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17.06.2021 | Akute depressive Episode | Nachrichten

Übersichtsartikel

Anästhesistinnen sind besonders suizidgefährdet

verfasst von: Robert Bublak

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Anästhesist*innen verüben im Vergleich zur Allgemeinpopulation häufiger Suizid. Wie eine Übersichtsarbeit zeigt, die sich mit Studien zu diesem Problem beschäftigt, sind Frauen in dieser Profession besonders gefährdet.

Mediziner gelten als suizidgefährdete Berufsgruppe. Vergangene Untersuchungen haben eine verglichen mit der sonstigen Bevölkerung um 26% erhöhte Suizidrate unter Ärzten und eine um 146% höhere Rate unter Ärztinnen gefunden. Dabei waren Suizide unter Anästhesisten häufiger als in jeder anderen Fachdisziplin. Britische Mediziner um die Anästhesistin Emma Plunkett von der Universitätsklinik Birmingham haben in einem aktuellen Übersichtsartikel genauer zu beschreiben versucht, wie sich die Situation in der Anästhesie mit Blick auf Selbsttötungen ausnimmt. Sie werteten dafür 54 Studien aus, die seit 1990 zu diesem Problem erscheinen sind.

Laut der vorliegenden Daten geben zwischen 3% und 25% der Anästhesisten an, Suizidgedanken zu haben. Über Suizidversuche berichten 0,5–2%. In jüngerer Zeit erschienene Untersuchungen haben ergeben, dass Suizide bei Anästhesisten einen Anteil von 7–17% an allen Todesfällen haben; in der Allgemeinbevölkerung liegt dieser Anteil bei 2–4%. Bei diesen Zahlen ist zu berücksichtigen, dass Ärzte im Allgemeinen gesünder sind als die übrige Bevölkerung, andere Todesursachen daher im jeweiligen Vergleichszeitraum womöglich seltener auftreten, wodurch die Suizidfälle stärker ins Gewicht fallen könnten. Die errechneten standardisierten Mortalitätsraten (SMR) zeigen für Anästhesisten eine um 19–44% erhöhte Sterblichkeit durch Suizid gegenüber dem zu erwartenden Anteil.

Wo zwischen Anästhesistinnen und Anästhesisten unterschieden wurde, entstand ein differenziertes Bild. Demnach sind es eher die Frauen in dieser Berufsgruppe, die sich das Leben nehmen: Ihre SMR sind um den Faktor 1,68–2,15 gesteigert. Für Männer ergibt sich hingegen eine niedrigere SMR von 0,67–0,96. Zahlenmäßig überwiegen dennoch die Suizide von Anästhesisten, wegen des Überwiegens des männlichen Geschlechts in der Profession und weil Männer häufiger Suizide begehen als Frauen.

Gründe für die Selbsttötung

Plunkett und Kollegen gehen auch den Gründen dafür nach, weshalb Ärzte stärker suizidgefährdet sind. Zur beruflichen Belastung kommen dabei eine höhere Rate psychiatrischer Diagnosen (Burnout, Depressionen), Substanzmissbrauch und der Widerwille, sich medizinische oder psychologische Hilfe zu holen. Eine Rolle spielen zudem das Geschlechtergefälle in der Profession, das Dasein als Single und Kinderlosigkeit.

Suizidversuche von Ärzten verlaufen außerdem häufiger tödlich. Dabei mag der privilegierte Zugang zu den entsprechenden Mitteln eine Rolle spielen, was auf Anästhesisten in besonderem Maß zutrifft. 86% der Suizide von Anästhesisten gehen auf Vergiftungen zurück; bei den Ärzten insgesamt liegt der Anteil bei 39%, in der Allgemeinpopulation bei 33%. Besonders Propofol scheint involviert zu sein. So hat eine Internetrecherche zu tödlichem Propofolabusus 21 Todesfälle zutage gefördert, 18 davon entfielen auf Angehörige von Gesundheitsberufen, allein 14 auf Anästhesisten.

Hier sehen Plunkett und Mitarbeiter ein Potenzial zur Prävention von Suiziden in der Anästhesie: „Die Optionen umfassen Beschränkungen des Zugangs zu Medikamenten mit bekanntem Missbrauchspotenzial, aber auch stichprobenartige Urinkontrollen von Angehörigen der Gesundheitsberufe.“

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Literatur

Plunkett E et al. Suicide in anaesthetists: a systematic review. Anaesthesia 2021; https://doi.org/10.1111/anae.15514

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