Tibiakopffrakturen: „Kein Zugeständnis bei der Vollbelastung!“

Als osteoporoseassoziierte „Altersbrüche“ werden Tibiakopffrakturen bei geriatrischen Patienten mitunter nach „Schema F“ chirurgisch versorgt. Dabei profitieren auch alte und sehr alte Patienten stark von phänotypischer Analyse und individueller Versorgung. Operieren oder konservativ versorgen, diese Frage sei bei den allermeisten alten Patienten mit Tibiakopffraktur nicht die entscheidende Frage, sagte Prof. Dr. Edgar Mayr von der Klinik für Unfallchirurgie am Klinikum Augsburg: „Alte Patienten können nicht teilbelasten. Wir dürfen in der geriatrischen Traumatologie bei der schnellstmöglichen Vollbelastung keine Konzessionen machen.“ Wie wichtig gerade im höheren Alter eine auf unmittelbare Vollbelastung zielende Therapie ist, zeige sich unter anderem an einer Langzeituntersuchung des Klinikums Siegen, bei der eine mobilisierende Operation bei Femurfraktur mit einer geringeren Sterblichkeit einherging als die Versorgung mit prothetischem Nagel. (Langenhan R et al. J Orthop Trauma 2012; 26(2):80-5) Die Frage bei Tibiakopffrakturen im Alter ist für Mayr daher nicht, ob pauschal aggressiv operiert werden sollte, sondern eher, wie am besten rasche Vollbelastung zu gewährleisten ist. Generell müsse in der Geriatrie am Tibiakopf mit mehrfragmentären Frakturen und mit Gelenksarthrose gerechnet werden. Das heiße aber nicht, dass viel Stahl auch viel helfe: „Es gibt so was wie Biomechanik“, so Mayr, der stark dafür plädierte, auch bei alten Menschen den Phänotyp konsequent zu analysieren. Und das wiederum heißt vor allem, zu klären, ob eine varische oder valgische Anatomie vorliegt. Welche Auswirkungen diese Phänotypisierung konkret hat, machte Mayr an unterschiedlichen Frakturbeispielen deutlich. Bei einer lateralen Split-Fraktur mit einer Stufenbildung von unter 2 Millimetern könne beispielsweise problemlos konservativ versorgt werden, wenn ein Varus-Phänotyp vorliege. Gegebenenfalls könne eine varisierende Orthese die postoperative Nachbehandlung erleichtern. Handelt es sich dagegen um einen Valgus-Phänotyp oder liege die Fraktur medial, dann sei eher eine dislokationssichernde Verschraubung indiziert. Bei einer AO 41 B2 Fraktur, also eine Tibiakopffraktur mit leichter Impression, reiche bei einem Varus-Phänotyp oft eine Abstützplatte ohne Anhebung der Fragmente. Bei einem Valgus-Phänotyp dagegen, bei dem nicht der Großteil der Belastung über die mediale Seilte läuft, sollten die Fragmente operativ angehoben werden. Zusätzlich unterstützt eine varisierende Orthese bei der postoperativen Nachbehandlung, weil sie die laterale Seite entlastet. Nun kann die Analyse des Phänotyps gerade bei geriatrischen Patienten mit Knochenbruch eine gewisse Herausforderung darstellen. Dies dürfe aber kein Grund sein, sie nicht durchzuführen, so Mayr. Der Traumatologe empfahl, die Patienten sauber auf den Rücken zu legen und die Beinachsen gerade auszurichten, was bei Tibiafrakturen anders als bei Oberschenkelhalsfrakturen meist funktioniert: „Bei gerader Beinachse sollten sich die medialen Condylen der Femura und die Innenknöchel küssen“, so Mayr. „Wenn eine Hand zwischen die Femurkodylen passt und sich die Innenknöchel berühren, dann sind das ein O-Beine.“ Weitere Berichte vom DKOU 2019 06.11.2019 | DKOU 2019 | Nachrichten Vordere Kreuzbandruptur als Karriereeinschnitt 05.11.2019 | DKOU 2019 | Nachrichten Rhizarthrose: Entzündung modulieren statt Gelenke infiltrieren 04.11.2019 | DKOU 2019 | Nachrichten Atlasfrakturen: Wann operieren und wann nicht? 03.11.2019 | DKOU 2019 | Nachrichten Tibiakopffrakturen: „Kein Zugeständnis bei der Vollbelastung!“ 02.11.2019 | DKOU 2019 | Nachrichten Neue Grenzwerte für Strahlenkatarakt-Prophylaxe werden unterschritten 01.11.2019 | DKOU 2019 | Nachrichten Ehrenamtliche Patientenbegleiter reduzieren Delirgefahr 31.10.2019 | DKOU 2019 | Nachrichten "Was sich in den Notaufnahmen abspielt, ist einfach unglaublich" Basierend auf: 24. Oktober 2019; Session AV37 „Management von Problemfrakturen in der Alterstraumatologie: How I do it.“

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