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Enzyklopädie der Schlafmedizin
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Publiziert am: 22.02.2020

Träume

Verfasst von: Kai Spiegelhalder und Dieter Riemann
Träume sind jegliche kognitiv-emotionale Aktivität, die während des Schlafs stattfindet. Unter Verwendung dieser Definition konnte gezeigt werden, dass Menschen sowohl im REM-Schlaf als auch im NREM-Schlaf träumen, wobei es umstritten ist, ob es überhaupt Schlaf ohne Träumen gibt oder ob dies lediglich eine Frage der Erinnerungsfähigkeit ist. Die Traumerforschung ist methodisch schwierig, da es keinen direkten Zugang zu Träumen gibt, sondern lediglich einen retrospektiven Zugang über die Erinnerung und den Traumbericht derjenigen, die träumen. Hierbei kann es zu systematischen Verfälschungen des realen Traumerlebens kommen, was ebenfalls Gegenstand der Traumforschung ist. Im Hinblick auf die inhaltliche Auswertung von Träumen werden verschiedene Methoden angewendet, zum einen die psychoanalytische bzw. tiefenpsychologische Interpretation, zum anderen eine eher empirisch-deskriptive Analyse.

Englischer Begriff

dreams

Definition

Träume sind jegliche kognitiv-emotionale Aktivität, die während des Schlafs stattfindet. Unter Verwendung dieser Definition konnte gezeigt werden, dass Menschen sowohl im REM-Schlaf als auch im NREM-Schlaf träumen, wobei es umstritten ist, ob es überhaupt Schlaf ohne Träumen gibt oder ob dies lediglich eine Frage der Erinnerungsfähigkeit ist. Die Traumerforschung ist methodisch schwierig, da es keinen direkten Zugang zu Träumen gibt, sondern lediglich einen retrospektiven Zugang über die Erinnerung und den Traumbericht derjenigen, die träumen. Hierbei kann es zu systematischen Verfälschungen des realen Traumerlebens kommen, was ebenfalls Gegenstand der Traumforschung ist. Im Hinblick auf die inhaltliche Auswertung von Träumen werden verschiedene Methoden angewendet, zum einen die psychoanalytische bzw. tiefenpsychologische Interpretation, zum anderen eine eher empirisch-deskriptive Analyse.

Grundlagen

Tiefenpsychologische Traumtheorien und Trauminterpretationen

Bereits in der Antike galt die Traumdeutung als anerkannte Profession. Weitgehende Berühmtheit hat die Oneirokritika des Artemidors von Daldis erlangt, die im zweiten Jahrhundert vor Christus entstand. Auch im Alten und Neuen Testament finden sich Passagen, in denen der Traumdeutung eine wichtige Rolle zukommt. Erinnert sei hierbei an die Träume des ägyptischen Pharao, deren Interpretation ihrem Deuter Josef eine angesehene Position eintrug.
Die im eigentlichen Sinne psychoanalytische beziehungsweise tiefenpsychologisch orientierte Interpretation der Träume nahm ihren Ausgangspunkt mit Sigmund Freuds Werk „Die Traumdeutung“ im Jahr 1900. Freud maß der Beschäftigung mit dem Traum eine ausgesprochen wichtige Bedeutung bei und entwickelte aus der Theorie des Traums seine Neurosenlehre und eine Behandlungsmethode dieser Erkrankungen. Freud verfolgte im Gegensatz zum damals herrschenden naturwissenschaftlichen Zeitgeist einen hermeneutischen Ansatz, was dazu führte, dass sein Werk „Die Traumdeutung“ in den ersten Jahren nach ihrem Erscheinen wenig Anklang außerhalb der psychoanalytisch orientierten Leserschaft fand. Freud betrachtete den Traum als sinnvolles Produkt menschlicher Geistestätigkeit. Sein zentrales Postulat lautete, dass der Traum bzw. die Traumdeutung die Via regia, also den Königsweg zum Unbewussten des Menschen darstelle. Die Lehre von Freud geht davon aus, dass äußere Sinnesreize und innere subjektive Sinneserregungen das Traumgeschehen beeinflussen können. Eine Hauptursache des Traums seien bewusste Wünsche und Strebungen, die tagsüber verfolgt werden, nicht zur Erfüllung gelangen und sich dann als sogenannte Tagesreste in den Träumen niederschlagen. Hauptquelle der Träume seien jedoch primär unbewusste verdrängte Triebregungen infantil-libidinöser Art, die sogenannten latenten Traumgedanken, die sich im Traum in umgewandelter Form als manifester Trauminhalt Ausdruck verschaffen. Die Traumarbeit leiste die Umwandlung der latenten Traumgedanken in den manifesten Inhalt, so wie er vom Träumer erinnert werde. Der Traum, der erinnert wird, sei somit ein Kompromiss zwischen infantilen, primär prozesshaften Wünschen und einem innerpsychischen Zensor. Die Primärprozesshaftigkeit unbewusster Triebregungen sei verantwortlich für den visuell-halluzinatorischen Charakter der Träume. Die Traumarbeit bediene sich der Mechanismen der Verdichtung, Verschiebung, Symbolik und sekundären Bearbeitung und verkleide somit den ursprünglich latenten Trauminhalt in eine halbwegs logische Geschichte. Die therapeutische Trauminterpretation basiere darauf, die latenten Traumgedanken zu identifizieren, was mithilfe der Technik der freien Assoziation möglich sei.
Im Rahmen der tiefenpsychologischen Lehre wurden diese Ideen weiterentwickelt und modifiziert. Schüler von Freud wie Adler und Jung hatten ein anderes Verständnis vom Traum. Adler war der Ansicht, dass eine Kontinuität von Wach- und Traumbewusstsein bestehe. Zudem meinte er, dass die Tagesreste die für den Träumer wichtigen Themen reflektieren. Träume enthüllen nach Adlers Meinung mehr über den Träumer als die Persönlichkeit zu verhüllen. Auch Jung postuliert eine hervorgehobene Stellung für Träume und sah eine Kontinuität zwischen Traum und Wachbewusstsein. In seiner Tiefenpsychologie wird der Traum als Darstellungsart der inneren Wirklichkeit des Träumers mithilfe eines phylogenetisch frühen Denkmodus angesehen. Spätere Schüler wie etwa Erikson in den 1950er-Jahren betonten dann die Wichtigkeit des manifesten Trauminhalts und vertraten die Meinung, dass es nicht unbedingt notwendig sei, im Rahmen der Trauminterpretation die latenten Traumgedanken zu identifizieren. Der Darstellungsstil des manifesten Trauminhalts repräsentiere das für den Träumer charakteristische Raum-Zeit-Gefühl und seinen Bezugsrahmen für Abwehrmaßnahmen, Kompromisse und Handlungen. In den letzten Jahrzehnten hat die Traumdeutung ihren hervorgehobenen Stellenwert im Rahmen der psychoanalytischen Behandlung mehr und mehr zugunsten der Interpretation des Übertragungsgeschehens in der Therapie eingebüßt.

