Polypharmazie beim multimorbiden Patienten: Auf was Sie achten müssen

Medikamente müssen nicht nur richtig verordnet werden. Der Arzt sollte auch gewährleisten, dass sie korrekt angewendet werden. Vor allem die Polypharmazie bei multimorbiden älteren Patienten erfordert viel ärztliche Kunst. Für die Polypharmazie, das heißt die Verordnung von fünf und mehr Medikamenten, gibt es in vielen Fällen gute Evidenz, sagte Prof. Dr. Walter E. Haefeli, Universitätsklinikum Heidelberg. So empfehlen Leitlinien für manche Erkrankungen aus guten Gründen durchaus mehrere Medikamente. Bei multimorbiden Patienten ist jedoch häufig zur Behandlung verschiedener Erkrankungen eine Polypharmazie erforderlich, für die eine ausreichende Evidenz fehlt. Dann sei die ärztliche Kunst gefragt, um Kombinationen klug zu wählen und die individuellen Bedürfnisse und Präferenzen gebührend zu berücksichtigen, betonte Haefeli. Kontraindikationen und Wechselwirkungen sind zu beachten, Dosierungsfehler zu vermeiden und vieles mehr. Bei Patienten mit Polypharmazie sollte die Gesamtmedikation analysiert werden. Dabei ist auch zu prüfen, ob das Unabdingbare verordnet ist, um eine Unterversorgung zu vermeiden. Andererseits sollte nicht alles theoretisch Machbare umgesetzt werden. Bei einer Überversorgung sollten gezielt Medikamente abgesetzt werden. Bei Arzneimitteln, die individuell sinnvoll sind, muss auf eine adäquate Dosierung geachtet werden. Die Medikation sollte regelmäßig überprüft und gegebenenfalls angepasst werden, empfahl Haefeli. Um eine sichere und erfolgreiche Arzneimitteltherapie bei älteren, multimorbiden Patienten in der Praxis zu erleichtern, gibt es nützliche Hilfsmittel, beispielsweise die START- und STOPP-Kriterien [O'Mahony D. et al.: Age Ageing 2015; 44 (2): 213-218], die FORTA-Liste [Kuhn-Thiel AM. et al.: Drugs Aging 2014; 31 (2): 131-140] und ggf. auch die PRISCUS-Liste [Holt S et al.: Dtsch Arztebl Int 2010; 107 (31-32): 543-451]. Nicht wenige Patienten werden von mehreren Hausärzten betreut und mit deren Zahl steige die Rate unerwünschter Arzneimittelreaktionen, die zu einer Hospitalisierung führen, berichtete Haefeli. Um den Überblick zu behalten, sei der Informationsaustausch, eine umfassende (Arzneimittel-)Anamnese – einschließlich frei verkäuflicher Medikamente – sowie ein Qualitätsmanagement umso wichtiger. Anwendung von Arzneimitteln für ältere Patienten eine Herausforderung Auch für Patienten und Angehörige ist die Polypharmazie eine Herausforderung. Ältere Patienten haben oft Schwierigkeiten, eine Tablette aus dem Blister zu entnehmen. Wiederholt wurde über Ösophagusperforationen berichtet, weil der Patient eine Tablette mitsamt Verpackung abgetrennt und geschluckt hatte, warnte Haefeli. Für die Anwendung von Inhalatoren sei eine regelmäßige Schulung unerlässlich. Auch transdermale therapeutische Systeme sind ein großes Problem: Haefeli beschrieb Fälle, in denen das Pflaster in die Nahrung fiel, mitgegessen wurde und zu einer Opioidintoxikation führte oder transparente Pflaster übersehen und daher mehrere gleichzeitig an verschiedenen Stellen aufgebracht wurden. Auch in Bezug auf die richtige Handhabung und Anwendung von Arzneimitteln sei daher ein Qualitätsmanagement wichtig, betonte Haefeli. Schluckprobleme abklären Häufig wird die Therapieadhärenz beeinträchtigt, weil Patienten Probleme haben, orale Arzneimittel zu schlucken, sagte Haefeli. Eine Befragung von mehr als 1.000 ambulanten Patienten aus allgemeinmedizinischen Praxen ergab, dass das Schlucken von Tabletten oder Kapseln für 37,4 Prozent schwierig ist. Mehr als die Hälfte veränderte deshalb die Medikamente, beispielsweise durch Zerkleinern, so dass deren Sicherheit und Wirksamkeit möglicherweise nicht mehr gewährleistet war. 9,4 Prozent gaben an, dass sie aufgrund von Schluckschwierigkeiten Medikamente überhaupt nicht einnahmen. Bei einem Großteil der Patienten (70,4 Prozent) waren die Schluckprobleme dem Arzt nicht bekannt [Schiele J.T .et al.: Eur J Clin Pharmacol 2013; 69 (4): 937-948]. Um Schwierigkeiten beim Schlucken einfach zu entdecken, sollten Patienten gefragt werden, ob sie beim Essen oder Trinken öfter husten oder würgen müssen, so Haefeli. Am schwierigsten zu verabreichen sind große, kreisrunde Tabletten. Kapseln und oblonge Formen sind wesentlich einfacher. Bei Schluckproblemen sollte möglichst auf galenische Alternativen, zum Beispiel auf eine häufig vorhandene flüssige Darreichungsform, umgestellt werden, riet Haefeli. Quelle: Ärzte Zeitung Weitere Artikel finden Sie in unserem DGIM-Kongressdossier.

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