Mehr Trinken bringt kranken Nieren nicht viel

Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion einen höheren Wasserkonsum nahezulegen, nützt nicht viel: Die Harnmenge nimmt zwar etwas zu, die Nierenfunktion verbessert sich aber nicht. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Mehr Wasser zu trinken, wird älteren Menschen generell geraten, da ihr Durstgefühl oft nicht mehr stark genug ist, um die benötigte Flüssigkeitsmenge einzufordern. Auch Patienten mit deutlich reduzierter Nierenfunktion trinken oftmals zu wenig. Die Nieren könnten auch hier von einem höheren Wasserkonsum profitieren, legten einige Studien nahe, wenngleich die Evidenz dafür nicht besonders gut sei, geben Forscher um Dr. William F. Clark vom London Health Sciences Centre in der kanadischen Provinz Ontario zu bedenken. Sie haben daher in einer randomisiert-kontrollierten Studie geschaut, ob ein intensives Coaching ältere Menschen mit chronischer Nierenerkrankung dazu bringen kann, mehr Wasser zu trinken, und ob dies dann auch tatsächlich die Nierenfunktion verbessert. Ersteres scheint nach ihren Daten zu klappen, Letzteres wohl nicht. 600 ml mehr Flüssigkeit pro Tag Für ihre Studie konnten die Wissenschaftler 631 Patienten mit einer chronischen Nierenerkrankung im Stadium 3 gewinnen: Die glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) musste zwischen 30 und 60 ml/min pro 1,73 m2 liegen, das Albumin-Kreatinin-Verhältnis über 25 mg/g bei Frauen und 18 mg/g bei Männern. Auch durften die Patienten bislang nicht mehr als zehn Tassen Flüssigkeit pro Tag getrunken und nicht mehr als 3 Liter Harn ausgeschieden haben. Jeweils die Hälfte der Patienten wurde nach dem Zufallsprinzip einer Interventions- und einer Kontrollgruppe zugeordnet. In der Interventionsgruppe erhielten die Patienten detaillierte Anweisungen, ihren Wasserkonsum um ein bis eineinhalb Liter täglich zu erhöhen. Sie sollten zu den Mahlzeiten zusätzliches Wasser trinken und die Menge innerhalb von zwei Wochen auf das gewünschte Zielvolumen steigern. Um die Adhärenz zu erleichtern, bekamen die Teilnehmer ausreichend Gutscheine gestellt, damit konnten sie sich täglich eine Flasche mit 1,5 Litern Wasser besorgen. In der Kontrollgruppe wurden die Teilnehmer hingegen angehalten, ihren Flüssigkeitskonsum beizubehalten oder um einen viertel bis halben Liter täglich zu senken, sofern dies die Studienärzte für unbedenklich hielten. Um die Teilnehmer bei der Stange zu halten, wurden sie regelmäßig angerufen und nach ihrem Flüssigkeitskonsum befragt. Nach sechs und zwölf Monaten bestimmten die Ärzte das 24-Stunden-Harnvolumen sowie die Nierenfunktion. Das Alter der Teilnehmer betrug zum Studienbeginn im Schnitt 65 Jahre, knapp die Hälfte war adipös, ebenso viele hatten einen Typ-2-Diabetes, knapp 90% eine Hypertonie. Das 24-Stunden-Harnvolumen erreichte anfangs einen Wert von im Schnitt 1,9 Litern, die eGFR bezifferten die Ärzte mit 43 ml/min. Diese und weitere Werte unterschieden sich nicht signifikant in den beiden Gruppen. Wie sich zeigte, war das Coaching durchaus erfolgreich: Sowohl nach sechs als auch nach zwölf Monaten maßen die Studienärzte in der Interventionsgruppe ein mittleres 24-Stunden-Harnvolumen von 2,5 Litern, dagegen war der Wert in der Kontrollgruppe konstant geblieben, der Zuwachs von 0,6 Litern gegenüber der Kontrollgruppe erwies sich als statistisch signifikant. Der Wert korrelierte auch gut mit der von den Teilnehmern angegebenen Flüssigkeitszufuhr: Diese war nach deren Angaben in der Interventionsgruppe um 0,7 Liter gestiegen und in der Kontrollgruppe konstant geblieben. Keine belastbaren Unterschiede beim eGFR-Wert Auf die Nierenfunktion hatte dies jedoch keine Auswirkungen: Nach einem Jahr war der eGFR-Wert in der Interventionsgruppe sogar etwas stärker zurückgegangen als in der Kontrollgruppe (minus 2,2 versus minus 1,9 ml/min), der Unterschied beim primären Endpunkt erwies sich jedoch als statistisch nicht signifikant. Daran änderte sich auch nichts, wenn Begleitfaktoren wie Alter, Geschlecht, Medikation und Nierenfunktion zu Beginn berücksichtigt wurden. Etwas besser sah es mit der Kreatinin-Clearance aus: Diese hatte in der Interventionsgruppe ausgehend von 52 ml/min um 0,6 ml/min zugenommen, in der Kontrollgruppe hingegen um 3,0 ml/min abgenommen – eine signifikante Differenz. Ebenso war der Plasma-Copeptinwert in der Interventionsgruppe von zu Beginn 17,4 pmol/l um 1,4 pmol/l gesunken, in der Kontrollgruppe hingegen leicht um 0,8 gestiegen. Auf diese beiden Parameter hatte die erhöhte Wasserzufuhr offenbar eine günstige Wirkung. Keine statistisch belastbaren Unterschiede gab es jedoch mit Blick auf die Albuminkonzentration im Urin sowie die Lebensqualität. Ebenso wenig unterschied sich die Rate der unerwünschten Wirkungen: Solche wurden bei jedem Siebten beobachtet und standen nach Auffassung der Studienärzte nicht im Zusammenhang mit der Intervention. Die Forscher um Clark stellen daher fest, dass mehr Wasser zu trinken den Abbau der Nierenfunktion bei Patienten mit einer chronischen Nierenerkrankung nicht bremsen kann, sofern man dafür als Maß den eGFR-Wert heranzieht. Möglicherweise hatten die Teilnehmer noch zu wenig getrunken oder die Studie hätte länger dauern müssen, um einen signifikanten Effekt zu erzielen. Ob dieser dann allerdings zugunsten der Wassertrinker ausgefallen wäre, ist fraglich, schließlich ging der eGFR-Wert in der Interventionsgruppe numerisch etwas stärker zurück als in der Kontrollgruppe. Das Wichtigste in Kürze Frage: Können Ärzte ihre Nierenpatienten zu einem höheren Wasserkonsum bewegen, und bremst dieser dann den Abbau der Nierenfunktion? Antwort: Der Wasserkonsum lässt sich zwar durch eine gute Beratung um etwas mehr als einen halben Liter am Tag steigern, dies hat aber keinen großen Einfluss auf die Nierenfunktion. Bedeutung: Nierenkranken zu sagen, sie sollten mehr Wasser trinken, bringt den Nieren nichts. Einschränkung: Die Studie dauerte möglicherweise nicht lange genug, auch hatten die Teilnehmer vielleicht zu wenig zusätzliches Wasser getrunken.

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