Candida-Infektionen und ihre Folgen

Welche Komplikationen treten bei einer Infektion mit Candida in der Schwangerschaft auf und wie kann man dem entgegenwirken? Und welcher Zusammenhang besteht zwischen einer Vulvovaginalkandidose und einer Vulvodynie? Der folgende Artikel fasst verschiedene Studien rund ums Thema Vaginalkandidose zusammen. Vaginalkandidose und Schwangerschaft In einer prospektiven randomisierten Studie wurden in Australien von Mai 2008 bis Dezember 2009 500 symptomlose gesunde Schwangere mit Einlingen ab der 12. bis 19. SSW in die Studie aufgenommen. Sie nahmen selbst (was in Australien üblich ist) Vaginalabstriche ab, die auf CHROM-Agar für Candida gegeben wurden. Falls positiv, erhielten sie randomisiert für 6 Nächte Clotrimazol 100 mg Vaginalzäpfchen oder nichts. Alle auf Candida positiven Frauen und randomisiert ein Teil der Candida-negativen Frauen nahmen eine zweite Pilzkultur in der 24. bis 28. SSW ab. Das Schwangerschaftsalter wurde anhand des Ersttrimester-Ultraschalls bestimmt. Studien-Endpunkt war die Frequenz von Frühgeburten <37 SSW in beiden Gruppen [1]. Von 499 auswertbaren Frauen waren 98 (19,6%) bei Studienbeginn vaginal von Candida kolonisiert. Es handelte sich um 72 (73%) Candida albicans, 14 (14,3%) C. glabrata, 5 (5,1%) C. parapsilosis, je 3 (3,1%) C. krusei und C. tropicalis und eine Trichosporon Spezies. Frauen ohne vaginale Candida-Kolonisation hatten eine Frühgeburtrate von 3,7%. 50 Frauen mit vaginaler Candida- Kolonisation hatten Clotrimazol erhalten. Bei ihnen trat in zwei Fällen (4,0%) eine Frühgeburt auf. 48 Frauen mit vaginaler Candida-Kolonisation, aber ohne Clotrimazol-Therapie blieben auswertbar und hatten in 3 Fällen (6,3%) eine Frühgeburt. Lesen Sie mehr Weitere Beiträge finden Sie im Dossier Infektionen. Bei 95 (96%) Frauen mit vaginaler Candida-Kolonisation im 1. Trimenon konnte zwischen der 24. und 28. SSW ein zweiter Abstrich entnommen werden (durchschnittlich 10 Wochen später). Von den 50 mit Clotrimazol behandelten Frauen waren 49 % wieder vaginal von Candida besiedelt (allerdings 13% dieser Frauen mit geringerer Keimzahl, p = 0,3). Die Candidaart blieb bis auf einen Fall die gleiche wie beim Abstrich vorher. Kolonisierte Frauen ohne Clotrimazoltherapie hatten im 1. und im 2. Abstrich mit 40 bzw. 42% starker Kolonisation keine Differenz. Kommentar: Die Ergebnisse belegen, dass die Therapie mit Clotrimazol im 1. Trimenon eine Reduktion der Frühgeburtlichkeit nach sich zieht, sind aber in dieser Studie nicht statistisch signifikant. Allerdings wurde das in zwei früheren Studien bereits mit hoher Signifikanz belegt. Diese Studien waren aber lange kaum bemerkt worden, weil die eine [2] eines Epidemiologen in Budapest retrospektiv eine eigentlich andere Fragestellung hatte und in mycoses publiziert ist, was von vielen Gynäkologen/Geburtshelfern nicht gelesen wird. Die andere Studie [3] aus Wien ist unter der Fragestellung der Frühgeburtenvermeidung bei bakterieller Vaginose international bekannt, doch wurde die signifikante Reduktion von Frühgeburten auch nach Gabe von Clotrimazol meist nur von besonders Interessierten bemerkt. Es ist noch unklar, warum Clotrimazol Frühgeburten reduziert. Einerseits glaubte man bisher zu wissen, dass die Candida-Kolonisation der Vagina nicht Frühgeburten verursacht. Andererseits wirkt Clotrimazol auch gegen grampositive Kokken und könnte somit eine abnormale Vaginalflora beseitigen. Gram-positive Peptostreptokokken sind oft typisch bei bakterieller Vaginose in großer Zahl vorhanden, obwohl sie im Nugent-Score unberücksichtigt bleiben. Jedenfalls muss dies Anlass zu prospektiven weiteren Studien