Verringert die endoskopische Überwachung die Karzinomsterblichkeit?

Fortlaufende endoskopische Überwachungsuntersuchungen beim Barrett-Ösophagus entdecken auftretende Adenomkarzinome in früheren Stadien und bessern dadurch die Prognose. Hintergrund Das Adenokarzinom des Ösophagus ist mit einer ungünstigen Prognose belastet, die mediane Überlebenszeit nach Diagnosestellung liegt unter einem Jahr. Der Barrett-Ösophagus ist eine endoskopisch zu diagnostizierende Vorläuferläsion, welche die Möglichkeit einer Frühdiagnose bietet. Praxisleitlinien empfehlen eine endoskopische Überwachung von Barrett-Patienten, unter Umständen mit lokaler Ablation oder Resektion neoplastisch veränderter Anteile. Allerdings steht der Wert der endoskopischen Überwachung nicht gerade auf festen Beinen, da es keine klinischen Studien oder große prospektive Kohorten-Untersuchungen über das Überleben oder die Karzinom-spezifische Mortalität von Patienten mit Barrett-Ösophagus unabhängig von der klinischen Symptomatik gibt. Nach den Ergebnissen einer vor kurzem publizierten populationsbezogenen Fall-Kontroll-Studie führt die endoskopische Überwachung von Barrett-Patienten nicht zu einer Verringerung der Mortalität des Ösophagus-Adenokarzinoms. Patienten und Methoden Aus den Datenbanken der Krankenhäuser der Veterans Health Administration identifizierte man Patienten, bei denen zwischen 2003 und 2009 ein Barrett-Ösophagus diagnostiziert worden war. Patienten mit Erkrankungen, welche das Gesamtüberleben beeinträchtigten, wurden ausgeschlossen. In dieser Kohorte wertete man die Krankenakten der Personen aus, bei denen bis zum Jahr 2011 ein Adenokarzinom des Ösophagus nach vorheriger Barrett-Diagnose diagnostiziert und behandelt worden war. Die klinischen Daten und die Überlebenszeit dieser Personen wurden in Abhängigkeit zur Teilnahme an einem Barrett-Überwachungsprogramm mit einem Cox-Regressionsmodell analysiert. Ergebnisse Unter 29.536 Patienten mit Barrett-Ösophagus fanden sich in diesem Zeitraum 780 mit Ösophagus- oder Magenkarzinom. Bei 424 dieser durchschnittlich 66,9 Jahre alten Patienten wurde die Diagnose eines Adenokarzinoms des Ösophagus auf dem Boden eines endoskopisch und histologisch verifizierten Barrett-Ösophagus gestellt. 78% dieser Patienten hatten ein langes Barrett-Segment. Zwischen der Diagnose eines Barrett-Ösophagus und der Karzinomdiagnose lagen im Mittel 5,0 Jahre. In 11,8% der Fälle handelt es sich um ein Stadium 0, in 50% um ein Stadium 1, bei 18,9% lag ein Stadium 2, bei 5% ein Stadium 3 und bei 8,9% ein Stadium 4 vor. Bei 5,4% fand sich keine Angabe zum Krankheitsstadium. Bei 46,7% der Patienten wurde eine Ösophagektomie durchgeführt, 11,1% erhielten eine adjuvante oder neoadjuvante Chemotherapie und/oder Bestrahlung, bei 23,1% wurde eine endoskopische Ablation und/oder Resektion durchgeführt. Insgesamt verstarben im Lauf der fünfjährigen Beobachtungsperiode 207 Patienten (48,8%). 90,3% der Todesfälle wurden dem Adenokarzinom des Ösophagus zugeschrieben. 209 der 424 Patienten (49,3%) befanden sich in einem Überwachungsprogramm und dementsprechend wurde die Karzinomdiagnose im Rahmen der routinemäßigen Endoskopie gestellt. Im Vergleich zu den 215 Patienten ohne regelmäßige Überwachung wurden die Karzinome in der Überwachungsgruppe signifikant häufiger in einem frühen Stadium (Stadium 0 oder 1: 74,7% vs. 56,2%; p <0,001) erfasst. Dementsprechend überlebten die überwachten Karzinom-Patienten länger (Median 3,2 vs. 2,3 Jahre; p< 0,001) und hatten eine niedrigere karzinombezogene Mortalität (34,0% vs. 54,0%; p<0,0001; siehe Abb.1). Insgesamt ging die Überwachungsstrategie mit einer um ca. 50% verringerten karzinombezogenen Mortalität einher, die sich im Wesentlichen durch die Diagnose in einem früheren Krankheitsstadium erklärte. Kommentar von Prof. Füeßl "Endoskopische Überwachung bei langem Barrett-Segment sinnvoll" Prof. Dr. med. H. S. Füeßl München × Die Untersuchung besticht vor allem durch die großen Patientenzahlen, die gute Dokumentation anhand elektronischer Krankenhausdaten und die, soweit möglich, isolierte Betrachtung der karzinombezogenen Mortalität unabhängig von anderen Risiken. Wichtige Faktoren, die die Validität einer Beobachtungsstudie gefährden können, wie freiwillige Teilnahme, Einfluss der Studiendauer und der sogenannte Iead time bias wurden methodisch berücksichtigt und korrigiert. Was allerdings nicht berücksichtigt werden konnte, ist der medizinische Fortschritt im Lauf der langen Studienperiode. Gerade in der Zeit der Studie wurde die endoskopische Ablation entwickelt und in zunehmender Häufigkeit angewandt. Mit diesem Verfahren könnte sich der Krankheitsverlauf und die Prognose des Barrett-Ösophagus deutlich geändert haben. Allerdings erscheint eine endoskopische Überwachung auch der so behandelten Patienten mit langen Barrett-Segment plausibel. In der Praxis besteht ohnehin eher die Gefahr einer Über- statt einer Unterversorgung, indem man nämlich auch kurze und Mini-Barrett Segmente in gleicher Weise behandelt, wie lange Segmente. Dass dies nicht gerechtfertigt ist, zeigen mittlerweile mehrere Populationsstudien. Take-home-message Patienten mit langem Barrett-Segment des Ösophagus sollten in ein endoskopisches Überwachungsprogramm aufgenommen werden, da hiermit Adenokarzinome frühzeitig diagnostiziert werden können und die Prognose verbessert wird.

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