Fetus in fetu: Der Zwilling im Bauch

Im neuen Thriller von François Ozon („Der andere Liebhaber“) ist die Heldin ein „parasitärer Zwilling“. Dass es solche Fälle auch in Wirklichkeit gibt, zeigt eine Kasuistik im BMJ. Ein 15-jähriger Junge stellt sich in einer chirurgischen Klinik in der nordmalaysischen Stadt Sungai Petani vor. Er leidet unter Bauchschmerzen, die offenbar von einer abdominalen Schwellung herrühren. Diese sei, wie der Junge berichtet, in letzter Zeit immer größer geworden. Er habe diesen Klumpen jedoch schon, seit er denken könne, und niemand habe ihm je erklärt, was dahintersteckt. Die Ärzte des Sultan Abdul Halim Hospital tasten eine harte Umfangsvermehrung im mittleren Abdominalbereich. Um der Sache auf den Grund zu gehen, veranlassen sie eine CT-Untersuchung. Ist es ein Mensch? Die Bilder sorgen im Op.-Team für einige Aufregung, denn die Masse enthält Knochen, Wirbelkörper, einen Schädel. Die Überlegung, die nun folgt, ist für die Op.-Planung entscheidend: Wie wird dieses Gebilde, das ja offensichtlich im Lauf der Jahre gewachsen ist, ernährt? Eine CT-Angiografie zeigt, dass zahlreiche kleine Gefäße zu dessen Außenwand führen. Bei der anschließenden Laparotomie stoßen die Chirurgen zunächst auf eine etwa 15 x 10 cm große intraperitoneale Blase, an der, wie sich jetzt zeigt, mehrere große Gefäße hängen, welche zum Dünndarmmesenterium des Jungen führen. Das Baby hatte keine Chance Die Operateure eröffnen die Blase. Darin eingebettet finden sie ein 1,6 kg schweres Baby. Dass es nicht lebensfähig ist, wird schnell klar. Der Körperstamm ist stark hypoplastisch, die Gliedmaßen sind kurz und fehlgebildet, die Augen zu einem zusammengewachsen. Es gibt einen After, aber keinen Mund, ebenso wenig eine Nabelschnur oder eine Plazenta. Die Haut ist allerdings die eines Babys, bedeckt von Käseschmiere. Das kleine Wesen ist, wie man an den Genitalien erkennen kann, männlich. Seine Haare sind über die Jahre lang geworden und dem Anschein nach haben sich sogar Schamhaare gebildet. Die weitere Operation verläuft trotz der großen Gefäße, die durchtrennt werden müssen, komplikationslos. Der Junge ist im weiteren Verlauf beschwerdefrei. Sein kleiner Zwilling – um einen solchen muss es sich nach Meinung der Ärzte gehandelt haben – wird den Eltern auf deren Wunsch übergeben und im Beisein der Familie bestattet. Vom Zwilling einverleibt Wie im Film von François Ozon „Der andere Liebhaber“ handelt es sich im vorliegenden Fall sehr wahrscheinlich um ein sogenanntes „Fetus-in-fetu“-Phänomen. Fälle wie diese treten mit einer Inzidenz von 1 pro 500.000 Geburten extrem selten auf. Ganz geklärt ist die Ätiologie noch nicht, man vermutet, dass es sich um einen monozygoten Zwilling handelt, der während der frühen fetalen Entwicklung vom Wirtszwilling im wahrsten Sinne des Wortes einverleibt wird. Das späte „Wachstum“ des Zwillings im Bauch hing im vorliegenden Fall möglicherweise damit zusammen, dass noch vorhandene pluripotente Stammzellen durch einen unbekannten Auslöser begonnen haben, sich zu differenzieren. Differenzialdiagnostisch käme ein Teratom infrage, wobei das Vorhandensein einer Wirbelsäule wie im vorliegenden Fall dagegen spricht. Zur definitiven Klärung des Falls wären Gewebeentnahmen, evtl. auch ein Test auf uniparentale Disomie (UPD) notwendig gewesen; dies widersprach aber dem Wunsch der Eltern, die ihr Kind keinen weiteren Untersuchungen aussetzen wollten.

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