Empirische Traumforschung

Eine in größerem Umfang empirisch orientierte Traumforschung setzte in den 1950er-Jahren in den USA ein und ist in erster Linie mit dem Namen Calvin Hall verbunden. Hall entwickelte ein inhaltsanalytisches Schema zur Traumanalyse und versuchte damit, testtheoretischen Kriterien wie Reliabilität und Validität gerecht zu werden. Hall untersuchte große Stichproben von Träumen in der Normalbevölkerung und stellte eine große Sammlung von Trauminhalten verschiedener Altersgruppen und Berufsgruppen nach Geschlechtern differenziert vor. Seinen Untersuchungen zufolge spielen die meisten Träume in einem Gebäude, es treten durchschnittlich drei Traumpersonen inklusive des Träumers auf. Der Träumende erlebt sich im Traum meist eher passiv als aktiv, feindselige Handlungen sind häufiger als friedliche sowie unangenehme Emotionen häufiger als angenehme. Sozioökonomischer Status und andere soziodemographische Variablen spiegeln sich im Trauminhalt wider. Aus theoretischer Sicht vertrat Hall den Standpunkt, dass Trauminhalte aktuelle Konflikte des Träumers und mögliche Problemlösungsversuche widerspiegeln, zu deren Aufdeckung sich auch die Analyse von Traumserien als hilfreich erweisen soll.

REM-Schlaf und Träume

Mit der Entdeckung des REM-Schlafs im Jahr 1953 begann sich die experimentelle labororientierte Traumforschung zu entwickeln. Dement und Kleitman (1957) publizierten erstmals die Daten von Weckungen von Probanden aus dem REM-Schlafstadium und fanden eine hohe Korrelation zwischen Weckungen aus dem REM-Schlaf und dem Berichten von Träumen. Nach Weckungen aus dem NREM-Schlaf wurden hingegen kaum Träume berichtet. Die Entdeckung war zum damaligen Zeitpunkt eine Sensation, denn sie schien nahezulegen, dass Träume an einen spezifischen neurobiologischen Zustand des Gehirns gekoppelt sind. Die weitere psychophysiologische Traumforschung in den folgenden Jahren entwickelte eine Vielzahl von Manualen, um Trauminhalte möglichst objektiv, reliabel und valide auszuwerten.
Hauptgebiete der Forschung waren die Bereiche Traumerinnerung, Psychophysiologie des Traums, Einfluss externer Stimuli auf Träume sowie Ontogenese und Psychopathologie des Traums. Inzwischen kann als gesichert angesehen werden, dass je physiologisch aktiver eine REM-Phase ist, insbesondere im Hinblick auf die Augenbewegungen, desto lebhaftere und längere Träume erinnert werden. Spezifische psychophysiologische Korrelationen zwischen der Emotionalität eines Traums und physiologischen Variablen wie Herzfrequenz, Atemfrequenz und Augenbewegungsdichte konnten hingegen eher nicht festgestellt werden.
Externe Stimuli werden je nach Stärke in Träume eingebaut. Eine Vielzahl von Stimuli wurden vor oder während des Schlafs appliziert, und es konnte belegt werden, dass emotional belastende Ereignisse oder Filme sich in den Träumen widerspiegeln oder von diesen aufgegriffen werden.
Mit der Ontogenese des Traums beschäftigte sich insbesondere die Arbeitsgruppe von Inge Strauch in Zürich in longitudinalen Traumserien während der Entwicklung. Mit diesen Untersuchungen an Kindern und Jugendlichen im Alter von 10–14 Jahren konnte gezeigt werden, dass das Traumleben die Entwicklungsphasen dieser Kinder und Jugendlichen widerspiegelt, was sich in einer zunehmenden Traumerinnerungsfähigkeit abzeichnet und darin, in welcher Art und Weise geträumt wird.
Auch zu Träumen von Menschen mit psychischen Störungen wurden in den 1960er- und 1970er-Jahren sehr viele Untersuchungen durchgeführt. Für die Gruppe der depressiven Patienten konnte gezeigt werden, dass sich der depressive Gemütszustand auch in den Träumen widerspiegelt. Möglicherweise handelt es sich jedoch auch hier um ein Artefakt der Untersuchungsmethode, da depressive Patienten generell im depressiven Zustand die Vergangenheit und Gegenwart eher negativ wahrnehmen und beschreiben.

