Effektiver Schutz vor plötzlichem Herztod

Tachyarrhythmien - Bevor definitiv die Indikation für einen implantierbaren KardioverterDefibrillator (ICD) gestellt wird, bietet die Defibrillatorweste (wearable cardioverter-defibrillator, WCD) bei Risikopatienten einen sicheren und effektiven Schutz vor dem plötzlichen Herztod. Die Per-Protocol-Analyse der VEST-Studie bestätigt, dass der WCD das Risiko, an einer potenziell tödlichen Tachyarrhythmie zu sterben, statistisch signifikant reduzieren kann. Mehr als 60% der kardiovaskulären Todesfälle außerhalb des Krankenhauses sind auf den plötzlichen Herztod zurückzuführen [1]. „Risikopatienten müssen frühzeitig identifiziert werden, um die Gefahr durch tödliche Rhythmusstörungen zu reduzieren“, betonte Prof. Dr. Christian Perings, St.-Marien-Hospital, Lünen. Vom plötzlichen Herztod sind überwiegend Patienten mit einer Einschränkung der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) auf ≤35% betroffen. Die häufigsten Ursachen sind die ischämische und die nicht ischämische Kardiomyopathie. Hohes Risiko für plötzlichen Herztod bei LVEF ≤35% Bei Patienten, deren LVEF dauerhaft beeinträchtigt ist, besteht die Indikation für die ICD-Implantation. Doch vorher sollten die Möglichkeiten der Pharmakotherapie ausgeschöpft werden. Nationale und internationale Leitlinien raten dazu, Postinfarktpatienten 40 bis 90 Tage lang und Patienten mit einer nicht ischämischen Kardiomyopathie mindestens drei Monate lang optimal medikamentös zu behandeln, bevor die definitive Entscheidung für einen ICD getroffen wird [2]. „Dieses Vorgehen ist grundsätzlich sinnvoll, da sich die Herzleistung oft noch erholt“, so Perings. „Allerdings ist in diesem Zeitraum das Risiko für einen plötzlichen Herztod deutlich erhöht, und die Patienten sind in dieser gefährlichen Zeit ungeschützt.“ WCD schützt im kritischen Zeitraum In diesem kritischen Zeitraum kann die LifeVest® Defibrillatorweste Schutz bieten. Der WCD wird bei Patienten eingesetzt, die eine erhöhte Gefahr für plötzlichen Herztod durch lebensbedrohliche ventrikuläre Tachykardien aufweisen, aber (noch) keine Kandidaten für einen ICD sind. Wesentliche Bestandteile des WCD sind eine Weste mit EKG-Elektroden zur Detektion von Herzrhythmusstörungen sowie Defibrillationselektroden mit einer Monitor-Einheit zur Schockabgabe. Das Update des GKV-Hilfsmittelverzeichnisses 2019 und die damit verbundene Ergänzung des Eintrags des WCD um primärprophylaktische Indikationen bei einer LVEF ≤35% erleichtert nun die Verordnung. Umfangreiche Daten von mehr als 20.000 Patienten aus retrospektiven und prospektiven Registern sowie aus der randomisierten kontrollierten VEST-Studie bestätigen die klinische Effektivität des WCD, ventrikuläre Tachyarrhythmien zu beenden [3, 4, 5, 6, 7]. Die VEST-Studie untersuchte die Wirksamkeit des WCD bei 2.302 Patienten nach einem Myokardinfarkt mit einer LVEF ≤35% und optimaler medikamentöser Therapie im Vergleich zu einer alleinigen medikamentösen Therapie [3]. Der primäre Endpunkt, die Inzidenz von plötzlichem Herztod oder Tod durch ventrikuläre Arrhythmien nach 90 Tagen, wurde in der Intention-to-treat(ITT)-Analyse durch den WCD nicht signifikant reduziert (Hazard Ratio [HR] 0,67; 95%-Konfidenzinterall [KI] 0,37–1,21; p=0,18). Die Gesamtmortalität (sekundärer Endpunkt) wurde dagegen in der WCD-Gruppe signifikant reduziert (3,1% versus 4,9%; HR 