Vier Sichtweisen auf den Hausarztbesuch im Pflegeheim

Wenn im Pflegeheim die Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und Pflegekräften funktionieren soll, dann braucht es neben guter Kommunikation auch gegenseitiges Verständnis. Doch was versprechen sich die einzelnen Beteiligten von einem Hausarztbesuch? Die INTERPROF-Studie gibt Antwort. Die freie Arztwahl lässt es in manchen Heimen zugehen wie in einem Bienenstock. Durchschnittlich 23 Hausärzte besuchen in Deutschland ein Pflegeheim für die ärztliche Versorgung. Hinzu kommt die Vielzahl an Pflegekräften, in Teilzeit oder Schichtdienst. „Hieraus resultieren verschiedene Konstellationen bei einem ärztlichen Heimbesuch, die die Kommunikation erheblich erschweren können“, erläuterte Dr. Christiane Müller, Radiologin und Mitarbeiterin am Institut für Allgemeinmedizin in Göttingen auf dem 5. Interprofessionellen Gesundheitskongress. Ein erster Schritt für bessere interprofessionelle Kommunikation ist laut Dr. Christiane Müller gegenseitiges Verständnis. Dafür ist es hilfreich zu wissen, welche Erwartungen und Ziele die einzelnen Beteiligten an den Hausarztbesuch haben. Das herauszufinden, war Forschungsschwerpunkt der qualitativen Studie INTERPROF, die von Dr. Christina Müller in Zusammenarbeit mit drei weiteren Instituten in Deutschland durchgeführt wurde. Für die Beantwortung der Frage „Wie erleben Hausärzte, Bewohner, Angehörige und Pflegekräfte den Hausarztbesuch?“ interviewten die Forscher 30 Hausärzten, 18 Pflegekräften, 25 Pflegeheimbewohnern und 23 Angehörigen. Ein Besuch – vier Interessen Die offenen Leitfadeninterviews ergaben: Der Hausarzt wünscht sich einen produktiven Besuch im Pflegeheim. Er möchte den Bewohner gut versorgen und für ihn einen Benefit erreichen. Da der Hausarzt aber auch die ökonomischen Aspekte im Hinterkopf hat, soll das Gleichgewicht zwischen individuellem Aufwand und Nutzen gehalten werden. Pflegekräfte wollen dabei sein. Das bedeutet zum einen, dass sie beim Hausarztbesuch physisch anwesend sein wollen. Zum anderen möchten sie aber auch in medizinische Entscheidungen mit einbezogen werden. „Wenn man nicht dabei ist, als Pflegender, dann hat der Hausbesuch auch nicht richtig stattgefunden“, äußert sich eine Pflegekraft im Interview der Studie. Für die Bewohner des Pflegeheims ist es am wichtigsten autonom zu sein. Sie möchten selbstbestimmt handeln, wie z.B. den Hausarztbesuch selber initiieren. Wenn der Hausarzt ohne Kenntnis des Bewohners kommt oder dieser keinen braucht, kann das mit einem Autonomieverlust einhergehen. Daraus kann Desinteresse von Seiten des Bewohners entstehen, bis hin zur kompletten Ablehnung des Besuches. Die medizinische Versorgung beim Hausbesuch ist für die Bewohner eher zweitrangig. Die Angehörigen möchten einbezogen werden. Dies bezieht sich auf die medizinische Versorgung insgesamt, wie Medikamente kaufen oder die Organisation eines Arztbesuches und die Begleitung zu diesem. Maßnahmen für eine bessere Zusammenarbeit im Pflegeheim Mithilfe von interprofessionellen Fokusgruppen aus Hausärzten und Pflegekräften wurden im zweiten Schritt der Studie darauf aufbauend Maßnahmen für eine bessere Zusammenarbeit im Pflegeheim entwickelt. „Denn wir wissen, dass interprofessionelle Zusammenarbeit die Patientenversorgung verbessern kann“, bekräftigt Dr. Christiane Müller. Sie arbeiteten sechs Maßnahmen aus: Zielvereinbarungstreffen zwischen Hausärzten, Pflegekräften, Angehörigen und Betroffenen nach Bedarf wöchentlich oder monatlich durchführen Hauptansprechpartner im Pflegeheim und in der Hausarztpraxis festlegen Erreichbarkeit mit Fax und Telefon gewährleisten Einen strukturierten Ablauf des ärztlichen Heimbesuchs implementieren (Terminabsprache, Priorisierung des Anliegens durch die Pflegekraft, Vorgespräch mit der Pflegekraft, Nachgespräch oder Dokumentation mit genauen Angaben für die Pflegekraft) Bedarfsmedikation festlegen Namensschilder tragen Die Maßnahmen wurden in vier Göttinger Pflegeheimen drei Monate lang implementiert und durchgehend positiv bewertet. Manko für alle beteiligten Hausärzte war jedoch der erhöhte Zeitaufwand, besonders durch die Zielvereinbarungstreffen. Im nächsten Schritt möchten Dr. Christiane Müller und ihre Kollegen herausfinden, wie die Maßnahmen die medizinische Versorgungsqualität der Pflegeheimbewohner beeinflusst. Die Studie INTERPROF.act startete am 1. April 2017. Basierend auf: Vortrag „Interprofessionelle Zusammenarbeit und Kommunikation im Pflegeheim“ von Dr. Christina Müller/Institut für Allgemeinmedizin in Göttingen, im Rahmen des 5. Interprofessionellen Gesundheitskongresses, 28.4 bis 29.4.2017 in Dresden Diese Berichterstattung wurde durch finanzielle Unterstützung des Unternehmens medi GmbH & Co. KG ermöglicht. Das Unternehmen hatte keinen Einfluss auf die Inhalte der Berichterstattung.

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Springer Medizin

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