Das Immunsystem in Balance halten

Das essentielle Spurenelement Zink ist für ein intaktes Immunsystem unverzichtbar. Zinkmangel ruft stets eine Immundefizienz hervor. Gerade Patientengruppen mit einer verminderten Immunkapazität und erhöhten Infektanfälligkeit wie Ältere zählen zu den Risikogruppen für einen Zinkmangel. Wird ein Mangel durch eine Zinktherapie ausgeglichen, kann das Immunsystem unterstützt und die Infektresistenz verbessert werden. Wie Prof. Dr. Lothar Rink vom Institut für Immunologie an der Uniklinik RWTH Aachen berichtete, betrifft eine Zinkunterversorgung rund ein Drittel der Weltbevölkerung. Ein latenter bis schwerer Zinkmangel ist vor allem bei älteren Menschen auch in Industrieländern ein Problem. In Deutschland erreichen laut der Nationalen Verzehrstudie II 32% der Männer und 21% der Frauen nicht die empfohlene Tagesmenge. Unter den Älteren (65–80 Jahre) liegt dieser Anteil sogar bei 44% der Männer und 27% der Frauen [1]. Legt man die Aufnahmeempfehlungen der EFSA (European Food Safety Authority) zugrunde [2], besteht bei bis zu 75% der älteren Menschen eine Zinkunterversorgung, so Rink. Ursachen für Zinkmangel Mögliche Ursachen für einen Zinkmangel sind neben einer geringen Zinkzufuhr über die Nahrung (Tabelle 1) auch alters-, krankheits- und medikamentös bedingte Absorptionsstörungen [3]. Ein sekundärer Zinkmangel entsteht häufig bei Alkoholabusus, Diabetes, entzündlichen Darmerkrankungen und Niereninsuffizienz, so Rink. Wegen des Fehlens von Biomarkern sei die Bestimmung des Zinkstatus in der Praxis allerdings schwierig. Ernährungsfragebögen können Hinweise auf einen Mangel liefern [4]. Ansonsten gilt die Linderung von Symptomen nach Zinkgabe als Nachweis eines Mangels [5]. Tabelle 1: Zinkgehalt von Lebensmitteln (modifiziert nach [3]) Springer Medizin Verlag GmbH × Zink – Regulator der Immunfunktion Zink ist für die zelluläre und humorale Immunität unverzichtbar. Es wird unter anderem für die Proliferation und Funktion von Leukozyten sowie für die Regulation entzündlicher Prozesse benötigt. Bei einem Mangel steigt daher die Anfälligkeit für infektiöse und entzündliche Erkrankungen an [6]. Das T-Zell-System ist von einem Zinkmangel besonders betroffen, erklärte Rink. Aber auch die Funktion der B-Zellen und natürlichen Killerzellen ist von einem ausgeglichenen Zinkstatus abhängig. Da Zink einen regulierenden Einfluss auf das Immunsystem hat, erhöht ein Zinkmangel sowohl auf der einen Seite die Anfälligkeit für Infektionen und Tumoren als auch auf der anderen Seite für Autoimmunerkrankungen und Allergien (Abb. 1). Abb. 1: Zink als Regulator der Immunfunktion; bei Zinkmangel steigt die Anfälligkeit für Infekte und für Autoimmunerkrankungen (modifiziert nach L. Rink, 2021) Springer Medizin Verlag GmbH × Infektresistenz verbessern Die Zinkkonzentration im Serum nimmt im Laufe des Lebens ab. Diese Entwicklung deckt sich mit der nachlassenden Immunkapazität im Alter. So entwickelten in klinischen Studien Ältere mit niedrigen Zinkspiegeln häufiger eine Lungenentzündung und erholten sich langsamer davon [7]. Dagegen führte eine Supplementation mit 30 mg Zink pro Tag bei Älteren mit Zinkmangel zu einem Anstieg der Zinkserumspiegel und einer verbesserten T-Zell-Funktion [8]. In einer anderen Studie konnte durch eine Zinksupplementation die Inzidenz von Infektionen bei Älteren signifikant gesenkt werden [9]. Die Bedeutung einer guten Zinkversorgung bei Erkältungen wurde – unabhängig vom Alter – in Metaanalysen aus placebokontrollierten Studien untersucht: Hier zeigte sich, dass eine hochdosierte Zinksupplementation die Dauer eines grippalen Infekts signifikant verkürzen kann, wenn innerhalb der ersten 24 Stunden nach Symptombeginn damit begonnen wird [10, 11]. Wie Rink ausführte, überschneiden sich die Risikogruppen für einen Zinkmangel auch mit denen für schwere Verläufe einer COVID-19-Erkrankung. Gefährdet sind insbesondere Ältere sowie Menschen mit Diabetes, Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Da Zink einen regulierenden Einfluss auf das Immunsystem hat, unterstützt es zum einen die Infektabwehr und wirkt gleichzeitig einer überschießenden Immun- und Entzündungsreaktion entgegen [12]. Dieser Mechanismus könnte bei COVID-19-Infektionen, bei denen eine überschießende Inflammation oft eine Schlüsselrolle spielt, relevant sein [6]. Bei Risikogruppen sollte daher der Zinkstatus optimiert werden. Therapie eines Mangels Um einen Mangel auszugleichen, sollte Zink ausreichend hoch dosiert werden. Die höchstdosierten Präparate, die in Deutschland rezeptfrei in Apotheken erhältlich sind, enthalten 25 mg Zink pro Tablette (z. B. Zinkorot® 25 – Therapie eines Mangels mit einer halben bis einer Tablette pro