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23.02.2024 | DKK 2024 | Kongressbericht | Nachrichten | In Kooperation mit: Deutsche Krebsgesellschaft e. V. und Stiftung Deutsche Krebshilfe

Ältere Menschen mit Krebs

Ab 65 Jahren vor Therapiebeginn auf den Medikationsplan schauen!

verfasst von: Friederike Klein

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Krebspatientinnen und -patienten sind im Durchschnitt bei Diagnose 70 Jahre alt. Das wird in der klinischen Routine wie in klinischen Studien noch zu wenig berücksichtigt. Geriatrisches Assessment und Medikamentenanalyse bieten die Chance, Probleme vor der Therapie zu erkennen und zu verbessern und die Toxizität der Krebstherapie zu vermindern. 

Der durchschnittliche Patient mit Krebs ist schon älter. Das mittlere Alter bei Diagnose einer Krebserkrankung liegt nach den aktuellen Daten des Robert Koch-Instituts bei 70 Jahren [1]. Mit der demographischen Entwicklung steigt die Zahl älterer Krebspatienten weiter an. So erhielten 2015 99.234 Menschen im Alter von über 80 Jahren eine Krebsdiagnose, 2019 waren es in dieser Altersgruppe schon 110.403 – Tendenz weiter steigend, wie Prof. Dr. Ulrich Wedding, Hämatoonkologe und Chefarzt der Abteilung Palliativmedizin des Uniklinikums Jena, auf dem Krebskongress in Berlin berichtete. 

In Studien sind die Teilnehmenden im Schnitt allerdings zehn Jahre jünger als die entsprechenden Kohorten im klinischen Alltag. Alte Patientinnen und Patienten sind entweder per se aufgrund ihres Alters oder aufgrund von Komorbiditäten und funktionellen Einschränkungen ausgeschlossen. Entsprechend fehlt eine gute Evidenzbasis für die Therapieentscheidung bei älteren Krebspatientinnen und -patienten. Hinzu kommt, dass ältere Menschen mit Krebs seltener in Zentren behandelt werden und damit möglicherweise eine ungünstigere Prognose in Kauf genommen wird.

Geriatrisches Assessment noch nicht Routine

Nach den aktuellen Leitlinien der amerikanischen Krebsgesellschaft ASCO sollte bei jedem über 65-Jährigen mit Krebs vor Therapieentscheidung und -beginn ein geriatrisches Assessment (GA) durchgeführt werden [2]. Ein danach ausgerichteter Behandlungsplan kann die Toxizität der onkologischen Therapie reduzieren, ohne das Behandlungsergebnis zu beeinträchtigen [3]. 

Um den Aufwand überschaubar zu halten, empfiehlt die Arbeitsgemeinschaft Geriatrische Onkologie primär ein Screening mit dem Instrument G8 und erst bei Auffälligkeiten in diesem Screening ein ausführliches GA [4]. Zu Weddings Bedauern ist die Umsetzung des GA in der Routine noch nicht verbreitet. „Wäre das ein Medikament mit einer Zulassung, ginge das viel schneller“, glaubt er. „Ein guter Moment, auf das GA zu schauen, ist das Tumorboard“, ergänzte er.

Medikamentencheck vor Therapiebeginn

Vor der Therapieentscheidung besteht auch die Chance, die bereits vorhandene Medikation älterer Menschen mit Krebs zu überprüfen. Dabei können potenziell für Ältere nicht geeignete und für die Toxizität der onkologischen Therapie bedeutsame Medikamente identifiziert und ersetzt oder abgesetzt werden. 

Wie relevant das ist, zeigt die IrMA-Studie aus Bonn. 96 Krebskranke im Alter ab 70 Jahren wurden nach einem onkogeriatrischen Assessment mit dem CARG-Score in Gruppen mit erwarteter hoher Toxizität (n=39) und erwarteter niedriger Toxizität (n=57) eingeteilt. In Abhängigkeit von der Zahl der bisher eingenommenen Medikamente (Polymedikation: ≥5) erfolgte ein Medikamenten- und/oder Symptommanagement. Wie Prof. Dr. Ulrich Jaehde, Leiter der Abteilung Klinische Pharmazie der Universität Bonn, berichtete, wurden bei 45 Patientinnen und Patienten mit im Durchschnitt 8,8 bisher eingenommenen Arzneimitteln insgesamt 230 interventionsbedürftige arzneimittelbezogene Probleme identifiziert, darunter 61 potentiell inadäquate Medikationen, 53 Interaktionen und 51 Indikationen ohne Arzneimittel. Es gelang, diese Probleme zu fast drei Viertel (73,9%) zu lösen, betonte er. „Wir werten noch aus, wie sich das auf die Toxizität der onkologischen Therapie ausgewirkt hat“, versprach er. 

Medikamentenplan und Medikationsanalyse helfen weiter

Der seit acht Jahren eingeführte Bundeseinheitliche Medikationsplan kann einen guten Überblick über die aktuelle Medikation geben. Idealerweise sollten die Betroffenen damit zum Onkologen kommen. Allerdings setzt sich dieser vom Hausarzt/der Hausärztin zu erstellende Plan, auf den die Patientinnen und Patienten einen Anspruch haben, erst langsam durch. Auch kann der Plan Fehler enthalten – ein kritischer Blick sei immer gut, sagte Jaehde. Alternativ sollten die Betroffenen zum Termin alle Medikamente mitbringen, die sie einnehmen. 

Bei der strukturierten Analyse der aktuellen Gesamtmedikation kann die Apotheke helfen. Seit Juni 2022 ist die pharmazeutische Betreuung im ersten halben Jahr einer ambulanten oralen Antitumortherapie sogar Kassenleistung. Allerdings ist auch hier die Umsetzung langsam und es gibt noch nicht viele Apotheken, die diesen Service anbieten.   

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basierend auf:  36. Deutscher Krebskongress vom 21.–24. Februar 2024 in Berlin; Sitzung: „Herausforderungen in der medikamentösen Therapie älterer Krebspatient*innen“ am 23. Februar 2024

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Literatur

[1] Robert-Koch-Institut 2023. Krebs in Deutschland, 14. Auflage

[2] Dale W et al. J Clin Oncol. 2023;41(26):4293-4312

[3] Culakova E et al. J Clin Oncol. 2023;41(4):835-846

[4] Kolb G et al. Dtsch Arztebl 2020; 117(27-28):A-1382/ B-1182

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