Vitamin-B₁₂-Mangel im Alter weit verbreitet

Müdigkeit, Erschöpfung oder neurologische Störungen – dahinter kann ein Vitamin-B12-Mangel stecken, besonders bei älteren Menschen. Studien bestätigen außerdem einen Zusammenhang zwischen Vitamin-B12-Mangel und Demenz. Wird das Defizit rechtzeitig erkannt, lässt es sich durch eine hoch dosierte orale Substitution mit Vitamin B12 genauso effektiv therapieren wie parenteral. Etwa ein Viertel der über 65-Jährigen ist nicht ausreichend mit Vitamin B12 (Cobalamin) versorgt. Häufigste Ursachen sind eine zu geringe Zufuhr mit der Nahrung z.B. durch fleischarme Ernährung, Resorptionsstörungen durch Magen-Darm-Erkrankungen, Mangel an Intrinsic Factor und die Langzeiteinnahme von bestimmten Medikamenten wie Metformin oder Protonenpumpenhemmern, welche Resorptions- und Verwertungsstörungen hervorrufen können. Dass ältere Menschen eine Risikogruppe für einen subklinischen Mangel an Vitamin B12 sind, wurde in einer aktuellen Untersuchung im Rahmen der Augsburger Bevölkerungsstudie KORA-Age festgestellt [1]. In dieser Studie wurden die Blutproben von 1.079 Personen im Alter von 65 bis 93 Jahren auf den Gehalt an unter anderem Vitamin B12 im Serum hin untersucht. 27,3% der Teilnehmer wiesen eine Vitamin-B12-Serumkonzentration unterhalb des Grenzwertes von 221pmol/l auf. Vitamin-B12-Mangel nimmt mit dem Alter zu Je älter die Teilnehmer waren, umso höher war die Prävalenz des subklinischen Mangels: In der Gruppe der 65- bis 74-Jährigen waren 23,8% von Vitamin-B12-Mangel betroffen, bei den 85- bis 93-Jährigen 37,6%. Dass die Unterversorgung mit Vitamin B12 bei älteren Menschen ein Gesundheitsproblem ist, sehen die Autoren auch durch andere Untersuchungen bestätigt. Sie empfehlen daher, bei Älteren gezielt auf eine mögliche Unterversorgung zu achten. Frühe Diagnosestellung und Behandlung Bei einem Mangel an Vitamin B12 kann eine Mischung aus internistischen, neurologischen und psychiatrischen Symptomen auftreten. Die ersten Anzeichen eines Vitamin-B12-Mangels, wie Müdigkeit, Schlafstörungen, verminderte körperliche und geistige Leistungsfähigkeit und Inappetenz sind recht unspezifisch und werden in der Praxis leicht übersehen. Auch bei psychischen Veränderungen älterer Patienten wie kognitiven Einschränkungen oder depressiven Verstimmungen sollte ein Vitamin-B12-Defizit in Betracht gezogen und eine Diagnose bzw. eine probatorische Therapie eingeleitet werden. Unbehandelt beeinflusst der Vitamin-B12-Mangel das Gehirn und das Rückenmark, wo es zu einer Degeneration der Hinterstränge mit Manschettengefühl um die Fußgelenke und Stand- und Gang-unsicherheit (Ataxie) kommen kann. Die Feinwahrnehmung von Druck, Berührung, Vibration und Positionssinn geht verloren und die Sturzgefahr steigt. Auch hämatologische Auswirkungen und langfristige neurologische und psychiatrische Symptome bis hin zu Depressionen oder Demenz können als Folge des Vitamin-B12-Defizits auftreten. Bestimmen lässt sich der Versorgungsstatus mittels Messung der beiden Biomarker Holotranscobalamin (HoloTC) und Methylmalonsäure (MMA). Die alleinige Bestimmung der Gesamt-Vitamin-B12-Konzentration ist nicht aussagekräftig. Demenz: Häufig liegt ein Vitamin-B12-Defizit vor Bei dementen Patienten gilt es, Erkrankungen mit behandelbaren Ursachen von degenerativen und vaskulären Erkrankungen zu unterscheiden. Zu diesem Ziel kann schon eine gründliche Labordiagnostik des Allgemeinmediziners ausreichen. In einer geriatrischen Patientengruppe mit Verdacht auf Demenz hat man bei knapp 10% ein Vitamin-B12-Defizit festgestellt. Bei Patienten mit gesicherter Demenz war der Vitamin-B12-Mangel sogar die häufigste behandelbare Ursache (Abb. 1) [2]. Bei Patienten mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen (MCI) sind schon Vitamin-B12-Konzentrationen im unteren Normbereich mit einer schlechteren Lern- und