Diabetes nicht mehr kontrolliert? Abwarten schadet der Prognose

Verzögerungen bei Einleitung und Intensivierung einer Diabetestherapie erhöhen das Risiko für schwere Komplikationen. Einer Studie zufolge kann sich schon ein einziger Monat negativ bemerkbar machen. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Selbst wenn bereits dokumentiert ist, dass die HbA1c-Werte eines Typ-2-Diabetikers zu hoch sind, dauert es oft, bis die Therapie intensiviert wird. US-amerikanische Wissenschaftler warnen nun, dass dies für die Patienten schon in einem relativ kurzen Zeitraum gravierende Folgen haben kann. Das Team um Gregory Nichols vom US-Gesundheitsdienstleister Kaiser Permanente Northwest in Oregon hat die Auswirkungen anhand von elektronischen Patientenakten an drei „klassischen“ Stufen der Diabetestherapie studiert: bei Erstbehandlung mit Metformin (MET; 18.762 Patienten), bei Hinzunahme eines Sulfonylharnstoffs (SH; 10.076 Patienten) und bei Beginn einer Insulintherapie zusätzlich zu MET oder SH (9778 Patienten). Die Analyse begann jeweils sechs Monate vor dem Start der Therapie und erfasste insgesamt etwa fünf Jahre. Mehr Herz-Kreislauf-Komplikationen und Todesfälle Der höchste HbA1c-Wert in den sechs Monaten vor der Therapieintensivierung (präTI-HbA1c) lag im Mittel bei 7,9% in der MET-Gruppe und 9,0% bzw. 9,6% in der SH- bzw. Insulingruppe. Jeder zusätzliche Prozentpunkt des präTI-HbA1c jenseits von 7,0% war in der MET-Kohorte sowohl mit einem höheren Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse (+10%) und Krankenhausaufnahmen wegen Herzinsuffizienz (+7%) als auch mit einem höheren Sterberisiko (+7%) verbunden. In der Insulingruppe korrelierte er mit einem Anstieg der kardiovaskulären Ereignisrate (+9%). In der SH-Gruppe zeigte sich bei keinem der Endpunkte ein signifikanter Zusammenhang mit dem präTI-HbA1c. Monatliche Verschlechterung Mit jedem Monat, um den die Therapieintensivierung nach hinten verschoben wurde, kam es in der MET-Kohorte außerdem zu einem Anstieg von Krankenhausaufnahmen und Todesfällen (relatives Risiko jeweils + 6%). In der SH- wie in der Insulingruppe korrelierte diese Verzögerung mit einem Zusatzrisiko für kardiovaskuläre Ereignisse (+5% bzw. +4%), in der MET-Gruppe außerdem mit einem höheren Risiko für stationäre Herzinsuffizienztherapien (+6%). Betrachtete man den kumulativen präTI-HbA1c (z. B. in der MET-Insulin-Kohorte den HbA1c-Überschuss nicht nur vor der Insulin-, sondern auch vor der vorausgegangenen Metformintherapie), waren höhere Werte bei allen Patienten mit einer höheren kardiovaskulären Ereignisrate assoziiert (pro Prozentpunkt mehr: +16% mit MET/SH, +18% mit MET/SH/Insulin). „Verzögerungen bei der Therapieintensivierung und die daraus resultierenden höheren HbA1c-Werte sind in allen Stadien der Diabetestherapie, am stärksten aber bei therapienaiven Patienten, mit einem schlechten Outcome über einen Zeitraum von fünf Jahren assoziiert“, lautet das Fazit der Studienautoren. Eine frühere Therapie sei wahrscheinlich in der Lage, das Risiko für eine schlechte Prognose einschließlich Tod zu senken. Ein Nachteil der Studie ist, dass neuere und nachweislich kardioprotektive Diabetesmedikamente nicht untersucht wurden. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie wirken sich Verzögerungen bei der Intensivierung einer Diabetestherapie auf die Prognose aus? Antwort: Verzögerungen und die daraus resultierenden höheren HbA1c-Werte sind mit einem schlechten Outcome (kardiovaskuläre Ereignisse, stationäre Aufnahme wegen Herzinsuffizienz und/oder Mortalität) über einen Zeitraum von fünf Jahren assoziiert. Bedeutung: Durch eine frühzeitige Therapie(intensivierung) kann wahrscheinlich das Risiko für eine schlechte Prognose einschließlich Tod gesenkt werden. Einschränkung: Retrospektive Analyse; keine modernen Antidiabetika.

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