Veränderte Hauttemperatur nach Manualtherapie

Eine kanadische Studie zeigt, dass Manualtherapie des Wirbelsäulensegments L5 zu einer signifikanten Veränderung der Hauttemperatur in dem behandelten Gebiet führt. Die Bedeutung dieser Temperaturveränderung ist noch unklar. Zusammenfassung der Studie Aus Kanada kommt eine Studie, in der die Veränderungen der paravertebralen Temperatur nach Manualtherapie auf Höhe des Wirbelsäulensegments L5 untersucht wurden. Insgesamt 20 Personen mit Zeichen eines akuten Lumbalsyndroms wurden zufällig einer tatsächlichen oder einer scheinbaren Manualtherapie zugeteilt, bei der tatsächlichen Therapie erfolgte eine Manipulation mit Impuls auf Höhe des Segments L5. Der Ergebnisparameter war die mittels Infrarotradiometer bestimmte paravertebrale Hauttemperatur auf Höhe L5. Bei den Patienten wurde nach 8-minütiger Akklimatisation an die Raumtemperatur 2 min vor sowie unmittelbar und 1, 3, 5 und 10 min nach der Manualtherapie die Hauttemperatur gemessen. Signifikante Temperaturerhöhung Unmittelbar nach der Manipulation fand sich an der behandelten Seite ein Hauttemperaturanstieg von 0,2°F, während nach der Pseudotherapie an keiner Körperseite eine signifikante Temperaturveränderung beobachtet wurde. Eine Zunahme der Hauttemperatur von durchschnittlich 0,6°F wurde 3 min nach der Manualtherapie an der behandelten Körperseite gemessen, während an der nichtbehandelten Körperseite die Hauttemperatur abgekühlt war. Dies führte zu signifikanten Seitenunterschieden in der Hauttemperatur. Unklare Bedeutung Die Autoren weisen darauf hin, dass Manualtherapie zwar zu einer signifikanten Veränderung der Hauttemperatur in dem behandelten Gebiet führt, die Bedeutung dieser Temperaturänderung jedoch noch unklar ist und weiterer Untersuchungen bedarf. "Die Hauttemperaturmessung mittels Infrarot ist wenig zuverlässig" Kommentar von Prof. K. Ammer, Wien Über den Einsatz der Infrarotthermographie als Ergebnisparameter bei der Behandlung der Kokzygodynie wurde erst kürzlich in dieser Rubrik berichtet und dabei auf die Hintergründe für den Einsatz der Temperaturmessung in der Manualtherapie eingegangen [1]. Angesichts weiterer Publikationen zum Einfluss von Manualtherapie auf die Hauttemperatur und der Möglichkeit, dieses Temperaturphänomen akkurat und zuverlässig zu erfassen, soll dieses Thema nochmals besprochen werden. Roy et al. [2][3][4] haben in einer Reihe von Untersuchungen die Validität und Zuverlässigkeit der paravertebralen Temperaturmessung überprüft. In einer Studie wurde eine gute Übereinstimmung zwischen kontaktthermometrisch und mittels Infrarotkamera ermittelter Hauttemperaturwerte gezeigt, wobei die mit Thermistoren gemessenen Werte niedriger waren als die mit Infrarotkamera ermittelten [2]. In einer weiteren Studie untersuchten die Autoren jene Akklimatisationszeit, nach der die Kerntemperatur und die Temperatur an Hals- bzw. Lendenwirbelsäule stabil erscheint [3]. Für die Kerntemperatur wurden stabile Werte 30 min nach Beginn der Messung gefunden. Für die Hauttemperatur wurden sowohl mit Thermistoren als auch mit Infrarotmessung zwischen 8 und 16 sowie 20 und 24 min die geringsten Veränderungen der Temperaturwerte gefunden. Darüber hinaus wurde die Abhängigkeit der Haut- von der Raumtemperatur bestätigt. Kürzlich berichteten Roy et al. über die Abhängigkeit der Hauttemperatur von der Körperposition, in der die Messung durchgeführt wurde [4]. Es fanden sich etwas höhere Werte, wenn im Stehen gemessen wurde, als bei der Messung in Bauchlage (rechts paravertebral 0,25±0,64°C, links paravertebral 0,62±0,67°C). Die in der aktuellen Studie nach Manualtherapie beobachtete Temperaturerhöhung steht zum Teil im Widerspruch zu der bisherigen Literatur. Diakow et al. [5] verglichen an 10 freiwilligen Probanden manualtherapeutische Befunde wie Blockierungen, Druckempfindlichkeit und Kibler-Falte mit den Befunden der Kontaktthermographie der Brust- und Lendenwirbelsäule und der Kreuzbeinregion. Umschriebene hypertherme oder hypotherme Zonen (Temperaturunterschied zur Umgebung mindestens 1°C) galten als pathologische thermographische Befunde. Zwischen Thermographie und Blockierungen fand sich eine Übereinstimmung von 64,7%, Druckdolenz und Wärmebild stimmten in 63,7%, Kibler-Falte und Thermographie in 59,9% der Fälle überein. In einem Fallbericht zeigte sich ein blockiertes Kreuzdarmbeingelenk ähnlich überwärmt wie bei einer Iliosakralarthritis [6]. Eine Serie von Manualtherapien war nicht nur von einer deutlichen Symptomminderung, sondern auch von einer