Operationssälen mitzuverfolgen. Die Premierenveranstaltung 2008 hat offenbar großen Eindruck hinterlassen, sodass viele auf eine Wiederholung der lehrreichen Diskussionen hofften. Sie wurden keineswegs enttäuscht. Allerdings waren einige Strukturelemente der Premiere geändert, damit aber nicht unbedingt verbessert worden: Keine flexible Liveübertragung via DSL-Leitungen mehr, dafür die traditionellen Satellitenübertragungen, was die Bilder zwar brillanter erstrahlen ließ, das Zeitkorsett jedoch enger schnürte und dadurch manche spannende Diskussion abwürgte. Ein origineller Fortschritt waren die „Quintessenz“-Statements der beteiligten Disziplinen, etwa beim aktuellen Thema „Hybridinterventionen“. Wie Kardiologen und Herzchirurgen ihre jeweilige Rolle in dieser Paartherapie, z. B. bei der Implantation von Aorten- oder Mitralklappen, sehen, ist Neuland im Reich der kranken Herzen, das kam in den Schlusskommentaren plastisch heraus. Kernfrage: Stimmt die Indikation? Immer wieder provozierten die vorgestellten Livefälle lebhafte und lehrreiche interdisziplinäre Diskussionen, häufig ging es um die Kernfrage: Stimmt eigentlich die Indikation? Hier war man sich nicht immer einig, was ein Grundsatzproblem darstellt. Wird die Indikation nicht doch sehr häufig aus dem Blickwinkel der Subspezialisten gestellt? Der Charme der PCI-Tagungen ist das Miterleben, wie die Spezialisten um das beste Verfahren für den individuellen Patienten ringen. Dass sich hier evtl. die Radiologen mit den Kardiologen und die Herzchirurgen mit beiden in die Haare geraten, zeigt, wie sehr die Entwicklung der neuen Techniken im Fluss ist. Hightech-Labors leisten in der Rhythmustherapie Beispielhaftes, aber auch im OP-Saal werden neue Verfahren geprüft und verbessert, manchmal aber auch wieder verworfen. Der Fortschritt besteht aber nicht nur in den immer raffinierteren Verfahren, sondern zum großen Teil auch im Miteinanderreden; das Konsilium alter Prägung erfährt hier eine Wiederbelebung. Die Frage ist nur, wie objektiv Experten sein können, denen u. U. nicht einmal auffällt, dass sie vom okulomotorischen Reflex getrieben werden, auch weil die Zahlen beim Verwalter stimmen müssen. Kunsthandwerk mit hohem Anspruch Insgesamt ist der P-C-I-Live-Kongress eine Erfolgsstory, getragen von eloquenten Repräsentanten ihres Faches, die sich nicht mehr nur in eitler Selbstdarstellung erschöpfen, sondern wissen, was das Auditorium erwartet. Das Aufeinanderzugehen der Disziplinen im Interesse des Patienten ist vermutlich die entscheidendste Weiterentwicklung im ärztlichen Selbstbewusstsein. Bei den Interventionalisten kommt hinzu, dass sie ihr Kunsthandwerk beherrschen müssen. Nicht jeder, der einen Koronarkatheter schieben kann, ist auch geeignet für eine transfemorale Aortenklappenimplantation. Das belegen die Lernkurven überdeutlich. Geschicklichkeit im Umgang mit Kathetern kann nicht auf einem Wochenendseminar erworben werden, dazu braucht es Könner vor Ort, die in der Ausbildung des Nachwuchses einen wesentlichen Auftrag sehen. Dafür sollten sich auch die Berufsverbände vehement einsetzen, im Sinne einer richtig verstandenen Qualitätssicherung. Silbers neuer Berufsverband Kongresspräsident Prof. Sigmund Silber – man spricht inzwischen auch schon vom „Silber-Festival“ – nutzte die Tagung auch, um zwei Innovationen in eigener Sache publik zu machen. Zum einen hat er den Berufsverband der interventionellen Kardiologen e. V. gegründet. Hauptziel ist die Vertretung der Interessen der Interventionalisten gegenüber den Krankenkassen. Nach Ansicht der Gründerväter fehlen dem BNK, dem Silber noch vor Kurzem vorstand, offenbar Durchsetzungsvermögen und Konzepte, um dieses rasch wachsende Feld so zu bestellen, dass sich die Interventionalisten hinreichend vertreten fühlen. Silber leitet neben seiner Praxisklinik in München auch das „Herzzentrum an der Isar“, in dem nicht nur Interventionen durchgeführt werden, sondern auch die ganze Palette von Herzoperationen – ein Rundum-Service, wie man es von einem Herzzentrum erwartet.

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