Vitamin D gegen MS – die neue Wunderdroge?

Hinweise gibt es viele für eine Rolle der Vitamin-D-Versorgung für das Erkranken an Multipler Sklerose (MS) wie auch den MS-Verlauf. Harte Evidenz fehlt allerdings. In der Praxis setzen viele Experten dennoch bereits Supplemente ein. Mehr vom Kongress Weitere Beiträge zum Kongress finden Sie im Dossier DGN-Kongress 2014. Ein Pro und Kontra sollte es werden. Die Experten waren sich aber relativ einig in ihrer Praxis: Vitamin-D-Spiegel der MS-Patienten bestimmen, Vitamin D supplementieren. Der Hintergrund: In Deutschland ist die Prävalenz einer Unterversorgung mit Vitamin D hoch. „80% der Menschen in Deutschland erreichen einen empfohlenen Serumspiegel von 100 nmol/l nicht“, erläuterte Priv.-Doz. Dr. Michael Linnebank von der Klinik für Neurologie des Universitätsspitals Zürich (Schweiz). Bei Patienten mit MS sei die Unterversorgung sogar noch viel ausgeprägter. Das Vitamin spielt eine Rolle bei der weltweit beobachteten Assoziation von höhere MS-Prävalenz in Ländern mit geringerer Sonnenlichtexposition und es lässt sich auch eine Assoziation zwischen Vitamin-D-Spiegel und MS-Prävalenz feststellen. In vitro-Belege sprechen für vielfältige Funktionen von Vitamin D auf das Immunsystem – ähnlich dem Interferon-beta, das zur Therapie der MS eingesetzt wird. Vitamin D beeinflusst regulatorische T-Zellen mit einem Shift hin zu einer entzündlichen TH1-Antwort bei einem Vitamin-D-Mangel, argumentierte Linnebank weiter. Klinisch scheint Vitamin-D-Mangel die MS-Aktivität zu erhöhen, ein ausreichender Vitamin-D-Spiegel die Aktivität abzumildern. Ein Mehr an Vitamin D über die definierten Serumspiegel hinaus hat dann allerdings keine zusätzlichen Effekt mehr. Da fast alle Patienten mit MS eine Mangelversorgung haben, ist die Substitution des Vitamins in seiner Klinik Routine. Der für die Kontra-Position eingeladene Direktor der Klinik für Neurologie der Universität Regensburg, Prof. Dr. Ulrich Bogdahn, gab zu, dass bei allen seinen Patienten Serumspiegel bestimme und sogar selbst Vitamin D einnehme. Man wisse aber immer noch nicht, ob Vitamin D tatsächlich ein wichtiger Faktor der Pathogenese der MS sei und wie diese pathophysiologische Rolle des Vitamins aussehen könne. Was man wisse, sei, dass bei allen Autoimmunerkrankungen ein Vitamin-D-Mangel häufig zu beobachten sei – teils auch sekundär als Reaktion auf entzündliche Prozesse. Studien bei Rheumatoider Arthritis oder einigen Krebserkrankungen weisen auf einen günstigen Effekt hinsichtlich der Krankheitsaktivität hin und es ist bisher nicht zu negativen Studien mit Vitamin D gekommen. Zur Prävention wie zur Therapie der MS mit einer Vitamin-D-Supplementation gibt es derzeit keine validen Daten. Problem ist die große Zahl von anderen Einflussfaktoren, z. B. der Immunogenetik, die noch wenig verstanden ist, dem Freizeitverhalten, dem möglicherweise unterschiedlichen Bedarf im Individuum (dick, dünn, aktiv, inaktiv etc.) oder der Ernährung und dem Alkohol- und Tabakkonsum. Zum Thema Vitamin-D-Supplementation bei MS laufen derzeit aber 19 Studien – es ist also in einigen Jahren eine bessere Evidenzlage zu erwarten. Die sollte man abwarten, mahnten Diskutanden im Plenum an und erinnerten an Studien mit Supplementation von Hochdosis-Vitamin E oder Spurenelementen bei Krebs, die nicht nur keine Wirksamkeit, sondern ein ungünstigeres Ergebnis bei Supplementation gezeigt hatten. Im Übrigen stelle sich die Frage, wie ein Grenzwert zustande komme, bei dem 80% und mehr aller Menschen eine Unterversorgung aufweisen. Ein gewichtiges Argument warfen die Experten dann aber doch noch in die Waagschale für die Vitamin-D-Supplementation: Zusammen mit Kalzium sei Vitamin D in seiner Rolle für den Knochenstoffwechsel gerade auch für Patienten mit MS sehr wichtig.

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