Psychophysiologische Traumtheorien

In den letzten Jahrzehnten wurde eine Vielzahl von psychophysiologischen Traumtheorien vorgestellt. Eine sehr populäre ist die von Hobson und McCarley, die sich neurophysiologisch intensiv mit der Regulation von NREM- und REM-Schlaf auseinandersetzten und das reziproke Interaktionsmodell der NREM-REM-Regulation formulierten. In einer frühen Form ihrer Theorie postulierten sie die Hypothese, dass Träume ein Epiphänomen neurophysiologischer Prozesse sind, denen keine eigenständige Gesetzmäßigkeit und Sinnhaftigkeit zukommt. Das Gehirn versuche aus zufälligen Entladungen des Hirnstamms im REM-Schlaf das Beste zu machen und interpretiere daraus soweit wie möglich irgendeine kohärente Geschichte.
Dieser Theorie stehen jedoch andere Modelle gegenüber. So formulierten Koukkou und Lehmann (1980) das Zustandswechselmodell von REM-Schlaf und Traum. Sie gehen davon aus, dass verschiedenen funktionellen Zuständen des Gehirns mit verschiedenen Denkstrategien auch verschiedene EEG-Muster und verschiedene Gedächtnisspeicher zugeordnet sind. Im Schlaf fluktuiere das EEG des Erwachsenen zwischen verschiedenen funktionellen Zuständen, die Ähnlichkeit mit wachen funktionellen Zuständen der Kindheit haben. Die Bearbeitung aufgenommener oder abrufbarer Informationen gehe im Schlaf kontinuierlich weiter, allerdings dann unter Benutzung von Denkstrategien früherer Entwicklungsstufen. Da der REM-Schlaf in Bezug auf das EEG dem Wachzustand am ähnlichsten sei, zudem im REM-Schlaf eine hohe Interhemisphärenkohärenz des EEG bestehe, seien Träume bevorzugt aus diesem Stadium erinnerbar. Koukkou und Lehmann heben die Beschäftigung mit dem Traum deshalb hervor, weil sie davon ausgehen, dass man einerseits dadurch einen Einblick in ontogenetisch frühe Denkstrategien bekommen könne und andererseits die Trauminhalte offen legten, welche Zusammenhänge zum Beispiel zwischen momentanen Konflikten und Problemen und früher gelernten Verhaltensweisen bestünden. Emotionale Erlebnisse würden im Traum mit ähnlichen Ereignissen früherer Zeit in Verbindung gebracht und eventuell aufs Neue bewertet.

Zusammenfassung

Insgesamt hat sich sowohl in der psychoanalytisch orientierten Forschung als auch im Bereich der experimentell-empirischen Schlafmedizin und Schlafforschung das Interesse in den letzten Jahrzehnten eher von den Träumen abgewandt. Hingegen ist der REM-Schlaf immer noch ein intensiv beforschter Forschungsbereich. Es wäre wünschenswert, wenn in Zukunft auch wieder stärker eine Untersuchung der psychologischen Aspekte des REM-Schlafs erfolgt.
Literatur
Dement W, Kleitman N (1957) The relation of eye movements during sleep to dream activity: an objective method for the study of dreaming. J Exp Psychol 53:339–346CrossRef
Hobson JA (1988) The dreaming brain. Basic Books, New York
Hobson JA (2001) The dream drugstore. MIT Press, CambridgeCrossRef
Koukkou M, Lehmann D (1980) Psychophysiologie des Träumens und der Neurosentherapie: Das Zustandswechselmodell, eine Synopsis. Fortschr Neurol Psychiatr 48:324–350CrossRef
Schredl M (1999) Die nächtliche Traumwelt. Kohlhammer, Stuttgart
Strauch I (2004) Träume im Übergang von der Kindheit ins Jugendalter. Verlag Hans Huber, Bern
Strauch I, Meier B (2004) Den Träumen auf der Spur, 2. Aufl. Verlag Hans Huber, Bern