„Hohen Blutdruck bei stationären Patienten eher konservativ behandeln!“

Solange es sich nicht um einen hypertensiven Notfall handelt, verspricht die medikamentöse Behandlung erhöhter Blutdruckwerte im Krankenhaus offenbar keinen Nutzen. Paradoxerweise scheint das Risiko für Endorganschäden sogar zuzunehmen. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Unabhängig von einer Hypertonie können in Zusammenhang mit einer stationären Behandlung diverse Faktoren wie Schmerzen, Stress oder Fieber den Blutdruck in die Höhe treiben. Unklar ist, ob solche Druckanstiege Anpassungsreaktionen darstellen oder ob sie schädlich sind und einer Behandlung bedürfen. Eine retrospektive Studie aus den USA spricht für Ersteres. Stationäre Patienten, bei denen erhöhte Werte eine neue blutdrucksenkende Therapie auslösten, erlitten im Krankenhaus nicht seltener, sondern sogar häufiger Endorganschäden als vergleichbare Patienten, die nicht behandelt wurden. Die Studienautoren raten daher zu einem konservativen Vorgehen. Die Untersuchung beruht auf den Krankenakten von 22.800 erwachsenen Patienten der Cleveland Clinic Hospitals, die nicht wegen einer kardiovaskulären Erkrankung aufgenommen worden waren. Bei 78% der Patienten wurde mindestens einmal ein erhöhter systolischer Blutdruck (> 140 mmHg) gemessen. 33% von ihnen erhielten deswegen ein Antihypertensivum, in drei Viertel der Fälle handelte es sich ausschließlich um eine orale Medikation, ein Viertel bekam mindestens eine Dosis i.v. appliziert. Patienten mit höheren Drücken und höherem kardiovaskulären Risiko wurden erwartungsgemäß häufiger medikamentös behandelt. Mehr Herz- und Nierenschäden mit Therapie Obwohl der Vergleich auf 4250 Patienten mit und 4250 Patienten ohne neues Antihypertensivum beschränkt wurde, bei denen gleiche Voraussetzungen für eine Behandlung bestanden (propensity matching), zeigten sich Unterschiede im stationären Outcome, und zwar zuungunsten der behandelten Patienten: Von ihnen entwickelten 10,3% einen akuten Nierenschaden, von den unbehandelten nur 7,9%, eine signifikante Differenz. Als akuter Nierenschaden galt ein Anstieg des Serumkreatinins um mindestens 0,3 mg/dl oder das 1,5-Fache des Ausgangswerts. Ein akuter Myokardschaden, definiert als Troponin T > 0,029 ng/ml bzw. Troponin I > 0,045 ng/ml, wurde bei 1,2% der behandelten und 0,6% der unbehandelten Patienten festgestellt. Nur Schlaganfälle traten während des Krankenhausaufenthalts in beiden Gruppen gleich selten auf (jeweils 0,1%). Auch bei SBP > 160 mmHg kein Nutzen Eine höhere Rate von Herz- und Nierenschäden zeigte sich bei behandelten Patienten selbst dann, wenn Blutdruckwerte über 160 oder ab 200 mmHg betrachtet wurden. Das schlechtere Ergebnis bei antihypertensiver Therapie war zudem unabhängig vom Applikationsweg. Von den Patienten, die im Krankenhaus neu blutdrucksenkend behandelt worden waren, wurden weniger als 30% mit einem zusätzlichen Antihypertensivum entlassen. Dies hatte zumindest kurzfristig – innerhalb der ersten 30 Tage – keine Auswirkung auf die Häufigkeit von Herzinfarkten oder Schlaganfällen; sie war nicht anders als in der Gruppe ohne Therapieintensivierung. Auch die Blutdruckkontrolle ein Jahr nach der Entlassung war in beiden Gruppen vergleichbar. Kein Abbild des ambulanten Blutdrucks Die Studie untermauere die Evidenz dafür, dass die Behandlung einer im Krankenhaus auftretenden asymptomatischen Hypertonie mit Schäden verbunden sei, schreiben die Forscher um Radhika Rastogi vom Children’s Hospital of Philadelphia. „Die Schäden persistieren selbst bis in höhere Blutdruckbereiche, sogar bis zu Werten, die als hypertensive Krise klassifiziert werden – das stärkt die Argumentation für ein konservatives Management.“ In viele Fällen könne die medikamentöse Therapie schlicht dadurch ersetzt werden, dass die Blutdruckmessung nach vier Stunden wiederholt werde. Auch von einer Intensivierung der Entlassungstherapie ist den Ärzten zufolge kein Nutzen zu erwarten. Ihre Erklärung für die Ergebnisse: „Die Bedingungen eines Krankenhausaufenthalts repräsentieren ziemlich sicher nicht die die ambulante Blutdruckkontrolle“. Das Wichtigste in Kürze Frage: Profitieren Patienten, die aus nicht kardialer Ursache stationär aufgenommen wurden, wenn eine asymptomatische Hypertonie medikamentös behandelt wird? Antwort: Bei behandelten Patienten kam es im Krankenhaus sogar öfter zu Nieren- und Myokardschäden als bei vergleichbaren Patienten ohne blutdrucksenkende Therapie. Selbst bei einem systolischen Blutdruck von 200 mmHg überwog der Nachteil. Bedeutung: Eine Hypertonie ohne Endorganschäden ist bei stationären Patienten kein Grund für eine medikamentöse Intervention. Einschränkung: Retrospektive Analyse.

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