Nicht jede Parkinsonmutation verkürzt das Leben

Mutationen im SNCA-Gen verkürzen das Leben deutlich, mit Mutationen im LRRK2- und PRKN-Gen leben die Betroffenen jedoch deutlich länger als Parkinsonkranke ohne Mutationen und ähnlich lange wie nicht Erkrankte. Etwa 5–10% der Parkinsonerkrankungen lassen sich auf Genveränderungen zurückführen, und diese haben einen erheblichen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung. Mutationen im Alpha-Synuclein-Gen (SNCA) sowie im Parkin-Gen (PRKN) bedingen in der Regel einen sehr frühen Krankheitsbeginn, solche mit einer LRRK2-Mutation einen späteren. Auch scheint die Erkrankung bei LRRK2 etwas langsamer zu verlaufen als bei sporadischem Parkinson. Durch eine Mutation im Parkinson-Risikogen GBA (für Glukozerebrosidase) können sowohl frühe als auch späte Verlaufsformen auftreten, erläuterte Dr. Aymeric Lanore vom Pitié-Salpêtrière-Krankenhaus in Paris. Welche Bedeutung solche Genmutationen für das Sterberisiko haben, sei aber noch immer nicht klar dokumentiert, so der Neurologe auf dem Kongress der Europäischen Neurologengesellschaft EAN in Wien. Für GBA lieferten bisherige Untersuchungen recht widersprüchliche Resultate. LRRK2 scheint eher mit einem verzögerten Verlauf und einem reduzierten Sterberisiko einherzugehen – verglichen mit einer sporadischen Parkinsonerkrankung. Anhand eines französischen Parkinsonnetzwerks haben Forscherinnen und Forscher um Lanore nun Sterbedaten von über 2000 Parkinsonkranken mit bekanntem Mutationsstatus analysiert. Die Erkrankten waren zwischen 1990 und 2021 in das Netzwerk aufgenommen worden, bei 343 ließ sich eine der vier Hauptmutationen nachweisen, am häufigsten war das eine GBA-Veränderung (172 Personen) gefolgt von Mutationen in PRKN, LRRK2 und SNCA (je 100, 51 und 20 Personen). Im Schnitt waren die Betroffenen mit etwa 50 Jahren erkrankt, solche mit PRKN-Mutationen mit 32 Jahren. Zehnfach erhöhte Sterberate bei SNCA-Mutation Während einer durchschnittlichen Nachbeobachtungsdauer von zwölf Jahren starben knapp 890 Parkinsonkranke (44%). Am höchsten war dabei die Sterberate von Trägern einer SNCA-Mutation. So war etwa die Hälfte der männlichen Mutationsträger fünf Jahre nach der Aufnahme ins Netzwerk verstorben, dagegen lebte etwa die Hälfte der Männer mit sporadischem Parkinson noch 17 Jahre, Frauen mit und ohne Mutation lebten jeweils etwas länger. Unter Berücksichtigung von Geschlecht, Alter und Erkrankungsbeginn ergab sich bei einer SNCA-Mutation eine rund zehnfach erhöhte Mortalität im Vergleich zu Erkrankten mit sporadischem Parkinson und eine 16-fach höhere Sterblichkeit als in der altersadjustierten Allgemeinbevölkerung. Mit einer GBA-Mutation lag das Sterberisiko etwa ein Drittel über dem von Personen mit sporadischem Parkinson und dreifach über dem der Allgemeinbevölkerung, wobei die Sterberate deutlich von der Ausprägung des mit der GBA-Veränderung assoziierten Morbus Gaucher abhing – das Leben war vor allem mit Typ II und Typ III deutlich verkürzt. Ganz anders sieht es den Resultaten zufolge für Träger einer LRRK2- oder PRKN-Mutation aus: Hier ist das Sterberisiko im Vergleich zu Personen mit sporadischem Parkinson in etwa halbiert und liegt nicht signifikant über dem der Allgemeinbevölkerung, wenngleich sich ein Trend für eine etwas höhere Sterblichkeit als bei Menschen ohne Parkinson ergibt. Charakteristisch für Träger von SNCA- und GBA-Mutationen sind eine relativ rasche motorische Progression und ein früher kognitiver Abbau, dagegen zeigen Betroffene mit LRRK2- und PRKN-Mutationen in der Regel eine langsame motorische Progression und spätere kognitive Einschränkungen. Für Lanore ergeben sich daraus zwei wesentliche Konsequenzen: Zum einen sollten Patientinnen und Patienten mit solchen Mutationen entsprechend sorgfältig beraten und über ihre Prognose aufgeklärt werden, zum anderen sei der unterschiedliche Verlauf beim Design klinischer Studien zu berücksichtigen. So lassen sich bei Personen mit raschem Verlauf vielleicht schneller Effekte neuer Therapien erzielen. Empfehlung der Redaktion Berichte vom Kongress EAN 2022 – das Kongressdossier Im Dossier finden Sie unsere Highlights und Berichte vom 8. Kongress der European Academy of Neurology (EAN). Sie lesen zum Beispiel zu Parkinsonmutationen und der damit verbundenen Lebenserwartung, zum neuen Komplementhemmer bei NMOSD und erfahren, welche Forschungsergebnisse die Entstehung von Migräne mit Aura weiter entschlüsseln. Quelle: 8th Congress of the European Academy of Neurology (EAN). Wien und virtuell, 25-28.6.2022. Press briefing, 23.6.22 Aymeric Lanore: Survival in monogenic forms of Parkinson’s disease.

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