Warum Erwachsene mit Tonsillopharyngitis beim Facharzt landen

Tonsillopharyngitiden sind in England die häufigsten Notfälle bei HNO-Ärzten. Das könnte auch damit zu tun haben, dass die vorausgehenden Medikamentenverordnungen nicht optimal sind. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Etwa 74.000 Episoden von Tonsillopharyngitis werden in England jährlich als Notfall in einem Krankenhaus behandelt; Krankenhäuser sind die einzigen Orte, an denen der NHS (National Health Service) eine HNO-ärztliche Versorgung anbietet. Allein durch diese Patienten werden Kosten von mehr als 50 Millionen britischen Pfund verursacht. Britische Mediziner haben deswegen nach den Gründen für die Präsentation im Krankenhaus gesucht. Die Befragung von Patienten und Ärzten führt sie unter anderem zu dem Schluss, dass die Pharmakotherapie in der Primärversorgung verbessert werden könnte. Die Patienten bekämen trotz der Schluckprobleme zu oft Medikamente in Tablettenform; außerdem wüssten zu wenige Ärzte um den Nutzen einer Einzeldosis Kortison. Tabletten trotz Dysphagie Von den 40 befragten Patienten – zu zwei Dritteln Frauen, Durchschnittsalter 24 Jahre –, die den HNO-Arzt aufgesucht hatten, war etwa die Hälfte zwei bis drei Tage zuvor in hausärztlicher Behandlung gewesen und hatte dort orale Antibiotika und/oder Analgetika erhalten. Als Hauptgrund für die Vorstellung beim Facharzt gaben sie an, nicht schlucken zu können. Die Mehrzahl von ihnen glaubte, dass Medikamente in flüssiger Form ihnen besser geholfen hätten; jeder Zweite hätte dann probiert, die Angina zu Hause zu behandeln. Die Symptomatik, die die befragten Ärzte – je zur Hälfte in der not- und der hausärztlichen Versorgung tätig – als wichtigsten Überweisungsgrund ansahen, war ebenfalls eine signifikante Dysphagie; weiterhin wurde häufig ein Stertor, ein röchelndes Atmen, angeführt. Die meisten Ärzte gaben an, Antibiotika, falls erforderlich, sowie Analgetika eher in Tablettenform denn als Suspension oder in löslicher Form aufzuschreiben. Nur ein einziger Arzt, ein Krankenhausarzt, berichtete, dass die Verordnung einer Einzeldosis eines Steroids als Supportivmaßnahme bei ihnen Routine sei. Von den übrigen Ärzten erklärten immerhin drei Viertel ihre Bereitschaft, eine solche Maßnahme in Erwägung zu ziehen, nachdem ihnen ein Review mit der entsprechenden Evidenz vorgelegt worden war (Sadeghirad B et al. BMJ 2017;358:j3887). Nutzen von Steroid-Einzeldosis zu wenig bekannt Das Review zeigt, dass eine Einzeldosis eines Kortikosteroids (meistens orales Dexamethason in einer Maximaldosis von 10 mg) die Halsschmerzen bessert, ohne dass es zu unerwünschten Effekten kommt. Die Wirkung ist außerdem unabhängig davon, ob die Patienten zusätzlich Antibiotika erhalten bzw. mit beta-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A infiziert sind. Eine Aufklärung der Patienten über den natürlichen Verlauf einer Tonsillopharyngitis sowie die Verschreibung von Medikamenten in flüssiger/löslicher Form, so die Schlussfolgerung der Studienautoren um Bilal Taib vom Royal Liverpool Hospital, könnten dazu beitragen, die Zahl der erneuten (Fach-)Arztbesuche zu senken. Sie betonen außerdem, dass vor allem Hausärzte besser über „das wichtige Thema“ des Kortikosteroidnutzens informiert werden müssten. „Das kann dazu führen, dass mehr Patienten ein Kortikosteroid angeboten wird und dadurch der Krankheitsverlauf verbessert und vielleicht auch die Rate der Krankenhausüberweisungen reduziert wird.“ Das Wichtigste in Kürze Frage: Warum werden so viele Patienten mit Tonsillopharyngitis beim Facharzt vorstellig? Antwort: Ursache ist meist eine Dysphagie. Patienten stören sich auch an der Verordnung von Antibiotika und Analgetika in Tablettenform. Kortikosteroide werden kaum genutzt. Bedeutung: Durch das Verschreiben von Antibiotika und Analgetika in flüssiger/löslicher Form und ggf. den Einsatz einer Einzeldosis eines Kortikosteroids ließen sich möglicherweise erneute Arztbesuche vermeiden. Einschränkung: Befragung von nur wenigen Patienten und Ärzten.

Springer Medizin

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