Erfolge mit Antikörpertherapien bei NMO

Für Patienten mit Neuromyelitis optica könnte es bald hochspezifische Therapien geben: Gleich drei therapeutische Antikörper haben in Phase-3-Studien die Schubrate drastisch reduziert. Zu den wichtigsten Studien, die in diesem Jahr auf dem Kongress der American Academy of Neurology (AAN) vorgestellt wurden, zählen sicher drei Phase-3-Untersuchungen mit Antikörpern gegen Neuromyelitis optica (NMO), denn bislang gibt es für solche Patienten keine spezifischen krankheitsmodulierenden Therapien. Die üblichen MS-Mittel wirken mit Ausnahme von Rituximab nicht oder nicht ausreichend, häufig müssen daher Immunsuppressiva wie Azathioprin, Mycophenolat-Mofetil oder Kortikosteroide verabreicht werden. Doch selbst unter einer B-Zell-depletierenden Therapie mit Rituximab kommt es bei rund der Hälfte der Patienten zu neuen Schüben, erläuterte Dr. Sean Pittock von der Mayo Clinic in Rochester auf der Tagung in Philadelphia. Neue Schübe gelte es bei NMO jedoch unbedingt zu vermeiden, da die Behinderungen im Gegensatz zur MS praktisch ausschließlich durch Schübe und nicht zusätzlich durch eine schubunabhängige Pathologie entstehen. Die nun vorgestellten Daten lassen hoffen, dass die neuen Therapeutika NMO-Schübe für den größten Teil der Patienten weitgehend vermeiden können. Die Antikörper greifen dabei völlig unterschiedliche Ziele an. Empfehlung der Redaktion Seltene Erkrankungen – Themenseite In der Europäischen Union gilt eine Erkrankung als selten, wenn nicht mehr als 5 von 10.000 Menschen in der EU von ihr betroffen sind. Auf der Themenseite „Seltene Erkrankungen“ finden Sie Nachrichten, Kasuistiken und Übersichtsarbeiten zu ALS, multiplem Myelom, Hämophilie und anderen Orphan Diseases. Eculizumab zielt auf das Protein C5 des Komplementsystems und wird bereits gegen die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) und das atypische hämolytisch-urämische Syndrom (aHUS) eingesetzt. Letzteres sorgte etwa beim EHEC-Ausbruch im Jahr 2011 für mehrere Todesfälle. C5 vermittelt jedoch auch die Zerstörung von Astrozyten im Nervensystem von NMO-Patienten mit körpereigenen Antikörpern gegen Aquaporin 4 (AQP4). Solche Antikörper bilden etwa 70–80% der Patienten mit NMO oder NMO-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD). Eine Deaktivierung von C5 sollte danach neue Schübe verhindern. Das scheint nach den nun veröffentlichten Daten der Studie PREVENT erstaunlich gut zu klappen. Teilnehmer waren 143 AQP4-positive Patienten mit NMO oder NMOSD. Frauen stellten 91% der Patienten, das Durchschnittsalter betrug 45 Jahre, vor Beginn der Therapie hatten die Teilnehmer im Schnitt zwei Schübe pro Jahr. Zwei Drittel erhielten 1200 mg des Therapeutikums alle zwei Wochen, die übrigen Placebo. Eine supportive immunsuppressive Therapie war erlaubt, allerdings durften die Patienten in den drei Monaten vor Therapiebeginn kein Rituximab erhalten haben. Die Doppelblindphase der Studie dauerte bis insgesamt 23 Schübe registriert waren, anschließend konnten alle Patienten offen weiterbehandelt werden. Traten in der Doppelblindphase Schübe auf, boten die Ärzte davon betroffenen Patienten ebenfalls eine Weiterbehandlung mit dem Antikörper an. Primärer Endpunkt war die Zeit bis zum ersten Schub. Insgesamt registrierten die Ärzte im Studienverlauf unter Placebo 20 Schübe, unter dem Antikörper nur drei. Bezogen auf den primären Endpunkt war die Schubrate unter dem Antikörper verglichen mit Placebo um 94% reduziert, erläuterte Pittock. Nach 48 Wochen waren noch 98% mit dem Antikörper schubfrei, aber nur 63% mit Placebo. Wurden nur diejenigen Patienten betrachtet, die keine supportive Immuntherapie benötigten (21 mit Eculizumab, 13 mit Placebo), erwies sich der Unterschied als noch größer: Keiner der Teilnehmer mit der Antikörpertherapie, aber 80% unter Placebo erlitten weitere Schübe. Als häufigste unerwünschte Wirkungen registrierten die Ärzte Harnwegsinfekte, Übelkeit und Erbrechen. Ein Patient starb während der Antikörpertherapie an einem infektiösen Pleuraerguss. Hergestellt wird Eculizumab von Alexion Pharmaceuticals. Inebilizumab setzt ähnlich wie Rituximab auf eine B-Zell-depletierende Wirkung. Allerdings bindet der Antikörper an CD19 und eliminiert auf diese Weise ein breiteres Spektrum sowohl