Abkühlung über dem Kreuzdarmbeingelenk begleitet. Engel [7] postulierte eine im Dermatom verteilte Minderung der Hauttemperatur im Fall einer Wirbelgelenkblockierung. Damit können Störungen des Achsenorgans im Infrarotthermogramm des Rückens zu asymmetrischen Temperaturverteilungen führen, die durch Manualtherapie beseitigt werden können. Kainz et al. [8] beobachteten nach erfolgreich durchgeführten Manipulationen nicht nur im Manipulationsbereich, sondern auch reflektorisch in kaudal davon gelegenen Abschnitten des Rückens signifikante Erniedrigungen der Hauttemperatur (durchschnittlich um 0,45 K). Gemessene Reduktion der Oberflächentemperatur In einer eigenen Studie [9] wurde bei einigen Patienten nach Manualtherapie eine Verbesserung der Symmetrie des Rückenthermogramms erzielt. Obwohl bei einigen Patienten eine verstärkte Wärmeabstrahlung nach manueller Therapie zu beobachten war, fand sich im Durchschnitt unmittelbar nach der therapeutischen Intervention eine signifikante Reduktion der Oberflächentemperatur. An der Halswirbelsäule beeinflussen asymptomatische vertebrale Blockierungen und die manualmedizinische Untersuchung die Temperaturdifferenz zwischen rechter und linker Nackenhaut nicht [10]. Jedoch können einseitig nach manualmedizinischer Untersuchung signifikante Temperaturänderungen beobachtet werden, und die Mobilisation eines blockierten Segments kann beidseitig Temperaturänderungen bedingen. Roy et al. [11] haben versucht, den Einfluss des lokalen Drucks auf die Hauttemperatur während einer Manualtherapie mittels Aktivator zu bestimmen. Hoher lokaler Druck und normaler Druck mit anschließendem Manipulationsimpuls führten zur lokalen Abkühlung, die jedoch im Falle der Manipulation innerhalb von 3 min die Ausgangstemperatur wieder erreichte. Unklare Lokalisation Eine Schwäche aller von Roy et al. publizierten Studien ist, dass die genaue Lokalisation der paravertebralen Hauttemperaturmessung nicht klar beschrieben ist. Bei den vergleichenden Studien zwischen kontaktthermometrisch und infrarotbasierter Messung der Hauttemperatur wurde offensichtlich punktförmig gemessen [2][3], wobei klare Angaben zur Position der Infrarotmessung in Bezug auf die mit Klebeband an der Haut fixierten Thermometern fehlen. In der Aktivatoruntersuchung [11] und in der referierten Studie könnte zwar über kleine Messflächen die Hauttemperatur gemessen worden sein, jedoch fehlt die Information zur Größe und Lage eines solchen Messareals. Ungenaue Temperaturbestimmung Da die mittels Infrarot bestimmte Hauttemperatur innerhalb kurzer Strecken beträchtlich variieren kann – und dies gilt besonders für moderne „Focal-plane-Kameras“ –, wird die punktförmige Temperaturmessung als wenig zuverlässig angesehen. Für den Einsatz der Thermographie als Ergebnisparameter ist jedoch die Zuverlässigkeit der Messung besonders wichtig [12]. Literatur 1. Ammer K (2009) Infrarotthermographie als Ergebnisparameter der Manualtherapie bei Kokzygodynie. Manuelle Med 47:261–264 2. Roy RA, Boucher JP, Comtois AS (2006) Validity of infrared thermal measurements of segmental paraspinal skin surface temperature. J Manipulative Physiol Ther 29:150–155 3. Roy RA, Boucher JP, Comtois AS (2006) Digitized infrared segmental thermometry: time requirements for stable recordings. J Manipulative Physiol Ther 29:468.e1–468.e10 4. Roy RA, Boucher JP, Comtois AS (2010) Consistency of cutaneous thermal scanning measures using prone and standing Protocols: a pilot study. J Manipulative Physiol Ther 33:238–240 5. Diakow PRP, Ouellet S, Lee S Blackmore EJ (1988) Correlation of thermography with spinal dysfunction: preliminary results. J Can Chiropr Assoc 32(2):77–80 6. Diakow PRP(1990) Thermographic assessment of sacroiliac syndrome: report of a case. J Can Chiropr Assoc 34(3):131–134 7. Engel JM (1984) Thermographische Objektivierung der segmentalen Neuropathophysiologie. Manuelle Med 22:30–40 8. Kainz A, Ehn A, Bily W (1992) Thermographische Objektivierung der Manualtherapie bei Patienten mit Wirbelsäulenbeschwerden. Thermol Österr 2:30–33 9. Ammer K (1993) Thermographie bei Patienten mit Wirbelblockierungen. Manuelle Med 31:118–121 10. Ammer K (2002) Temperature changes after manual examination of the cervical spine. Thermol Intern12:147–152 11. Roy RA, Boucher JP, Comtois AS (2008) Effects of a manually assisted mechanical force on cutaneous temperature. J Manipulative Physiol Ther 31:230–236 12. Ammer K (2006) Thermal imaging as outcome measure. Thermol Intern 16(4):125

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