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Erschienen in: Forum der Psychoanalyse 4/2003

01.12.2003 | Originalarbeit

Ein „now moment“ unter der Lupe

Eine Fallgeschichte

verfasst von: Dipl.-Psych. Helga Prager

Erschienen in: Forum der Psychoanalyse | Ausgabe 4/2003

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Zusammenfassung

Ausgangspunkt der Arbeit sind die Veröffentlichungen der Process of Change Study Group um Daniel Stern, in denen neue Hypothesen über den analytischen Prozess und seine Wirkungsmechanismen aufgestellt werden. Der von dieser Gruppe konzeptualisierte Ablauf mit seinen Stadien „moving along“-„now moment“-„moment of meeting“ wird anhand einer Fallgeschichte dargestellt, unter Berücksichtigung wesentlicher Aspekte der Übertragung und insbesondere auch der dabei beobachteten Gegenübertragung. Die Hypothese, wie der detailliert beschriebene Now Moment und Moment of Meeting zu verstehen seien, beruht auf psychoanalytischen Erwägungen. Der Vorgang wird analysiert unter Gesichtspunkten der „reparativen Regression“ bzw. der „Regression mit dem Ziel des Erkanntwerdens“, der Progression und Regression, der Fulguration sowie der Kreativität, Autonomie und Intimität.
Fußnoten
1
In seinem Vortrag „The Intersubjective Understanding of the Development of the Self“ im April 2001 in Lindau sprach Daniel Stern davon, dass am Anfang eines Now Moment ein „moment of anxiety“ eintrete, weil der Therapeut sich angesichts der Unvorhersagbarkeit dessen, was nun geschehen würde, zunächst „entwaffnet“ („disarmed“) fühle.
 
2
Nach Masterson (1985):„die Summe der Selbst- und Objektrepräsentanzen mit den dazugehörigen Affekten ... Die Bezeichnung ‚real‘ ist gleichbedeutend mit gesund oder normal” (S. 21).
 
3
Überhaupt scheint Balint (1968) mit Now Moments und Moments of Meeting zu tun gehabt zu haben, wie eine Vignette, in der er eine Patientin auffordert, einen Purzelbaum zu schlagen, was die auch tut, vermuten lässt—besonders, wenn er dazu sagt: „Dies erwies sich als ein wahrer Durchbruch. Es folgten Veränderungen in ihrem gefühlsmäßigen, sozialen und beruflichen Leben in Richtung auf größere Freiheit und Elastizität“ (S. 138ff.).
 
4
Wenn auch auf eine Erörterung von Kreativität und „Regression im Dienste des Ich“ (Kris 1936, S. 290, und 1952) verzichtet wird, um die Diskussion nicht ausufern zu lassen, sei hierzu doch auf Bush (1969) verwiesen. Bei seiner Übersicht zur Diskussion dieses Konzeptes durch verschiedene Autoren kommt er bezüglich Giovacchini, der Regression im Dienste des Ich speziell auf wissenschaftliche Kreativität bezieht, zu dem Schluss: „Es handelt sich nicht um einen ‚regressiven Umweg in die Richtung der Adaptation’, auf dem die höher entwickelten realitätsorientierten psychischen Funktionsebenen ausgeschaltet oder reduziert wären, sondern um eine direkte regressive Verstärkung, die das Niveau der psychischen Funktionsweisen auf neue höhere Ebenen hebt” (S. 168).
 
5
Nach der Process of Change Study Group (1998) versteht man unter „state“ „die semi-stabile Organisation des Gesamtorganismus in einem gegebenen Moment” (S. 907).
 
6
Diese Überlegungen sind keinesfalls rein theoretischer Natur, wie der oben bereits erwähnte, völlig anders geartete Now Moment mit einer anderen Patientin gezeigt hat, die nach dem Moment of Meeting das Gefühl hatte, „ihr Leben nun geordnet zur Verfügung zu haben—wie Bücher, die in einem Regal stehen“, mit verblüffenden Auswirkungen auf ihre Ich-Identität und Autonomie. Auch hier war es durch den Moment of Meeting als Ergebnis von Now Moment der Patientin und authentischer Reaktion der Therapeutin zur Entstehung eines integrierten Vorher-Nachher-Narrativs gekommen.
 
7
Hierzu Kris (1952): „In der Phantasie dominiert das Gefühl der Entlastung. In der Kreativität und bei der Problemlösung ist dagegen eher eine Mischung von Entlastung und Zufriedenheit im Vordergrund” (S. 317).
 
8
Interessanterweise findet sich bei Kris (1952) ein Zusammenhang zwischen bestimmten Gefühlen in Verbindung mit Kreativität und der frühen Kindheit, wenn auch in einem völlig anderen inhaltlichen Kontext: „Das Siegesgefühl und die Spannungsentlastung erinnern das Individuum an eine Entwicklungsphase, in der Passivität Voraussetzung für totale Befriedigung war und in der die halluzinatorische Wunscherfüllung Realität wurde: an die Phase des Gestilltwerdens” (S. 317).
 
Literatur
Zurück zum Zitat Balint M (1968) Regression. Therapeutische Aspekte und die Theorie der Grundstörung. Deutscher Taschenbuch Verlag, München (1987) Balint M (1968) Regression. Therapeutische Aspekte und die Theorie der Grundstörung. Deutscher Taschenbuch Verlag, München (1987)
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Metadaten
Titel
Ein „now moment“ unter der Lupe
Eine Fallgeschichte
verfasst von
Dipl.-Psych. Helga Prager
Publikationsdatum
01.12.2003
Verlag
Springer-Verlag
Erschienen in
Forum der Psychoanalyse / Ausgabe 4/2003
Print ISSN: 0178-7667
Elektronische ISSN: 1437-0751
DOI
https://doi.org/10.1007/s00451-003-0175-0

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