0,63; 95%-KI 0,42–0,97; p=0,04). Definitionsgemäß wurden für die ITT-Analyse alle Patienten einbezogen vom Zeitpunkt der Randomisierung bis Tag 90, unabhängig von der tatsächlichen Protokoll-Compliance und der Tragezeit des WCD. So betrug die Tragezeit in der VEST-Studie über die 90 Tage im Median 18 Stunden und war damit deutlich niedriger als im deutschen WCD-Register mit einer täglichen Tragezeit von im Median 23,1 Stunden [6]. Dieser Unterschied lässt sich möglicherweise dadurch erklären, dass die Aufklärung von Patienten über das tatsächliche Risiko eines plötzlichen Herztodes in der klinischen Praxis deutlicher erfolgt als in einer randomisiert kontrollierten Studie. Signifikanz in Per-Protocol-Analyse Ein realistischeres Bild der WCD-Wirkung zeichnen daher die Ergebnisse der aktuellen Per-Protocol-Analyse der VEST-Studiendaten [8]. „Die Per-Protocol-Analyse zeigt, dass auch die Rate des plötzlichen Herztodes statistisch signifikant gesenkt wird, wenn der WCD konsequent getragen wird“, betonte Oberarzt Dr. Sebastian Reif, München Klinik Bogenhausen. Abb. Die Per-Protocol-Analyse der VEST-Studie ergab eine signifikante Risikoreduktion für einen arrythmogenen Tod in der WCD-Gruppe. Springer Medizin Verlag GmbH × Bei der Per-Protocol-Analyse der VEST-Studiendaten handelt es sich um eine prospektive, vergleichende Untersuchung, die die Ergebnisse gemäß den im Studienprotokoll getroffenen Annahmen zeigt: Es werden Patientendaten vom Zeitpunkt der Randomisierung bis zum letzten Tragetag des WCD in die Auswertung eingeschlossen, aber nicht Daten nach Beendigung der Tragezeit, z. B. nach einer ICD-Implantation. „Der Überlebensvorteil bei einer konsequenten Anwendung der Defibrillatorweste wird durch die Per-Protocol-Analyse der VEST-Studiendaten bestätigt und statistisch präzisiert“, so Reif. Diese zeigten neben einer signifikanten Reduktion der Gesamtmortalität um 75% (HR 0,25; 95%-KI 0,13–0,48; p<0,001) auch eine signifikante Reduktion des primären Endpunkts mit einer relativen Risikoreduktion für arrhythmogenen Tod um 62% (HR 0,38; 95%-KI 0,17–0,86; p=0,02; s. Abb.) [8]. „Der WCD ist sicher und effektiv, wenn er getragen wird“, fasste Reif zusammen. Gute Compliance für maximalen Schutz Defibrillatorweste - Die kürzlich publizierte Per-Protocol-Analyse der VEST-Studiendaten belegte eine deutliche Reduktion von arrhythmogenen Todesfällen durch die Defibrillatorweste bei Patienten mit Risiko für einen plötzlichen Herztod. Der Kardiologe Dr. Sebastian Reif erläutert die Bedeutung dieser Analyse für die Praxis und wie sich die Compliance der Patienten verbessern lässt. Dr. Sebastian Reif, Oberarzt an der Klinik für Kardiologie, München Klinik Bogenhausen, München Dr. Sebastian Reif × Welche Bedeutung hat die Per-Protocol-Analyse der VEST-Studie für die klinische Praxis? Reif: Die Per-Protocol-Analyse zeigt für den primären Endpunkt „arrhythmogener Tod“ eine relative Risikoreduktion von 62% und für den sekundären Endpunkt „Gesamtmortalität“ um 75% im WCD-Arm im Vergleich zum Kontrollarm, in dem die Patienten eine alleinige medikamentöse Therapie erhalten hatten. Die VEST-Studie schloss Postinfarktpatienten mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion ≤35% ein. Diese Patienten haben ein hohes Risiko, am plötzlichen Herztod zu sterben. Gemäß deutscher und internationaler Leitlinien sollte bei diesen Patienten die optimale