Diagnose Medikamentenallergie oft falsch gestellt – und lebenslang

Über 90 Prozent der „Penicillinallergiker“ haben gar keine Allergie, wenn man sie untersucht. Die meisten dieser Patientinnen und Patienten verzichten aber deshalb lebenslang auf die Arznei. Außerdem verunsichert auch der Verdacht Medikamentenallergie und verringert die Compliance. Wie werden vermeintliche Allergien aufgedeckt? Viele Patienten laufen mit einem vollen Allergiepass herum, in dem viele Medikamente vermerkt sind, die sie nicht vertragen. Dies führt zu Angst vor Medikamenten, Antibiotika und Impfungen. Über 90 Prozent der Penicillinallergiker haben keine Allergie, wenn man sie untersucht. Wenn man die ausführliche Anamnese erheben kann, stellen sich meist Nebenwirkungen heraus, die als Allergien fehlgedeutet wurden. Die Stigmatisierung als Arzneimittelallergiker bedeutet meist den lebenslangen Verzicht auf wirksame Medikamente. Der Verdacht auf eine Medikamentenallergie verunsichert Patienten und Angehörige, insbesondere Eltern, reduziert die Compliance und damit das therapeutische Outcome. Fragen Sie immer zuerst nach der Zeit Eine vernünftige Anamnese zur Erhebung einer Medikamentenallergie kostet immer viel Zeit. Fragebögen können hier hilfreich sein und die Zeit sinnvoll verkürzen. Nehmen Sie sich die Zeit und gehen Sie alle Allergien durch, die meist Nebenwirkungen, Pseudoallergien oder ein orales Allergiesyndrom sind! Generationen von nachfolgenden Ärzten werden es Ihnen danken! Und Sie können es abrechnen. Machen Sie einen Grundkurs in psychosomatischer Grundversorgung. Das bringt Geld und sie dürfen dann die Ziffern 35100 und 35110 abrechnen zusätzlich zur 30100! Lernen Sie, mit Allergikern umzugehen, die nicht davon abzubringen sind, dass sie auf alles allergisch sind. Fragen Sie immer zuerst nach der Zeit! Typische Zeitintervalle zwischen erster Arzneimittelzufuhr und erstmaligen Auftreten von Symptomen sind wie folgt: Urticaria, Asthma, Anaphylaxie: typischerweise innerhalb einer Stunde, selten bis zwölf Stunden nach Exposition. Makulopapulöses Arzneimittelexanthem: 4-14 Tage nach Beginn der Zufuhr. AGEP (Akute generalisierte exanthematische Pustulose): 1-12 Tage nach Beginn der Zufuhr. SJS/TEN (Stevens Johnson Syndrom; Toxische Epidermale Nekrolyse): 4–28 Tage nach Beginn der Zufuhr. DRESS (Drug Reaction with eosinophilia and systemic reactions): nach 2–8 Wochen. Leider ist es im wahren Leben meist anders. Die Patienten können nicht angeben, wie lange die Hautveränderungen bestanden, welches Krankheitsgefühl sie hatten, ob die Schleimhaut mit betroffen war, ob es Blasen gab, wie viele Minuten oder Tage nach der Einnahme es zu den Hautveränderungen kam und ob Begleitreaktion wie Luftnot oder Kreislaufmitbeteiligung bestanden. Sie können sich schlicht nicht erinnern. Fehler im System Leider ist es auch in den Notaufnahmen der Krankenhäuser nicht üblich, eine Foto-Dokumentation vorzunehmen oder den Befund genau zu beschreiben. Vorschnell und um das Problem rasch zu lösen, gibt man Cortison, sagt, das muss eine Medikamentenallergie gewesen sein und schickt sie zum Allergologen. Der hat oft nur wenig Zeit und kein Budget, sich mit diesen Patienten zu beschäftigen. Und so kommt es zu dicken Allergiepässen. Die Diagnose einer Allergie setzt aber eine spezifische Testung voraus. Ohne eine im Test nachgewiesene Allergie kann man keine Diagnose einer Allergie stellen. Man kann zwar den Verdacht äußern, aber mehr nicht. In der Notaufnahme von Krankenhäusern werden aber keine Allergietests durchgeführt und keine Antikörper bestimmt. Ein Systemfehler! Im Rahmen der Impfkampagne gegen Corona wenden sich viele dieser Allergiker an Allergologen und bitten um Testung der Corona-Impfstoffe. Auf den Seiten des Robert Koch-Instituts sind einige Allergiezentren vermerkt, die solche Testungen durchführen. Beispiel: Ein 58-jähriger Mann kommt zur Testung auf COVID-Impfstoffe und präsentiert einen Allergiepass mit elf verschiedenen Medikamentenallergien. In der erbetenen Testung auf COVID-Impfstoffe verträgt der Patient alle getesteten COVID-Impfstoffe und in der Folge auch problemlos die Impfung mit dem Impfstoff von Moderna. Die weiteren Medikamentenallergien ließen sich in einer aufwändigen Anamnese und Diagnostik als Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Asthma und vasovagale Reaktion erklären. Quelle: Ärzte Zeitung

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