sein. Vulvovaginalkandidose und Vulvodynie Frauen, die unter Vulvodynie (Vestibulodynie, vulväres Vestibulitis-Syndrom) leiden, berichten sehr oft über Vulvovaginalkandidosen in der Anamnese, bevor die Vulvodynie begann. Um diesen möglichen Zusammenhang zu prüfen, wurde ein in dieser Forschungsgruppe etabliertes Versuchsmodell mit Mäusen benutzt [4]. Es wurden jeweils 15 bis 18 Tiere in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine Gruppe wurde 3 wiederholten Infektionen jeweils am Tag 0 durch Inokulation von 5x104 Zellen Candida albicans in die Vagina ausgesetzt. Die entstandene Vaginalkandidose wurde am Tag 4 mit einmal 15 mg/kg Fluconazol oral behandelt. Eine Kontrollgruppe mit gleich vielen Tieren erhielt vaginal statt Candida nur physiologische Kochsalzlösung, wurde aber auch mit Fluconazol behandelt, um Versuchsgleichheit herzustellen. An den Tagen 0 (vor Infektion), 4 (aktive Infektion), 11 (behandelte Infektion) und 32 (3 Wochen nach behandelter Infektion) eines Zyklus wurden mit dem von Frey-Filament-Test die Berührungsempfindlichkeit der Vulva und die der Hinterpfoten gemessen. (Der von Frey-Filament-Test ist ein etabliertes Verfahren, um mit unterschiedlich starken Härchen eines Pinsels standardisiert die Sensibilität zu messen). Parallel wurde die „Pilzlast“ durch Quantifizierung von Candida in der Vagina bestätigt. Mäuse, die am Tag 0 getestet wurden oder nur Kochsalzlösung in die Vagina bekommen hatten (und Fluconazol oral), reagierten zu fast 80% auf die Berührung der Vulva und der Hinterpfoten mit gleichbleibend geringem Score an allen Testtagen der Zyklen (meistens ab 4 g Druckreiz, Reaktion Hochspringen mit allen 4 Pfoten). Mäuse mit Candidainfektion der Vagina reagierten aber schon an den Tagen 4 und 11 bei geringerem Druck (z.B. 0,01–1–2–3 g), am Tag 32 waren viele wieder weniger empfindlich. Aber ab dem 3. Infektionszyklus reagierten statistisch signifikant mehr Mäuse auf schon schwache Reize von 1–2 g der Vulva an allen Testtagen. Der Unterschied war auch messbar, wenn von Maus zu Maus im Vergleich eine Steigerung der Schmerzempfindlichkeit von mehr als 33% gemessen wurde. Am Tag 32 des 3. Zyklus war der Unterschied 6 von 15 (40%) der Mäuse mit Vaginalkandidose in der Vorgeschichte gegen 1 von 18 (5,5%) der nicht infizierten Tiere (p = 0,02). An den Hinterpfoten jedoch waren diese Unterschiede nicht feststellbar. Es wurden dann vaginale Gewebeproben der schmerzempfindlich gewordenen und der normal empfindlich gebliebenen Tiere verglichen. Es gab in beiden Gruppen weder ein Ödem noch ein inflammatorisches Infiltrat im Vaginalgewebe. Eine gewisse Menge an Immunzellen, Makrophagen, Mastzellen usw. war in beiden Gruppen wie üblich sichtbar. Allerdings zeigte sich bei immunhistochemischen Färbungen, dass bei den überempfindlich gewordenen Mäusen eine mehr als 300%ige Vermehrung von feinen Nervenfasern in der Lamina propria des Vulva-/Introitusgewebes eingetreten war (p = 0,002), die außerdem dicker als üblich waren. Zusätzlich wurde festgestellt, dass eine fast 400%ige Vermehrung der Dichte von sog. „peptidergic fibers (calcitonin gene-related peptide immunoreactivity)“ und von sympathischen Nervenfasern in der gesamten Lamina propria mit gelegentlicher Einsprossung in das Oberflächenepithel der Vulvahaut messbar war. In einem weiteren Experiment wurden Mäuse 14 Tage lang einem C. albicans-Stress der Vagina ausgesetzt. Auch in dieser Gruppe reagierte eine signifikante Gruppe von Tieren ab Tag 14 an der Vulva, nicht aber an der Hinterpfote hypersensitiv (p = 0,005) und blieben es selbst über den Tag 42 hinaus. Um herauszufinden, ob es einer intakten Candida albicans-Zelle bedarf, um solche Reaktionen auszulösen, wurde Mäusen in einem weiteren Experiment – wieder gegen Kochsalzlösung als Kontrolle – ein Zellwandbestandteil von C. albicans, das Glukan Zymosan (Mixtur von Candidaantigenen), zweimal im Abstand von einer Woche auf die Vulva gegeben. Eine dritte Applikation erhielten sie, wenn sie ohne Überempfindlichkeit reagiert hatten. 