unreifer als auch reifer B-Zellen, erläuterte Dr. Bruce Cree von der Universität in San Francisco. Inebilizumab wurde speziell zur Therapie bei NMO sowie NMOSD entwickelt und in der Studie N-MOmentum bei 234 Betroffenen geprüft. Das Design der Studie war ähnlich wie das von PREVENT, allerdings konnten auch AQP4-negative Patienten daran teilnehmen. Beendet wurde die Doppelblindphase der Studie nach insgesamt 43 Schüben. Drei Viertel bekamen den Antikörper in einer Dosierung von 300 mg an den Tagen 1 und 15 und dann alle sechs Monate, die übrigen erhielten Placebo. Eine supportive Immuntherapie war nicht erlaubt. Auch in dieser Studie waren rund 90% der Teilnehmer Frauen, auch hier wurde primär die Zeit bis zum ersten Schub unter der jeweiligen Therapie ermittelt. Mit dem Antikörper war die Schubrate um 73% geringer als unter Placebo; nach knapp 200 Tagen waren noch 87% der Patienten mit Inebilizumab schubfrei und 60% unter Placebo. Wurden nur die AQP4-positiven Patienten betrachtet, so kamen die Studienautoren um Cree auf eine Reduktion der Schubrate um 88% unter dem Antikörper, und nach knapp 200 Tagen waren noch jeweils 88% und 57% der Patienten schubfrei. Eine Behinderungsprogression wurde mit dem Antikörper bei rund 16%, mit Placebo bei 34% beobachtet, die Rate von NMO-bedingten Klinikeinweisungen war mit Inebilizumab um über 70%, die von neuen MRT-Läsionen um über 40% geringer. Häufiger als mit Placebo wurden vor allem Arthralgien beobachtet. Zwei Patienten starben in der offenen Studienphase. Der eine Todesfall wurde auf einen schweren Schub zurückgeführt, der andere auf ein ZNS-Ereignis unklarer Ursache. Klinisch geprüft wird Inebilizumab vom Unternehmen Medimmune. Satralizumab bindet an den Interleukin-6-Rezeptor (IL-6). Dessen Aktivität ist nötig, um die B-Zell-vermittelte Autoimmunreaktion bei NMO aufrechtzuerhalten und Antikörper gegen AQP4 zu produzieren. Die Aktivierung des Komplementsystems scheint ebenfalls IL-6 zu benötigen, erläuterte Dr. Takashi Yamamura vom Nationalen Institut für Neurowissenschaften in Tokio. Geprüft wurde Satralizumab bei 83 Patienten in der Studie SakuraSKY. 41 bekamen 120 mg des Antikörpers subkutan anfangs alle zwei und später alle vier Wochen verabreicht, die übrigen 42 erhielten Placebo. In diese Studie wurden nur Patienten mit einer bestehenden immunsuppressiven Basistherapie aufgenommen, den Antikörper gab es also als Zusatztherapie. Etwa ein Drittel war AQP4-negativ. Die Doppelblindphase endete nach insgesamt 26 Schüben und resultierte in einer 62% geringeren Schubrate unter Satralizumab im Vergleich zu Placebo. Nach fast zwei Jahren waren 89% mit dem Antikörper, aber nur 66% unter Placebo schubfrei, nach knapp vier Jahren jeweils 78% und 59%. Wurden wiederum nur die AQP4-positiven Patienten betrachtet, war die Schubrate im Vergleich zu Placebo um 79% reduziert, nach zwei und vier Jahren hatten noch jeweils 92% mit Satralizumab keine Schübe, aber nur jeweils 60% und 53% unter Placebo. Bei solchen Resultaten muss jedoch die mit der Zeit kleiner werdende Patientenzahl berücksichtigt werden. Eine nun erstmals vorgestellte Subgruppenanalyse deutet auf keinen Effekt des Antikörpers bei AQP4-negativen Patienten. Doch auch hier limitiert die geringe Patientenzahl die Aussagekraft, so Yamamura. Interessant sind die Sicherheitsdaten: Todesfälle, opportunistische Infekte und anaphylaktische Reaktionen traten keine auf, Infekte und schwere Infekte sahen die Ärzte unter dem Antikörper tendenziell etwas seltener als in der Placebogruppe. Satralizumab wird von Chugai Pharmaceutical und Roche entwickelt. Empfehlung der Redaktion AAN 2019 Kongressdossier zum Annual Meeting der American Academy of Neurology Gleich drei Antikörper haben sich in Studien zur Behandlung von Neuromyelitis optica bewährt und Poli-ähnliche Erkrankungen treten in den USA und Europa vermehrt auf. Informieren Sie sich im Kongressdossier des Annual Meeting der American Academy of Neurology über aktuelle Themen der Neurologie. Quellen: American Academy of Neurology, Annual Meeting, May 4-10, Philadelphia - Clinical Trials Plenary Session - Emerging Science Session - Scientific Session S43: Immunotherapies and drug trials in autoimmune neurological disorders

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