Gedächtnisleistung und Veränderungen in der Gehirnstruktur assoziiert [3]. In einer Fallkontrollstudie zeigte die Kombination von hohem Homocysteinwert, normaler bis niedriger Folatkonzentration und niedrigem Vitamin-B12-Spiegel die stärkste Assoziation mit Alzheimer-Demenz [4]. Abb. 1: Häufige behandelbare Ursachen von Demenz (modifiziert nach [2]) Springer Medizin Verlag GmbH × Die Ergebnisse dieser und anderer Studien sprechen für einen Vitamin-B12-Mangel als Risikofaktor für Demenz. Bei kognitiven Störungen sollte deshalb insbesondere bei älteren Patienten ein Vitamin-B12-Mangel als Ursache in Betracht gezogen werden. Vitamin-B12-Supplementierung hoch dosiert auch oral effektiv Die Folgen eines Vitamin-B12-Defizits können durch eine frühzeitige, einfache und patientenfreundliche Substitutionstherapie verhindert werden. Dabei ist entgegen früherer Annahmen selbst bei Malabsorption eine alleinige orale Therapie erfolgreich, wenn Vitamin B12 ausreichend hoch dosiert ist (z.B. mit B12 Ankermann®, 1.000µg Cyanocobalamin pro Tablette). Bei hoher oraler Dosierung kann das Vitamin durch Diffusion über die Darmschleimhaut aufgenommen werden. Dabei gelangt ein wesentlicher Teil unabhängig vom Intrinsic Factor in die Blutbahn und umgeht so Resorptionsstörungen. Zwar werden nur etwa 1% aufgenommen, bei Einnahme von 1.000µg reicht dies jedoch aus, die Vitamin-B12-Speicher zu füllen und einen Mangel auszugleichen (Abb. 2) [5]. Durch eine parenterale Gabe steht dem Körper zum Zeitpunkt der Injektion zwar eine große Menge Vitamin B12 zur Verfügung. Der Großteil davon wird jedoch ungenutzt wieder ausgeschieden [6]. Demnach ist die hohe initiale Konzentration im Blut nach der intramuskulären Applikation für den Therapieerfolg nicht immer entscheidend. Das bestätigt eine aktuelle Studie: Nach einer einmonatigen Therapie erzielte die orale Substitution die gleichen Effekte wie die parenterale Applikation [7]. Auch der Patientenwunsch sollte berücksichtigt werden: Bereits zu Studienbeginn präferierte die Mehrheit der Teilnehmer die orale Therapie. Nach den ersten Injektionen erhöhte sich dieser Anteil. Abb. 2: Orale Vitamin-B12-Supplementierung genauso effektiv wie parenterale Gabe (modifiziert nach [5]) Springer Medizin Verlag GmbH × Eine Metaanalyse von randomisierten kontrollierten Studien durch die Cochrane-Gruppe bestätigt ebenfalls, dass oral verabreichtes Cyanocobalamin in Dosierungen von 1.000 bis 2.000µg ebenso effektiv ist wie parenteral appliziertes – und dies auch bei Patienten mit schweren Resorptionsstörungen wie der perniziösen Anämie [8]. Fazit Ein Mangel an Vitamin B12 kann vielfältige Symptome hervorrufen. Insbesondere ältere Menschen zählen zu der Risikogruppe. Durch eine frühzeitig initiierte Substitutionstherapie können die Symptome gelindert werden. Hoch dosiertes, oral verabreichtes Vitamin B12 wirkt dabei genauso effektiv wie intramuskulär appliziertes Vitamin B12. Literatur Conzade R et al., Nutrients 2017, 9:1276, DOI: 10.3390/nu9121276 Djukic M et al., Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci 2015, 5:429–438 Köbe T et al., Am J Clin Nutr 2016, 103:1045–1054 Chen H et al., Current Alzheimer Research 2015, 12:88–94 Bolaman Z et al., J Clin Therap 2003, 25:3124–3134 Bässler KH et al., Vitamin-Lexikon 1992, Fischer-Verlag, Stuttgart Metaxas C et al., Swiss Med Wkly 2017, 147:w14421 Vidal-Alaball JV et al., Cochrane Database Syst Rev 2005, Jul 20, (3):CD004655 Impressum Literaturarbeit Medizin Report aktuell Nr. 465134 in: MMW - Fortschritte der Medizin 10/2018 Berichterstattung: Dagmar Jäger-Becker, Rodgau Redaktion: Ann Köbler Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführer: Joachim Krieger, Fabian Kaufmann Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Mit freundlicher Unterstützung der Wörwag Pharma GmbH & Co. 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