Tag). Organische Verbindungen wie Zinkorotat werden in der Regel besser resorbiert als anorganische. Durch Ausgleich eines Mangels kann das Immunsystem unterstützt und die Resistenz gegenüber Atemwegsinfekten verbessert werden. Literatur Nationale Verzehrstudie II 2008, Ernährung 2008, 2:77–81 European Food Safety Authority (EFSA), EFSA Journal 2014, 12:3844 Classen HG et al., MMP 2020, 43:149–157 Trame S et al., J Trace Elem Med Biol 2018, 49:285–295 Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE), https://www.dge.de/wissenschaft/weitere-publikationen/faqs/zink/#c8183 (letzter Zugriff: 20.10.2021) Skalny AV et al., Intern J Mol Med 2020, 46:17–26 Barnett JB et al., Nutr Rev 2010, 68:30–37 Barnett JB et al., Am J Clin Nutr 2016, 103:942–951 Prasad A et al., Am J Clin Nutr 2007, 85:837–844 Singh M et al., Cochrane Database Syst Rev 2013, 18:CD001364 Science M et al., CMAJ 2012, 184:E551–E561 Wessels I et al., Br J Nutr 2021, 1:1–19 Abruf des Vortrags von Prof. Rink über den QR-Code oder unter: https://t1p.de/Zink-Immunsystem Springer Medizin Verlag GmbH × Interview mit Prof. Dr. Lothar Rink Zinkmangel in der Praxis Prof. Dr. Lothar Rink, Direktor des Instituts für Immunologie, Uniklinik RWTH Aachen Uniklink RWTH Aachen × Ein Zinkmangel lässt sich durch eine Blutuntersuchung schwer nachweisen. Welches Vorgehen empfehlen Sie Ärzten, um einen Zinkmangel in der Praxis zu erkennen? Rink: Es ist richtig, dass der Serumzinkwert nur wenig aussagekräftig ist. Trotzdem sollte dieser angefordert werden, da bei Nachweis eines Mangels die Zinkgabe zur Kassenleistung wird. Schneller ist die Abschätzung des Mangelrisikos mithilfe eines Fragebogens zur Zinkaufnahme, wie z. B. von uns kürzlich publiziert und validiert. Diesen werden wir auch in Kürze als App kostenlos zur Verfügung stellen. Letztlich geht ein Eisenmangel, der sich leicht bestimmen lässt, fast immer mit einem Zinkmangel einher. Wichtig wäre hier, sich die Eisenspeicher anzusehen, da es für Zink keinen Speicher gibt. Der Zinkmangel tritt also schon ein, wenn man bei Eisen noch von den Speichern lebt. Hängen die nachlassende Immunkapazität und der Zinkstatus im Alter zusammen? Rink: Ja, dies haben wir in vielen Publikationen beschrieben, und dazu gab es auch schon zwei internationale Forschungsprojekte: ZincAge und Zenith von der EU. Einige altersbedingte Veränderungen lassen sich relativ leicht durch eine Zinkgabe revidieren, wie z. B. die erhöhten Entzündungsmarker. Für die verminderte T-Zell-Antwort muss man hingegen etwas länger supplementieren. Hier kann man aber relativ pragmatisch vorgehen, da entsprechend den europäischen Aufnahmeempfehlungen für Zink, die etwas höher sind als die der DGE, ca. 75% der deutschen Bevölkerung über 65 Jahre zu wenig Zink aufnimmt. Gibt es weitere Risikogruppen, die in der Praxis besonders beachtet werden sollten? Rink: In erster Linie haben Veganer und Vegetarier ein erhöhtes Risiko für einen Zinkmangel, da Zink fast nur aus tierischen Proteinen gut bioverfügbar ist. Hinzu kommt, dass eine hohe Zufuhr von Chelatbildnern, z. B. durch viel Rohkost, aber auch übermäßigen Tee- oder Kaffeekonsum, die Zinkresorption hemmt. Eine erhöhte Ausscheidung spielt vor allem bei Alkoholmissbrauch und Diabetes eine Rolle, aber auch das übermäßige Trinken bei jungen Leuten, insbesondere wenn diese Wasserfilter verwenden. Ein erhöhter Zinkbedarf tritt bei Schwangeren, Stillenden und Kindern im Wachstum auf. Auch Extremsportler und sexuell sehr aktive Männer benötigen mehr Zink. Viele Menschen möchten ihr Immunsystem stärken. Kann Zink dazu beitragen? Rink: Das Immunsystem stärken ist nicht immer richtig, tatsächlich müssen wir es in der Balance halten. Ein zu schwaches Immunsystem erhöht die Anfälligkeit für Infektionen und die Entstehung von Tumoren, ein zu starkes führt zu Allergien und Autoimmunität. Zink unterstützt die natürliche Funktion der Immunzellen, stärkt also die Abwehrmechanismen. Es stärkt aber auch die regulatorischen T-Zellen und vermindert so allergische und autoimmune Reaktionen sowie überschießende Entzündungsreaktionen. Impressum „Biofaktoren-Update: Aktuelles aus der Wissenschaft für die Praxis”, Symposium, Frankfurt a. M., 13. November 2021 Bericht: Dagmar Jäger-Becker, Rodgau Artikel gedruckt in: CME, Band 14, Heft 1–2/2022 Mit freundlicher Unterstützung der Wörwag Pharma GmbH & Co. KG, Böblingen Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Dr. Hildegard Hausmann Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführung: Fabian Kaufmann, Dr. Cécile Mack, Dr. Hendrik Pugge Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF: Zinkmangel ausgleichen - Das Immunsystem in Balance halten

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