medikamentöse Therapie schrittweise innerhalb von 40 bis 90 Tagen ausgeweitet werden. Die Implantation eines ICD wird in diesem Zeitraum nicht empfohlen. Die Leitlinien sehen eine Klasse-IIb-Empfehlung für die Versorgung dieser Risikopatienten mit dem WCD vor. Die Per-Protocol-Analyse bestätigt die Empfehlungen der Leitlinien und somit den Einsatz des WCD in dieser Konstellation. Was genau verbirgt sich hinter einer Per-Protocol-Analyse? Reif: Die Per-Protocol-Analyse behält die ursprüngliche Randomisierung bei, schließt aber bestimmte Zeiträume von der Auswertung aus, z. B. wenn der Patient die Weste über 60 Tage für mindestens eine Stunde getragen hat und dann gar nicht mehr. Somit wird der Zeitraum ab Tag 61 ausgeschlossen. Wurde der WCD nie getragen, wird der komplette Zeitraum ausgeschlossen. Somit kommt die Per-Protocol-Analyse dem ursprünglichen Zweck des Studienprotokolls am nächsten. Wie wichtig ist die Aufklärung des Patienten? Und wie kann die erforderliche Tragezeit der Defibrillatorweste erreicht werden? Reif: Die Aufklärung ist wichtig, weil die Patienten über ihr hohes Risiko für einen plötzlichen Herztod informiert sein sollten. Der WCD ist Teil der Leitlinien zur Behandlung dieser Patienten, und die VEST-Studie hat deutlich gezeigt, dass der WCD nur wirksam ist, wenn er auch konsequent getragen wird. Nur dann können arrhythmogener Tod und Gesamtmortalität signifikant reduziert werden. Die VEST-Studie hat zudem verdeutlicht, dass eine hohe Tragezeit damit assoziiert ist, ob der Patient verheiratet ist beziehungsweise mit einem Partner zusammenlebt. Deshalb ist auch die Aufklärung von Angehörigen sehr wichtig. Auch wenn der Patient zum Zeitpunkt des initialen Myokardinfarkts bereits eine ventrikuläre Tachyarrhythmie erlitten hat, kann sich das Bewusstsein, bereits einen plötzlichen Herztod überlebt zu haben, positiv auf seine Compliance auswirken. Patienten-Online-Management, Support durch den Arzt und die richtige Westengröße sind ebenfalls Faktoren, die die Compliance fördern. Da die Compliance ganz entscheidend ist, sollte man sich wirklich die Zeit nehmen, alle zur Verfügung stehenden Maßnahmen zur Compliance-Förderung zu nutzen. Literatur Adabag AS et al., Nat Rev Cardiol 2010, 7:216–225 Priori SG et al., Eur Heart J 2015, 36:2793–2867 Olgin JE et al., N Engl J Med 2018, 379:205–215 Nguyen E et al., J Innov Card Rhythm Manag 2018, 9:3151–3162 Epstein AE et al., JACC 2013, 62:2000–2007 Wäßnig N et al., Circulation 2016, 134: 635–643 Kutyifa V et al., Circulation 2015, 132:1613–619 Olgin JE et al., J Cardiovasc Electrophysiol 2020, 31:1009–1018 Impressum Webinar „Schutz vor dem plötzlichen Herztod: Aktueller Stand und Herausforderungen für die Zukunft“ München, 1. Juli 2020 Bericht: Dr. Kirsten Westphal, Heimstetten Artikel gedruckt in: Cardio News 9, September 2020 Mit freundlicher Unterstützung der Zoll CMS GmbH, Köln Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Dr. Ulrike Maronde Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführer: Joachim Krieger, Fabian Kaufmann Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Herausgeber der Zeitschrift übernehmen keine Verantwortung für diese Rubrik. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF: Ventrikuläre Tachykardien - Effektiver Schutz vor plötzlichem Herztod

Springer Medizin

Bitte loggen Sie sich ein, um Zugang zu diesem Inhalt zu erhalten