4 Stunden nach Gabe des Zymosans hatten alle Mäuse eine Vulvodynie, die aber bei den meisten nach einer Woche verschwand, bei einigen persistierte, bei einer schon nach einer Gabe blieb – es gab also sehr variable Reaktionsmuster. An den Pfoten gab es solche Persistenz nach Zymosan nie. Die Befunde korrelierten mit klinischen Erfahrungen bei Frauen mit Vulvovaginalkandidose: während der Infektion und kurz danach ist der Introitus schmerzempfindlich bzw. gereizt, doch kehrt normalerweise die übliche Sensibilität zurück. Frauen mit Vulvodynie hingegen klagen über persistiende Schmerzen im Introitus trotz ausgeheilter Kandidose. Die Autoren weisen auf immunologische Faktoren hin, die einen Zusammenhang zwischen Candidabelastung und Schmerzsyndrom herstellen: während der akuten Candidainfektion werden Makrophagen, Mastzellen und Neutrophile aktiviert und interagieren direkt mit Nervenenden, die Schmerzüberempfindlichkeit erzeugen. Über verschiedene Toll-like-Rezeptoren an afferenten Nervenenden scheint Candida auch Nozirezeptoren zu aktivieren, die für Hypersensibilität verantwortlich sind. Ähnliche Phänomene werden auch durch Candidaantigene des Zymosans induziert. Die Autoren glauben, dass der lang nach Abklingen der Candida-Infektion anhaltende Schmerz kein inflammatorischer Schmerz ist, aber auch kein neuropathischer Schmerz, da die Nerven ja nicht lädiert sind. Sie vermuten eine Gen-Umwelt-Interaktion zwischen noch nicht verstandenen genetischen Empfindlichkeitsfaktoren und Inflammation. Solche Faktoren sind aus Tierversuchen gut bekannt. Da die Pfoten der Tiere anders als die Vulvaregion reagierten, muss dieses Gewebe anders bzw. spezifisch reagieren. Solche Phänomene wurden auch nach Inflammation im Urethra-Blasenbereich und einigen anderen Geweben beobachtet. Bei Frauen mit Vulvodynie hat man ebenfalls vermehrte Nerveneinsprossungen elektronenmikroskopisch gefunden. Die Autoren schließen damit, dass die chirurgische Entfernung von Vulvagewebe bisher zu den besten therapeutischen Erfolgen bei Vulvodynie geführt hat und dass deshalb hier weiter geforscht werden müsse. Kommentar: Diese bemerkenswerte Arbeit erklärt erstmals mit Hilfe eines intelligenten Tiermodells, dass die durch Candidainfektionen induzierte Vulvodynie nicht ungewöhnlich und nicht psychosomatisch ist. Mehr als die Hälfte der Frauen mit Vulvodynie berichten in der Sprechstunde des Berichterstatters über eine vorausgegangene antibiotisch behandelte Zystitis mit konsekutivier Vulvovaginalkandidose und deren Rezidiven, bevor die Vulvodynie begann. Mit der Meinung, dass es sich hier um ein psychisches Phänomen bei Konflikten handele, wird diesen Frauen oft Unrecht getan. Antidepressiva sind zwar in der Lage, die Schmerzrezeption zu verringern, sind aber m. E. nicht kausal indiziert. Die Berichte über sehr gute Ergebnisse nach Exzision der schmerzenden Introitushaut bestätigen diese Ergebnisse von Farmer et al. Literatur 1. Roberts CL et al (2011) BMC Pregnancy Childbirth doi: 10.1186/1471-2393-11-18 2.Czeisel AE et al (2004) Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol 2004; 116: 157-63 3. Kiss H et al (2004) BMJ 329:371–375 4. Farmer MA et al (2011) Sci Transl Med 3:101ra91

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